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Queeres Leben auf dem Land:CSD feiern in Brandenburg: "Jetzt erst recht"
von Paula Schöber und Dorte Störmann
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Vom Spreewald bis in die Uckermark finden dieses Jahr so viele CSDs statt wie noch nie. Doch für queere Menschen bleibt es in Brandenburg schwierig, mancherorts sogar gefährlich.
Christian Müller aus Cottbus blickt mit großer Sorge auf den Christopher Street Day (CSD) in seiner Heimatstadt in der Lausitz. Der Cottbusser CSD findet zwar erst im Oktober statt, doch schon jetzt machen sich die Organisatoren Gedanken um Sicherheitskonzepte:
Wir werden verstärkt auf ehrenamtliche Ordner*innen setzen und in engeren Austausch mit der Polizei gehen.
Christian Müller
Außerdem will das CSD-Team dieses Jahr eine private Sicherheitsfirma einsetzen. Bereits jetzt sei eine rechte Gegendemonstration angemeldet, erzählt Müller.
In Brandenburg gibt es dieses Jahr so viele CSDs wie nie zuvor. Insgesamt 23 Veranstaltungen sind geplant, über den Sommer und über das ganze Bundesland verteilt. Sieben CSDs fanden bereits statt. Bisher verliefen die Veranstaltungen größtenteils ohne Zwischenfälle, doch die Situation für queere Menschen bleibt in Brandenburg angespannt, mancherorts sogar gefährlich.
Verstärkte Polizeipräsenz nach Angriff
In Bad Freienwalde, nur 20 Kilometer östlich von Eberswalde, griffen Mitte Juni Vermummte ein Stadtfest für Vielfalt an, die Täter sollen aus der rechtsextremen Szene stammen. Trotz Sorgen vor ähnlichen Angriffen blieb der CSD in Eberswalde eine Woche später ruhig. Allerdings veranstaltete die AfD zur selben Zeit auf dem Marktplatz ein sogenanntes Sommerfest.
Auch in Falkensee, einer 45.000-Einwohner-Stadt westlich von Berlin, konnten mehrere Hundert Teilnehmer friedlich und ohne Zwischenfälle demonstrieren. Begleitet wurden sie von einem großen Polizeiaufgebot - und einer rechten Gegendemonstration.
Thomas Tietze ist queer und extra eine Stunde aus Werder bei Potsdam zum CSD in Falkensee angereist. Ihm liegt viel daran, "dass queeres Leben überall in Brandenburg sichtbar ist".
Gerade deswegen sei es besonders wichtig, die kleinen CSDs auf dem Land zu unterstützen, sagt Tietze. Er ist im Vorstand von AndersARTIG e.V., dem Dachverband der LSBTIQ-Community in Brandenburg. Dass die Stimmung gegenüber der queeren Community sich verändert, habe Tietze schon am eigenen Leib erfahren.
Angst vor Übergriffen: Junge Menschen ziehen in Großstädte
Er erzählt, dass er auf dem Rückweg von einem anderen CSD kürzlich von Jugendlichen angepöbelt wurde. In der Community beobachtet er einerseits immer mehr junge Menschen, die aus Angst vor Übergriffen etwa nach Berlin oder Hamburg ziehen, aber gleichzeitig stellt Thomas Tietze fest, "dass viele Menschen jetzt erst recht auf die Straße gehen".
Die Zahl der queerfeindlichen Straftaten verdoppelte sich von 27 Straftaten im Jahr 2022 auf 61 im Jahr darauf, und stieg 2024 nochmals auf 84. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums in Potsdam auf eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Noack hervor.
Brandenburg: Auf offener Straße zusammengeschlagen
Ablehnung, ja sogar Gewalt hat Anzai am eigenen Leib erfahren. Der 23-jährige trans* Mann lebt in Brandenburg an der Havel und erzählt, dass er vor zwei Jahren auf offener Straße von zwei Menschen zusammengeschlagen wurde.
Auf dem CSD fühle ich mich sicher, aber außerhalb davon habe ich viel Angst.
Anzai
Um sich in der Community auszutauschen und sicherer zu fühlen, ist er in der queeren Initiative "Havel der Vielfalt" aktiv und plant außerdem mit anderen jungen Menschen, die in der Linkspartei aktiv sind, eine queere Anlaufstelle aufzubauen. In der sollen dann unter anderem Selbstverteidigungskurse angeboten werden.
Paula Schöber und Dorte Störmann berichten aus dem ZDF-Studio in Potsdam.
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