Public Health Index:Deutschland bei Gesundheitsvorsorge fast Schlusslicht
von Petra Otto
Für Gesundheit gibt Deutschland mehr Geld aus als jedes andere europäische Land. Gesünder sind die Deutschen trotzdem nicht. In Sachen Prävention nämlich liegt Deutschland hinten.
Sprechzimmer einer Hausarztpraxis (Symbolbild)
Quelle: dpaEin 1,5-Liter-Tetrapack Wein - im Discounter in Deutschland bekommt man ihn für unter zwei Euro. Die Finnen dagegen zahlen 3,20 Euro allein an Verbrauchssteuer für 0,7 Liter Wein, in Norwegen gibt es Alkohol nur in lizensierten Läden und auch erst ab 20 Uhr. Werbung für Alkohol ist verboten. Es ist in diesen Ländern damit viel schwieriger und teurer, an Alkohol zu kommen. Deshalb lassen es viele sein - das ist nachgewiesen.
"In Deutschland haben wir immer noch Alkoholwerbung - auf Plakaten beispielsweise. Also Kinder und Jugendliche sind an der Haltestelle, wenn sie aus der Schule kommen, der Alkoholwerbung ausgesetzt", sagt Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Sie hebt zudem hervor:
Die Preise sind in Deutschland extrem niedrig im europäischen Vergleich, und Alkohol ist einfach sehr stark verfügbar.
Ute Mons, Deutsches Krebsforschungszentrum
Ute Mons hat am neu entwickelten "Public Health Index" mitgewirkt, der jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Das Projekt vergleicht Präventionsmaßnahmen in 18 europäischen Ländern zu den Themen Alkohol, Tabak, Ernährung und Bewegung.
Laut Gesetzesentwurf sollen Minderjährige nicht mehr unter Begleitung Alkohol trinken dürfen. Außerdem soll Rauchen im Auto verboten sein, wenn Kinder oder Schwangere mitfahren.
26.09.2025 | 1:38 minPublic Health Index: Deutschland auf Platz 17 von 18
Die AOK und das Deutsche Krebsforschungszentrum haben - unterstützt von Wissenschaftler*innen - untersucht, wie die Länder WHO-Empfehlungen zur Gesundheitsvorsorge umsetzen. Schlecht, wenn man auf Deutschland schaut. Nur die Schweiz tut noch weniger. Die Deutschen haben auch eine etwas geringere Lebenserwartung: 81,1 Jahre, der Durchschnitteuropäer wird 81,4.
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Ungesundes Leben kostet den Staat mehr als 200 Milliarden Euro im Jahr
Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Adipositas - diese Volkskrankheiten nehmen stark zu und sie könnten oft vermieden werden, wenn die Deutschen weniger rauchen, trinken und gesünder essen würden. Ganz abgesehen vom individuellen Leid, das diese schweren Erkrankungen verursachen, ungesundes Verhalten belastet die Volkswirtschaft. Fast 100 Milliarden, so Schätzungen, verschlingt allein die Behandlung von Schäden durch Tabakkonsum, 63 Milliarden kostet Adipositas, 57 Milliarden der Alkoholkonsum.
Was sich konkret ändern müsste, ist, dass der Staat eben eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik umsetzt.
Prof. Dr. Ute Mons, Deutsches Krebsforschungszentrum
"Das heißt, in den Bereichen, wo er Hebel hat, diese auch nutzt, um Werbung für ungesunde Produkte zu reduzieren, um die Verfügbarkeit zu reduzieren und umgekehrt eben den Anreiz zu geben, sich gesünder zu verhalten, es uns leichter zu machen", so Mons vom DKFZ. Denn, das belegen Umfragen, die Menschen wollen gesund leben. Und "gesundes Leben" beginnt schon im Kindesalter.
Bis zu zehn Prozent der Kinder in Deutschland sind adipös, die Corona-Pandemie hat dieses Problem zusätzlich verstärkt. Um die Kinder vor gesundheitlichen Folgen zu schützen, bieten die Medigreif-Inselkliniken auf Usedom Aufklärungskurse an.
22.05.2024 | 1:50 min9 von 18 Ländern haben Qualitätsstandards für Schulessen
Im Vereinigten Königreich beispielsweise ist verbindlich vorgeschrieben, welche Lebensmittel verwendet werden dürfen und wie viele Kalorien ein Schulessen haben darf. Außerdem gibt es dort seit Jahren eine Softdrink-Steuer und die Kennzeichnung auf Lebensmitteln ist anschaulich. Werbung für Ungesundes gibt’s ab 2026 dort nur noch ab 21 Uhr.
Klagen sind nicht zu hören, und so stellt sich die Frage, warum in Deutschland nicht eine einzige Maßnahme flächendeckend umgesetzt wurde. Hier gelten nach wie vor Eigenverantwortung jedes Einzelnen und Freiwilligkeit für die Industrie.
Cem Özdemir präsentiert den Ernährungsreport 2024. Die Ergebnisse der Befragung geben Aufschluss über die Essgewohnheiten in Deutschland.
24.09.2024 | 1:47 minDeutschland in allen Bereichen zögerlich
Auch bei der Tabakpolitik ist Deutschland Vorletzter, weil es immer noch viele Ausnahmen von der Regel gibt. Rauchen ist zwar vielerorts verboten, Raucherlokale, Raucherzonen auf Bahnhöfen existieren trotzdem. 3 Cent pro Kopf gibt Deutschland für Aufklärungskampagnen aus. Nicht überraschend, dass es hier noch immer viele Raucher*innen gibt.
Nur beim Thema Bewegung hat es Deutschland ins Mittelfeld geschafft. Platz 10 von 18. Doch auch hier - so die Autor*innen der Studie - sei die Umsetzung halbherzig. Radwege, Sportvereine, Firmenläufe seien zwar in aller Munde, aber eben nicht flächendeckend. So erfüllen nur 15 Prozent der Jugendlichen die WHO-Bewegungs-Empfehlungen.
Corona hinterlässt Spuren. Und wer soll die Situation verbessern? Niemand fühlt sich eindeutig verantwortlich. So bleiben laut Studien Lücken, die vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Gegenden zu spüren bekommen.
Deutschland hat jetzt zwei Jahre Zeit, um im Public Health Ranking nach oben zu klettern. Um Maßnahmen gegen Tabak- und Alkoholkonsum umzusetzen, für bessere Ernährung und mehr Bewegung zu sorgen. 2027 wird wieder europaweit verglichen.
Petra Otto ist Redakteurin im ZDF-Studio in Stuttgart.
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