SPD-Abstimmung über Koalition mit Union: Jusos gegen Vertrag

SPD-Votum über Koalition vor Ende:Jusos: Schwarz-Rot ja, aber nicht so

Jenifer Girke
von Jenifer Girke
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Ja zum Koalitionsvertrag? Auf keinen Fall! So die Meinung vieler Jusos. Sie wollen zwar Schwarz-Rot, aber nicht so - und kritisieren kurz vor Abstimmungsende die SPD-Spitze scharf.

Jusos
Um Mitternacht läuft das Votum der rund 360.000 SPD-Mitglieder zum neuen Koalitionsvertrag mit der Union ab. Die Jusos sehen viele rote Linien in der Migrations- und Sozialpolitik überschritten. Deshalb wollen sie dem Vertrag nicht zustimmen.29.04.2025 | 1:43 min
Noch bis Mitternacht haben die etwa 360.000 SPD-Mitglieder Zeit, um für oder gegen den Koalitionsvertrag zu stimmen. Während hier und da noch Argumente ausgetauscht werden, steht für eine Gruppe schon fest, welches Ergebnis sie sich wünscht.
Die Jusos werden dem 146 Seiten langen Vertrag wohl ziemlich geschlossen eine Abfuhr erteilen. Dass sie damit die Koalition gefährden, gar Neuwahlen provozieren, sei nicht richtig, erzählt eine Juso-Gruppe in Mönchengladbach. Robin Busch, Jusos-Mitglied im Märkischen Kreis, sagt:

Wir wünschen uns ja nicht, dass Deutschland unregierbar wird. Wir wünschen uns auch auf keinen Fall eine Neuwahl, das wollen wir nicht. Wir wissen auch, dass das dumm wäre.

Robin Busch, Juso-Mitglied

Vier Juso-Mitglieder treffen sich in Mönchengladbach, um die nächste Klausurtagung zu planen. Thema: Kommunalwahl im September. Man blickt nach vorne, will sich nicht von der Berliner Politik aufhalten lassen.

Jusos: Zu viele No-Gos bei Bürgergeld, Klima, Migration

Das klappt aber nicht ganz. Etwa 15 Stunden pro Woche investieren sie in ihr ehrenamtliches Engagement. In letzter Zeit sei es etwas mehr gewesen, erzählen sie. Info-Veranstaltungen, intensive Gespräche mit Genossen und Genossinnen - und eine zentrale Botschaft: "Stimmt nicht für diesen Koalitionsvertrag!"
Für sie ist die Sache eindeutig - zu viele rote Linien seien überschritten: "Es sind vor allem die Totalsanktionen (beim Bürgergeld), es ist dieser unsägliche Umgang mit Migration und Flucht, es sind Zurückweisungen an den Staatengrenzen", berichtet Robin Busch.
Mitglieder der CDU stimmen während der Bundesvorstandssitzung der CDU per Handzeichen für den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag.
Auf ihrem Parteitag hat die CDU dem Koalitionsvertrag mit der SPD zugestimmt und die Besetzungen für ihre Ministerien bekannt gegeben.28.04.2025 | 2:14 min
"Das ist komplett irre, da hätten wir vor vier, fünf Jahren nie drüber geredet", sagt Busch. Man würde der AfD zu sehr nach dem Mund reden, ergänzt seine Juso-Genossin Mandana Bayat. Und gleichzeitig gebe es "Sachen, die nicht drinstehen. Zu Klima fehlen total viele Forderungen, die wir trotzdem als relevant erachten."

Bundes-SPD will keine Nachverhandlungen

Den Vorwurf, sie würden die Regierungsbildung damit bewusst gefährden, weisen sie zurück. Es ginge nicht darum, die Koalition platzen zu lassen. Ihre Forderung: konkrete Punkte neu verhandeln. Eine Idee, von der die Bundes-SPD bisher nicht viel hält. Und das frustriert.
"Ein klein bisschen wütend auf Lars Klingbeil, weil der aus meiner Sicht versucht hat, uns keine Wahl zu lassen, indem er von vornherein Nachverhandlungen ausgeschlossen hat", kritisiert Alexander Bronheim, Juso-Mitglied aus Mönchengladbach. Einige Genossen an der Basis teilen ihre Bedenken, so die Erfahrung der Jusos. Mit anderen würde man inhaltlich kontrovers, aber angenehm diskutieren.

Vor Ort werden wir ernst genommen. Bei der Parteispitze würde ich das nicht unterschreiben, um ehrlich zu sein.

Yannik Sechi, Juso-Mitglied

Junge Menschen diskutieren am Tisch
Merz verspricht Fortschritte für junge Menschen – doch SPD-Nachwuchs kritisiert: Der Koalitionsvertrag lässt ihre Interessen außen vor. Was junge Wähler und Wählerinnen stört.29.04.2025 | 4:21 min

Kritik an SPD-Generalsekretär Matthias Miersch

Die Landesverbandsvorsitzende der Jusos Nordrhein-Westfalen, Nina Gaedike, findet noch deutlichere Worte. Die Parteispitze würde weder die Sorgen an der Basis noch den Mitgliederentscheid ernst genug nehmen. Schließlich sei die Abstimmung ein Ausdruck davon, wie SPD Politik macht, "dass wir gemeinsam zum besten Ergebnis kommen wollen."
Aber: "Matthias Miersch sagt, im Prinzip wäre es alternativlos, man muss jetzt Ja sagen bei diesem Mitgliedervotum. Das macht mich richtig wütend. Da frage ich mich schon, wie der seinen Job versteht", sagt Gaedike.
Dominik Rzepka
Die SPD stimmt über den Koalitionsvertrag ab. Am Ende dürfte die Partei Ja zu Schwarz-Rot sagen, erklärt Dominik Rzepka aus dem ZDF-Hauptstadtstudio - diese drei Gründe sprechen dafür.15.04.2025 | 1:02 min

Politologe: Jusos gegen die da oben als klassische Rollenverteilung

Nicht alle Jusos sind SPD-Mitglied und dürfen abstimmen. Trotzdem gilt auch jetzt: Die Jusos gegen die da oben - klassische Rollenverteilung, so Politikwissenschaftler Martin Florack von der Universität Duisburg-Essen:

Man weiß, dass die Jungsozialisten linker sind als die SPD insgesamt, dass es auch ein Rollenspiel innerhalb dieser Partei ist, gegenüber dem aus ihrer Sicht gefühlten Partei-Establishment andere Akzente zu setzen.

Martin Florack, Politikwissenschaftler

Dass ihr Wunsch, den Koalitionsvertrag nachzuverhandeln, doch noch mehr Gehör findet, glaubt Florack nicht. "Aber er wird ab Tag eins permanent neu ausgehandelt werden müssen, denn die Zeit geht über Koalitionsverträge hinweg. Das hat die alte Bundesregierung schmerzlich erfahren."
Was machen die Jusos, wenn die SPD für den Vertrag stimmt? "Dann hört der politische Kampf ja nicht auf", so Gaedike, "und dann ist es unsere Aufgabe in der Partei dafür zu sorgen, dass in dieser Regierung mehr passiert, als das, worauf man sich bisher committet hat." Ihr Einfluss ist begrenzt, ihre Stimme bleibt laut. Egal, wie das Mitgliedervotum ausgeht.
Jenifer Girke ist Reporterin im Landesstudio Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

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Quelle: dpa

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