Polen: Regierungschef Tusk gewinnt Vertrauensfrage

Mehrheit für Donald Tusk:Polens Regierungschef gewinnt Vertrauensfrage

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Premier Donald Tusk darf in Polen weiterregieren: Er bekam im Parlament die nötigen Stimmen bei der Vertrauensfrage. Im Juli soll seine Regierung aber strukturell umgebaut werden.

Natalie Steger in Warschau.
Natalie Steger in Warschau: Was bedeutet die gewonnene Vertrauensfrage nun für die weitere Regierungsarbeit in Polen?11.06.2025 | 1:06 min
Die Vertrauensfrage ist geglückt: Polens Premier Donald Tusk bekam bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage für seine Regierung die erforderliche Mehrheit im Parlament zusammen. Er bekam 243 Ja-Stimmen, dagegen waren 210 Abgeordnete. Es gab keine Enthaltungen. Tusk sagte nach der Abstimmung zu Journalisten:

Ich habe dieses Votum aus naheliegenden Gründen gebraucht: Es gab Spekulationen, ob die Regierung hält und unter solchen Umständen arbeitet es sich schlecht.

Donald Tusk, Regierungschef Polens

Es galt, diese Spekulationen zu beenden, erklärte er: "Wir müssen viel mehr tun, um die Sympathien der Wähler zurückzugewinnen.
Tusk hatte die Vertrauensfrage nach der Niederlage seines Parteikollegen Rafal Trzaskowski bei der Präsidentenschaftswahl gegen den nationalkonservativen Karol Nawrocki selbst beantragt. Er führt seit Ende 2023 eine Dreierkoalition mit einem Mix aus konservativen, wirtschaftsliberalen, grünen und linken Kräften an.
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Mit Karol Nawrocki hat Polen einen rechtsnationalen Historiker zum neuen Präsidenten gewählt. Er dürfte den pro-europäischen Kurs der Regierung Tusk nun verstärkt blockieren.02.06.2025 | 2:40 min

Tusk will im Juli Kabinett umbilden

Vor der Vertrauensabstimmung im Parlament hat Tusk am Mittwochmorgen zusätzliche Schwierigkeiten für seine Koalition eingeräumt. "Wir können unsere Augen nicht vor der Realität verschließen. Diese Herausforderungen sind größer, als wir nach den Präsidentschaftswahlen erwartet haben", sagte er. "Ich bitte um ein Vertrauensvotum mit der vollen Überzeugung, dass wir ein Mandat zum Regieren haben, um die volle Verantwortung für das zu übernehmen, was in Polen passiert."
Er kündigte bei seiner Rede für Juli einen Umbau seiner Regierung und "neue Gesichter" an: "Ich spreche hier nicht über einen Austausch von Namen, sondern vor allem über einen Wechsel der Regierungsstruktur."

Tusk kündigt Teil-Kontrollen an deutsch-polnischer Grenze an

Tusk wolle dann mit seiner Regierung unter anderem zu Projekten zurückkehren, die "ein echtes Justizwesen" wiederaufbauen sollen. Er verwies in seiner Rede auf Polens florierende Wirtschaft, den Ausbau des Sozialstaats und die außenpolitischen Verdienste seiner Regierung: "Polen ist in die Extraklasse der Weltpolitik zurückgekehrt." Für die anschließende Aussprache im Parlament hat eine Rekordzahl von 267 Abgeordnete Fragen angemeldet. Die meisten Abgeordneten der rechtskonservativen PiS boykottierten Tusks Rede und blieben der Ansprache fern und nahmen erst im Plenarsatz Platz, als Tusk nach der Aussprache Rede und Antwort stand. Dort kündigte der Premier unter anderem teilweise Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze im Sommer an.
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Präsident kann Regierung durch Veto-Recht ausbremsen

Tusk gab sich mit Blick auf die verlorene Präsidentschaftswahl Trzaskowski unbeirrbar. "Ich kenne die Bitterkeit einer Niederlage, aber ich kenne das Wort Kapitulation nicht", sagte er und kritisierte den Boykott seiner Rede durch rechte Abgeordnete, die seiner Ansprache fernblieben.
Das politische Tagesgeschäft führt in Polen zwar der vom Parlament gewählte Regierungschef. Doch der Präsident hat unter anderem Befugnisse in der Außenpolitik und ein Vetorecht. Mit dessen Hilfe kann Nawrocki es Tusk sehr schwer machen, dessen proeuropäische Politik durchzusetzen. Tusks Mitte-Links-Bündnis verfügt im Parlament nicht über genügend Stimmen, um ein Veto des Präsidenten gegen Gesetzesvorhaben zu überstimmen.
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Premierminister Tusk hat es schwer, seine Gesetzesvorhaben durchzubringen. Das liegt auch daran, dass der Präsident von Amts wegen mehrere Möglichkeiten hat, Gesetze zu blockieren.02.06.2025 | 1:57 min
Der Sieg Nawrockis bedeutet, dass Tusks Regierung bei ihren zentralen Reformvorhaben, etwa der Liberalisierung des Abtreibungsrechts und der Entpolitisierung der Justiz, nicht vorankommen wird. "Uns erwarten zweieinhalb Jahre schwerer, ernster Arbeit unter Bedingungen, die nicht besser werden", sagte Tusk. In Polen kann der Präsident neue Gesetze per Veto blockieren. Nawrocki hat bereits angekündigt, nach seinem Amtsantritt am 6. August könne sich Tusk auf "starken Widerstand aus dem Präsidentenpalast" gefasst machen.
Quelle: AP, dpa, ZDF
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