Werk schließt nach 70 Jahren:Bosch-Aus: Wie sich Waiblingen um die Zukunft sorgt
Nach 70 Jahren endet die Bosch-Produktion in Waiblingen. Was bedeutet das Aus für eine Stadt und eine Region, in der die Menschen so eng mit einem Unternehmen verbunden sind?
Bis Ende 2028 soll das Bosch-Werk in Waiblingen geschlossen werden. Rund 560 Jobs fallen weg. Das hat Konsequenzen für die Region, Bürger fürchten um die Identität ihres Ortes.
11.10.2025 | 4:20 minSchichtwechsel am Bosch-Werk in Waiblingen. Doch bald schon wird wohl niemand mehr rein oder rausgehen durchs Werkstor hier. Dann wird es still sein in den Hallen.
Anfang Oktober ist die Entscheidung gefallen bei Bosch: Bis 2028 will der Technologiekonzern seine Automobilsparte in Waiblingen schließen. 560 Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz.
"Wir saßen da und wussten nicht, was wir sagen sollen", erinnert sich Okun Kara, der seit über zehn Jahren in der Fertigung arbeitet. "Alle saßen da, schockiert, wie angewurzelt." Neben ihm nickt Kollege Andreas Schiller und murmelt leise: "Es ist einfach sehr enttäuschend."
Sieben Jahrzehnte Bosch - und nun das Ende
Bei Embiye Erk löste die Nachricht schlaflose Nächte aus. Seit 34 Jahren arbeitet die 54-Jährige bei Bosch, zuletzt als Prüferin. Ihr Vater kam 1967 als - wie es damals hieß - Gastarbeiter aus der Türkei und fand Anstellung bei Bosch - wie viele andere, die damals dringend gebraucht wurden, als die Auftragsbücher noch überquollen.
Lange stand Bosch in Waiblingen für Sicherheit und Stabilität. Der weltweit größte Automobilzulieferer zahlte satt überdurchschnittliche Gehälter. Wer hier einen Job bekam, konnte sich glücklich schätzen - und bleiben, ein Berufsleben lang.
Die Krise der Wirtschaft zeigt sich auch am Bosch-Standort in Bühl, Baden-Württemberg. Viele fürchten um ihren Job, denn der Konzern will dort 1.500 Arbeitsplätze streichen.
05.10.2025 | 3:56 minDoch das ist vorbei, weiß auch Embiye Erk, alleinerziehend und Mutter von drei Kindern.
Ich denke die ganze Zeit darüber nach, wie man jetzt durchkommt. Wo soll ich noch arbeiten?
Embiye Erk, Mitarbeiterin Bosch Waiblingen
Die Autosparte in Waiblingen schrumpft seit Jahren. Zuletzt fertigte das Werk nur noch wenige Produkte: Verbindungsteile für Verbrenner wie für E-Autos. Doch die Produktion in Asien ist günstiger - künftig soll sie ausschließlich dort laufen.
Bosch-Vorstand Jan-Oliver Röhrl sagt, man habe für den Standort Waiblingen "immer wieder Alternativen geprüft". Doch am Ende seien "die Herstellkosten größer als die am Markt erzielbaren Preise".
Die Bundesregierung wollte die Wirtschaft ankurbeln - doch die Realität sieht anders aus. Besonders in der Autobranche schrumpfen die Arbeitsplätze, fast sieben Prozent gingen binnen eines Jahres verloren. Saadet Czapski fasst die Lage zusammen.
26.08.2025 | 1:31 min"Fehler auf der Manager-Ebene"
Der Betriebsrat sieht das anders. Er wirft dem Konzern vor, Investitionen falsch gesteuert zu haben: Millionen nach Asien, aber den Standort in Waiblingen Schritt für Schritt ausgetrocknet. In ihrem Büro hängen Protestflyer an den Wänden, Krisensitzung.
Umgeben von seinen Mitstreitern ringt Luigi Bigotto am Tisch um Fassung. "Es gab einige Fehler auf der Manager-Ebene", sagt er.
Man hat sich für Produkte entschieden, die nicht gezündet haben.
Luigi Bigotto, Betriebsrat Bosch Waiblingen
Seine Kollegin Denise Esslinger ergänzt: "Wir brauchen jetzt Zusammenhalt - mit dem Gesamtbetriebsrat, mit anderen Standorten. Wir werden kämpfen, um jeden Arbeitsplatz."
Der chinesische Elektroautohersteller BYD ist der weltweite erfolgreichste. Nun möchte er auch den europäischen Markt mit Niedrigpreisen aufmischen.
21.05.2025 | 1:39 minAuch Waiblingens Oberbürgermeister Sebastian Wolf (CDU) will nicht tatenlos zusehen. "Selbst Menschen, die gar nicht direkt betroffen sind, machen sich Sorgen", sagt er.
Wie geht es in unserer Stadt weiter? Etwa 50.000 Menschen leben hier. Fällt das Werk weg, löst das Unsicherheit aus - in wirtschaftlich ohnehin angespannten Zeiten. Weniger Gewerbesteuer, weniger Kaufkraft.
Sebastian Wolf, CDU Oberbürgermeister Waiblingen
Wegen der schwächelnden Autoindustrie wechseln Beschäftigte in die boomende Rüstungsbranche - für junge Menschen eine Herausforderung.
29.08.2025 | 1:37 min"Wir werden ein Riesenproblem kriegen"
Ideen der Politik, die Branche wieder zu stärken - wie zuletzt beim Autogipfel unter Friedrich Merz - hört der Betriebsrat in Waiblingen aufmerksam an. Kann die Stärkung der E-Mobilität und ein mögliches Aufweichen des Verbrenner-Stopps ihr Werk noch retten?
Ich denke, dass auch das schnelle Ende des Verbrenners einen großen Anteil hat. Die Politik hat vielleicht zu schnell komplett den Riegel runtergelassen. Vielleicht kommt jetzt langsam ein Aufwachen.
Luigi Bigotto, Betriebsrat Bosch Waiblingen
Die Politik, so Bigotto weiter, müsse die Menschen hier in Deutschland unterstützen - sonst werde man ein Riesenproblem kriegen in den nächsten drei, vier, fünf Jahren.
So lange will der Betriebsrat in Waiblingen weiterkämpfen. Damit ihr Werk vielleicht doch noch über 2028 bestehen bleibt.
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