Grenzkontrollen in Polen: Welche Probleme Anwohner erwarten
Frankfurt (Oder) und Słubice:Grenzkontrollen: "Finde das furchtbar"
von Paula Schöber und Antje Klingbeil
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Ab Montag will Polens Ministerpräsident Tusk die Grenzen zu Litauen und Deutschland kontrollieren lassen. In Frankfurt (Oder) und Słubice halten die Menschen wenig davon.
Die Bundesregierung hat die Grenzkontrollen zu Polen verlängert – darauf reagiert Polen mit eigenen Kontrollen ab Montag. So solle der Strom von Migranten begrenzt werden.01.07.2025 | 1:32 min
Dorota Wiencek kommt aus Polen, lebt aber seit einiger Zeit mit ihrer Familie in Frankfurt (Oder). Zuhause sprechen sie und ihr Mann Polnisch mit den Kindern, aber da Dorota Wiencek großen Wert darauf legt, dass ihre Kinder zweisprachig aufwachsen, schickt sie ihren Nachwuchs in die bilinguale Kita "Oderknirpse". Bereits die Grenzkontrollen auf deutscher Seite machten ihr und ihren Kindern den Alltag schwer. Die ab Montag in Kraft tretenden Kontrollen auf polnischer Seite dürften das verschlimmern.
Eigentlich sind sie anderes gewohnt. Seit 30 Jahren wächst an der Oder eine Doppelstadt zusammen, aus dem deutschen Frankfurt und dem polnischen Słubice. Tomasz Pilarski, Abteilungsleiter des Doppelstadt-Stadtmarketings, ist stolz, ein geborener Doppelstädter zu sein: "Schon zu Beginn der 90er Jahre hat man hier die Viadrina etabliert mit dem Collegium Polonicum und Stück für Stück, auch als Polen der Europäischen Union beigetreten ist, ist es immer enger geworden."
Logistische Probleme durch Grenzkontrollen
Doch seit den Kontrollen auf deutscher Seite: Lange Schlangen an den Grenzkontrollpunkten, etwa vor der Europa-Brücke in Frankfurt oder auf der A12, ein riesiges Problem für den Personen- und Warenverkehr.
Die IHK Ostbrandenburg weist schon länger auf dieses logistische Problem hin, erklärt Hauptgeschäftsführerin Monique Zweig:
Wir reden bei der Autobahn über einen Grenzübergang, der der meistbefahrene deutschlandweit ist, mit vier Millionen LKW pro Jahr.
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Monique Zweig, IHK Ostbrandenburg
Und die LKWs "beliefern nicht nur Brandenburg, sondern ganz Deutschland", erklärt Zweig.
Fünf Millionen Euro Warenverkehr gingen täglich über die Grenze, ebenso wie 12.000 Pendler. Seit über 20 Jahren seien die grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Beziehungen gewachsen, sagt Zweig, doch durch die Grenzkontrollen würden diese nun massiv beeinträchtigt, und auch die guten Beziehungen würden in Mitleidenschaft gezogen.
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Bürgermeister in Polen: Rückschritt für Europa
Von der Bundespolitik fühlt sich Zweig nicht ernst genommen, aber "wir sehen da eine Auswirkung, nicht nur hier für unseren Kammerbezirk, sondern für ganz Deutschland und auch für Europa". Ihr Kollege André Fritsche von der IHK Südbrandenburg befürchtet für die ländlichen, strukturschwachen Regionen Brandenburgs noch mehr wirtschaftliche Schwierigkeiten, wenn die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland durch Grenzkontrollen weiter erschwert wird.
Auch auf der polnischen Seite der Doppelstadt sieht man die Kontrollen als einen Rückschritt für Europa. Tomasz Stefański, stellvertretender Bürgermeister von Słubice sagt:
Aus Perspektive unserer Doppelstadt ist die Einschränkung des Schengen-Abkommens keine Lösung und weitere Schlagbäume sind auch kein Mittel für die Migrationspolitik.
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Tomasz Stefański, stellvertretender Bürgermeister von Słubice
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Anwohner beklagen Einschränkungen
Für viele Menschen in Frankfurt und Słubice bedeuten die Kontrollen tagtägliche Einschränkungen. Die Frankfurterin Sandra Seidel arbeitet bei der Lebenshilfe, einem Selbsthilfeverband für Menschen mit geistiger Behinderung, und erzählt:
Wir haben viele Mitarbeiter, die aus Polen kommen und auch da leben. Ich weiß noch nicht, wie das wird, wie die denn zur Arbeit kommen können.
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Sandra Seidel
Claudia, eine andere Frankfurterin, die auf dem Wochenmarkt einkauft, hält die polnischen Kontrollen für "eine Retourkutsche auf unsere Grenzkontrollen".
"Ich finde das furchtbar", sagt Robert Reuter aus Frankfurt. Aus seiner Sicht sollten Grenzkontrollen, wenn sie denn nötig seien, an den Außengrenzen der EU stattfinden und nicht das europäische Zusammenleben behindern.
Paula Schöber und Antje Klingbeil berichten aus dem ZDF-Studio in Brandenburg.
Quelle: dpa
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