Deutsche Bahn: Sondervermögen reicht laut Bahnexperte nicht aus

Interview

Sondervermögen für die Bahn:"Wir vernachlässigen unsere gesamte Verkehrsinfrastruktur"

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Die Zukunft des Schienenverkehrs - ein Thema der Verkehrsministerkonferenz. 107 Milliarden Euro sollen in die Bahn-Sanierung fließen. Experte Böttger bezweifelt, dass das reicht.

Archiv: Ein Arbeiter untersucht Bahngleise, aufgenommen am 12.05.2018 in München

Die Länder beraten über die Zukunft der Mobilität in Deutschland. Im Zentrum der Gespräche stehen Investitionen in Verkehrsinfrastruktur, den ÖPNV und das Deutschlandticket.

29.10.2025 | 2:49 min

Die Bundesregierung will das Schienennetz mit Milliardenmitteln aus einem schuldenfinanzierten Sondervermögen auf Vordermann bringen. Doch Bahnexperte Professor Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hält die Summe für zu knapp. Er sieht keine echte Investitionsoffensive - und warnt im ZDFheute-Interview vor den Folgen einer kurzsichtigen Verkehrspolitik.

ZDFheute: Die Bundesregierung will mehr Geld für die Sanierung der Bahn ausgeben. Reicht das aus, um den Sanierungsstau der letzten 20 Jahre zu beseitigen?

Christian Böttger: Nein, es wird sicher nicht reichen. Man muss dazu insbesondere sehen, dass ein Großteil dieses Geldes tatsächlich aus dem Kernhaushalt verschoben wird, schätzungsweise 70 Milliarden Euro. Das heißt, wirklich neue Mittel sind nur gut 35 Milliarden Euro.

Das reicht also, um die Preissteigerung der letzten Jahre abzufangen, aber nicht für viel mehr. Und es ist letztendlich auch ein Bruch des Versprechens, dass diese Mittel zusätzlich sein sollen.

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ZDFheute: Bedeutet das, dass Deutschland auf neue Bahnprojekte verzichten muss?

Böttger: Ja, also in der Tat, die Hoffnungen, dass man neue Strecken bauen kann, haben sich erst einmal in Luft aufgelöst. Die Bahn hat ja auch die Planung neuer Strecken schon eingestellt. Natürlich ist es richtig, zuerst die Bestandsstrecken in ordentlichem Zustand zu halten. Aber eine Strategie für Verkehrsverlagerung oder pro Schiene gibt es nicht.

Neubau von Bahnstrecken hat keine Priorität und dafür steht kaum Geld zur Verfügung.

Christian Böttger

... ist Professor für Wirtschaft und Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Er forscht zu Infrastruktur, Bahnwirtschaft und Verkehrspolitik.


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ZDFheute: Können Sie konkrete Projekte nennen, die jetzt gestoppt werden?

Böttger: Also es gibt eine ganz zentrale Strecke im Kernnetz, das ist der Neubau von zwei weiteren Gleisen von Frankfurt nach Mannheim über Darmstadt. Dieses Projekt ist seit 20 Jahren in der Planung, jetzt wieder gestoppt wegen absehbarem Geldmangel.

Auch beim Brenneranschluss Richtung Österreich und Italien, beim Fehmarnbelt nach Dänemark und bei der Neubaustrecke Hamburg-Hannover steht alles auf der Kippe.

All diese Projekte werden momentan nicht finanzierbar sein, wenn nicht neue Geldquellen erschlossen werden.

Christian Böttger

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ZDFheute: Andere Länder wie Österreich oder die Schweiz investieren mehr - warum gelingt das hier nicht?

Böttger: Zum einen investieren diese Länder grundsätzlich mehr in Infrastruktur. Die Schweiz das Dreifache, Österreich das Doppelte pro Kopf.

Wir vernachlässigen unsere gesamte Verkehrsinfrastruktur, vor allem die Schiene, aber auch die Straße.

Christian Böttger

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ZDFheute: Ab 2027 droht eine Finanzierungslücke. Wie gravierend ist die Lage für die Bahn?

Böttger: Bis 2029 sind die Sanierungsvorhaben der Bahn wohl gesichert, für Neubauprojekte gibt es keine zusätzlichen Mittel. Danach ist völlig unklar, wie viele Mittel es noch gibt.

Die jetzige Finanzierungslinie reicht nur, um Kostensteigerungen der letzten Jahre auszugleichen. Das große Versprechen, die Infrastruktur wirklich zu sanieren, wird mit diesem Plan nicht erfüllt.

ZDFheute: Was sollte die Politik Ihrer Meinung nach jetzt priorisieren?

Böttger: Die Länder haben sich furchtbar verbissen in das Thema Deutschland-Ticket - ein Konsumprojekt, das wenig bringt und unglaublich teuer ist. Wichtig wäre, sich auf die Themen zu konzentrieren, die Eisenbahnen in Deutschland wieder ermöglichen: stabile Finanzierung, Sanierung der DB AG, Förderung des Güterverkehrs. Die Länder sollten von ihrer einseitigen Fokussierung auf das Deutschland-Ticket wegkommen.

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Nach Beratungen der Verkehrsminister steht fest: 63 Euro im Monat soll das Abonnement des Deutschlandtickets ab Januar kosten, um Mehrkosten für die Verkehrsbetriebe auszugleichen.

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ZDFheute: Und langfristig - was braucht es, damit die Bahn wieder Vorbild wird?

Böttger: Wir brauchen eine stabile Finanzierung. Die Industrie muss wissen, worauf sie sich einstellen kann, sonst wird sie keine Leute ausbilden, keine Maschinen beschaffen. In Deutschland wird Investitionspolitik nach Haushaltslage gemacht, mal eine Milliarde mehr, nächstes Jahr weniger.

Das ruiniert unsere Beschaffungsindustrie. Nachbarländer machen es besser, sie bieten stetige Finanzierung. Das ist entscheidend, um Bau und Sanierung überhaupt kostengünstig zu ermöglichen.

Das Interview führte Jutta Sonnewald, Reporterin im ZDF-Landesstudio Bayern.

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