Reichinnek nicht gewählt: Geheimdienst-Gremium ohne Linke

Geheimdienst-Kontrollgremium:Reichinnek nicht gewählt: Affront mit Folgen

Andrea Maurer zur AFD
von Andrea Maurer, Berlin
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Die linke Fraktionschefin ist nicht ins Parlamentarische Kontrollgremium gewählt worden. Vor allem die Union dürfte ihr die Zustimmung verweigert haben. Was die Nicht-Wahl bedeutet.

Moderator und Korrespondent Wulf Schmiese zugeschaltet
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages überwacht die deutschen Geheimdienste. Heidi Reichinnek von der Linken wurde nicht in das PKG gewählt.26.06.2025 | 1:43 min
Gegen 17:40 Uhr tritt im Parlament das ein, wovor die Linkspartei die Union gewarnt hatte: Die linke Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek wird nicht in das Parlamentarische Kontrollgremium gewählt. Sie kommt in der geheimen Wahl auf 260 der 316 notwendigen Stimmen. Damit ist Heidi Reichinnek ebenso durchgefallen wie die beiden Abgeordneten der AfD Martin Hess und Gerold Otten. Und es lässt sich vermuten, dass vor allem viele der 208 Abgeordneten der Unionsfraktion gegen sie gestimmt haben.
Für die Linke ist die Nicht-Wahl ihrer Vorsitzenden ein Affront, von dem sie sich so schnell nicht erholen wird und will. Für die Union dürfte das parlamentarische Verhältnis zur Linkspartei nun nochmal komplizierter werden. Dabei braucht die Union die Linke auch. Was also ist passiert?

Linke: Union beschädigt Fraktionschefin

Schon in den Tagen zuvor haben Politiker der Linkspartei getobt und gedroht. Partei und Fraktion waren in Aufruhr, seitdem der CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann am vergangenen Wochenende gegenüber dem Spiegel seine Bedenken geäußert hatte: "Dieses hochsensible Gremium braucht passendes Personal statt parteipolitischer Provokation", so Hoffmann.
Kurz darauf ließ der parlamentarische Geschäftsführer der Linken Christian Görke wissen:

Heidi Reichinnek ist eine beliebte und über Parteigrenzen hinweg anerkannte Politikerin, die sich mit ihrem Einsatz für die Demokratie große Anerkennung verdient hat. Das sollte insbesondere auch der Union klar sein, sofern sie sich an den Tag der Kanzlerwahl erinnert.

Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken

Heidi Reichinnek zu unterstellen, sie sei für das Parlamentarische Kontrollgremium nicht geeignet, sei "auch deswegen eine Unverschämtheit". Erinnerung an den Tag der Kanzlerwahl hört man von Abgeordneten der Linkspartei in diesen Tagen oft: am 6. Mai war ein zweiter Wahlgang für Friedrich Merz nur möglich gewesen, weil die Linke, angeführt von Heidi Reichinnek, nach zwei längeren Gesprächen zugestimmt und den parlamentarischen Weg frei gemacht hatte. Die Union beschädige nun eine der Führungsfiguren der Linken.
Unterwegs mit Heidi Reichinnek
Cherno Jobatey trifft in Berlin die 37-jährige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, die mit TikTok-Videos und unkonventionellem Auftreten Anteil am jüngsten Wahlerfolg der Partei hatte.02.05.2025 | 4:29 min

Linke droht mit Konsequenzen

Und auch Heidi Reichinnek selbst warnte noch am Dienstag gegenüber ZDFheute: "Ich mache vor allen Dingen Zwei-Drittel-Mehrheiten davon abhängig, dass mit uns Gespräche geführt werden." Und weiter:

Wenn die Union eine Wahl in ein solches Gremium wirklich politisieren will, dann muss sie mit den Konsequenzen auch klarkommen.

Heidi Reichinnek

Die Konsequenzen, die Reichinnek meint: für die Reform der Schuldenbremse, die die Koalition noch in diesem Jahr auf den Weg bringen will, und für die Wahl von Verfassungsrichtern, die in diesem Sommer ansteht, braucht die Regierung eine Zweidrittelmehrheit - und da sie eine Zusammenarbeit mit der AfD konsequent ausschließt, brauchen Union und SPD eigentlich die Linke.
Alice Weidel hält eine Rede im Bundestag.
Mit der Reform der Schuldenbremse, die er im Wahlkampf verteidigt habe, opfere CDU-Chef Merz "bedenkenlos" den Wohlstand der Bürger, um Kanzler zu werden, sagt AfD-Chefin Alice Weidel. 13.03.2025 | 11:45 min

Wofür Reichinnek in den Augen der Union steht

Die Union hatte es ihren Abgeordneten am Ende frei gestellt, für oder gegen Reichinnek zu stimmen. Allerdings hatte der Parlamentarische Geschäftsführer Steffen Bilger schon im Vorfeld seine Bedenken gegenüber ZDFheute formuliert: "Frau Reichinnek steht für eine Linkspartei, die sich nicht klar abgrenzt gegenüber Antisemitismus. Eine Linkspartei, die offen paktiert mit Linksextremisten."
Die Linke versteht diese Wahl nun als klares Misstrauensvotum gegen ihre Fraktionsvorsitzende und will sich beraten, wie es weiter geht. Klar ist: Die parlamentarische Zusammenarbeit zwischen Union, SPD und Linkspartei dürfte mit dem heutigen Tag komplizierter - wenn nicht sogar unwahrscheinlicher - geworden sein. Und die Linke, die schon einen erheblichen Teil ihres Wahlerfolgs auf einem Anti-Unions-Wahlkampf aufgebaut hat und deren Gallionsfigur Reichinnek ist, wird den heutigen Tag nutzen, um sich noch deutlicher gegen die Regierung Merz zu positionieren.

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