Migrationsdebatte bei "Lanz": Ist Schengen gescheitert?
Migrationsdebatte bei "Lanz":Wissler: Europa kann sich nicht abschotten
von Bernd Bachran
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Thomas De Maizière (CDU) pocht bei "Lanz" auf konsequenten Grenzschutz, um das Schengen-Abkommen zu retten. Linken-Politikerin Janine Wissler kontert: Abschottung sei eine Illusion.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 13. Mai 2025. 13.05.2025 | 75:02 min
Vor der Bundestagswahl 2025 versprach Friedrich Merz, für den Fall, dass er Bundeskanzler werde, eine drastische Verschärfung der Migrationspolitik. Wenige Tage nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler scheint er zu liefern.
Unter der Führung von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, die sowohl national als auch international für Diskussionen sorgen.
Deutschland führt wieder systematische Grenzkontrollen ein und weist Asylsuchende ohne gültige Papiere konsequent zurück. Kritiker, darunter Österreich und Polen, sehen darin mögliche Verstöße gegen EU-Recht und lehnen die Rücknahme abgewiesener Personen ab.
Verschärfte Grenzkontrollen und Zurückweisungen, auch von Asylsuchenden: Was Merz als europarechtskonform angekündigt hat, stößt bei einigen europäischen Nachbarn auf Kritik.11.05.2025 | 3:53 min
Die deutsche Außengrenze ist woanders
Jan Solwyn arbeitete als Bundespolizist 15 Jahre an deutschen Grenzen und europäischen Außengrenzen und sprach bei "Markus Lanz" davon, dass die deutsche Außengrenze mittlerweile "woanders" ist. "Seit wir den Schengen-Raum haben, verläuft die deutsche Grenze nicht mehr zwischen Deutschland und Frankreich oder Deutschland und Österreich."
Durch den Schengen-Raum liegt die deutsche Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei. Die deutsche Grenze liegt zwischen Polen und Belarus.
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Jan Solwyn, ehemaliger Bundespolizist
Das Schengen-Abkommen wurde 1995 eingeführt und erlaubt den freien Personenverkehr zwischen teilnehmenden europäischen Ländern - ohne Passkontrollen an den Binnengrenzen. Für Jan Solwyn stehen Deutschland und Europa jetzt an einem Scheidepunkt.
"Nationales Recht wird angewendet, weil wir es für notwendig halten", so Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, CSU, zu Grenzkontrollen und Zurückweisungen.14.05.2025 | 6:26 min
Jan Solwyn: Brauchen Entscheidung zu Schengen
"Wir brauchen eine Entscheidung. Wollen wir im Schengen-Raum bleiben, dann muss die Konsequenz daraus der konsequente Schutz der europäischen Außengrenzen sein. Dann müssen alle Staaten ihre Ressourcen mobilisieren und dahin verlegen."
Oder wir sagen, Schengen ist gescheitert.
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Jan Solwyn, ehemaliger Bundespolizist
Die neuen Grenzkontrollen könnten einen "Bruch mit europäischem Recht" bedeuten und somit eine Verstimmung der Nachbarländer, sagt Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen.14.05.2025 | 5:39 min
Thomas de Maizière: Schengen komplett aufzugeben, wäre verheerend
Markus Lanz wollte vom ehemaligen Bundesinnen- und Verteidigungsminister, Thomas de Maizière (CDU), wissen, ob die aktuelle Entwicklung das Ende des Schengen-Abkommens, "das Ende einer großen Illusion" sei.
De Maizière wollte diese Frage allerdings nicht eindeutig beantworten. "Es gibt hier wahrscheinlich kein richtiges Entweder-Oder. Aber Schengen komplett aufzugeben, das wäre verheerend."
Die beste Lösung ist Schutz an den Außengrenzen.
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Thomas de Maizière, ehemaliger Bundesinnen- und Verteidigungsminister
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann hält die aktuelle Debatte über eine Notlage für nicht zielführend. Das Ergebnis müsse stimmen, sagt er im ZDF.11.05.2025 | 2:37 min
Janine Wissler beklagt "Scheindebatte"
Für Janine Wissler (Die Linke) war die öffentliche Debatte über Migration in Deutschland und die verstärkten Kontrollen an den deutschen Außengrenzen größtenteils eine "Scheindebatte".
"Warum reden wir denn nicht darüber, dass wir die Hürden für den Arbeitsmarkt [für Migranten] abbauen, Wohnraum schaffen, für psychosoziale Betreuung sorgen, Sprachkurse. (…) Aber die Illusion zu schaffen, man könnte sich jetzt hier abschotten und die grüne Grenze dichtmachen, wie wollen sie das denn machen?"
Ich will über die Bekämpfung von Fluchtursachen reden und nicht über Geflüchtete.
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Janine Wissler, Politikerin der Linken
Die angekündigten verschärften Grenzkontrollen an deutschen Grenzen gelten seit einer Woche. Doch was bringen sie, außer Stau für Pendler und Einbußen für den Handel im Grenzgebiet?14.05.2025 | 2:39 min
Janine Wissler: Immer mehr Menschen werden flüchten
Wissler sprach davon, dass Kriege, Klimawandel und Armut zentrale Fluchtursachen seien. Wenn man nichts gegen diese Fluchtursachen unternehme und immer mehr Menschen weltweit flüchteten, werde sich dieser Trend noch verstärken. Es sei eine Illusion zu glauben, Europa könne sich einfach gegen das Elend in der Welt abschotten.
Der ehemalige Bundesinnenminister konfrontierte die Linken Politikerin mit einem Leitantrag der Linkspartei auf dem vergangenen Parteitag in Chemnitz. "In Ihrem Leitantrag in Chemnitz schreiben Sie sogar: Wir sind gegen Abschiebungen."
De Maizière direkt an Janine Wissler gewandt: "Ein mehrfacher Mörder, den sind sie nicht bereit abzuschieben, weil sie gegen Abschiebung sind? Ich kann es nicht genau verstehen."
Woraufhin Wissler dem CDU-Politiker entgegnete: "Jemand, der eine schwere Straftat begangen hat, der sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden."
Nach jahrelangen Diskussionen hat die EU-Kommission im März ihre Pläne zur sogenannten „Rückführungsverordnung“ vorgestellt. Abschiebungen sollen damit erleichtert und beschleunigt werden.12.03.2025 | 2:35 min
Uneinigkeit bei Abschiebungen
Allerdings vertrat die ehemalige Parteivorsitzende von "Die Linke" die Meinung, solch ein Straftäter nach einer verbüßten Strafe nicht abzuschieben.
Wissler: "Ich halte es für besser, wenn wir Mörder in deutschen Gefängnissen haben, als frei auf Kabuls Straßen. Da gibt es auch Menschen, denen er was antun kann. Ist uns das egal?"
De Maizière sah diese Bemerkung als Bestätigung seines Vorwurfs, "dass sie gegen jede Form von Abschiebung sind." Provozierend fasste er zusammen, dass, wenn man das, "was Frau Wissler hier vorträgt und was in ihren Programmen steht bis zu Ende denkt", bedeute dieses, "es gibt ein Recht auf freie Wohnsitzwahl in der ganzen Welt? Und jeder, der sich dagegen wehrt, ist irgendwie inhuman?"
Millionen Menschen flüchten; Tausende sterben. Kriege, Klimawandel und Armut sind Ursachen. Der Krieg in der Ukraine zwingt viele Menschen zur Flucht. News und Hintergründe.