Siemens: Wie sich die Firma im digitalen Zeitalter neu erfindet
Traditionskonzern aus München:Wie sich Siemens neu erfindet
von Peter Aumeier
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Mit 178 Jahren ist Siemens eines der ältesten, größten, aber auch modernsten deutschen Industrieunternehmen. Wie der Konzern das im digitalen Zeitalter mit Eisenbahnen schafft.
Mit "Vector Lokomotiven" und Co: Siemens hat sich im Laufe der Jahre immer wieder an neue digitale Entwicklungen angepasst.
Quelle: Siemens Media Library
500 neue Industriearbeitsplätze in Deutschland - das allein wäre eine Schlagzeile wert. Dazu noch in einem Bereich, der fast so alt ist, wie Siemens selbst: dem Bau elektrischer Eisenbahnen. Mit Politprominenz und offiziellem Programm feiert Siemens die Eröffnung des modernen Eisenbahnwerks im unscheinbaren Münchner Stadtteil Allach. 250 Millionen Euro wurden investiert und der Konzern versteht das als ein Bekenntnis zum Standort Deutschland. CEO Roland Busch sagt:
Wir glauben an den Standort Deutschland.
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Roland Busch, Siemens-CEO
Künftig sollen hier Loks gebaut werden, die mitdenken und mitwachsen. Die sogenannten Vector Lokomotiven sind wie ein Baukasten für die Zukunft der Bahn: Sie lassen sich an verschiedene Länder und Einsatzbereiche anpassen. Dabei sind sie besonders wartungsfreundlich, verfügen über modernste Technik und werden künftig von der Ferne aus gewartet. "Einen 9.000-PS-KI-Computer" nennt Michael Peters, Chef von Siemens Mobility, stolz die Lokomotiven.
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Siemens: Alter Weg mit neuen Möglichkeiten
Das alte Siemens: Das ist der Bau dieser Loks. Noch immer wird geschweißt, wenn auch von Robotern und viel schneller als noch vor wenigen Jahren. Das neue Siemens: Das ist die Digitalplattform Railigent X, eine Plattform, auf der Lokomotiven ein digitales Abbild erhalten und aus der Ferne überwacht werden können.
Das Prinzip gilt auch für andere Bereiche. Noch immer baut der Konzern Schaltanlagen und Automatisierungstechnik; aber er bietet mit dem sogenannten Xcelerator ein industrielles Metaverse. So bekommen nicht nur ganze Fabriken darin einen digitalen Zwilling, der in Echtzeit und von überall aus überwachen kann. Technische Probleme werden somit früher erkannt und können behoben werden, bevor sie überhaupt auftreten.
Konzern will "digitale Welt mit der realen Welt" verbinden
Längst ist der Konzern nach eigenen Angaben der weltweit größte Hersteller von industrieller Software. Als Siemens Chef Roland Busch vor über vier Jahren sein Amt antrat, sagte er einen denkwürdigen Satz: "Mit unseren Technologien, mit unserer Automatisierung, mit unserer Hardware und Software verbinden wir die digitale Welt mit der realen Welt." Einen Satz, den er seither in so gut wieder jeder Rede wiederholt, der aber genau das beschreibt, was Siemens heute tut.
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Der Erfolg von heute hat Vorgeschichte: Unter Joe Kaeser schrumpfte der Konzern, Sparten wurden verkauft oder zu eigenständigen DAX-Unternehmen geformt, wie Siemens Energy oder der Medizinspartenhersteller Siemens Healthineers.
Roland Buschs Aufgabe als Chef war es nun, den Konzern neu auszurichten. Im März dieses Jahres kaufte er für rund zehn Milliarden US-Dollar die Simulations- und Analyse-Software-Firma Altair Engineering. Eine der größten Übernahmen in der Firmengeschichte von Siemens. Busch nennt die neue Strategie "One Tech Company" - Siemens also ein Tech-Unternehmen, ein Softwareunternehmen.
Langer Weg bis zur digitalen Industrie
Der Weg war lang: Ob Eisenbahnen im 19. Jahrhundert, Kraftwerkstechnik im 20. Jahrhundert oder heute digitale Industrie, smarte Infrastruktur - Siemens hat sich stets an den technologischen Wandel angepasst. Seine Haushaltsgeräte-Sparte verkaufte Siemens vor zehn Jahren, seine Telefonsparte bereits vor 20 Jahren.
Dabei habe sich Siemens immer wieder neu erfunden und ausgerichtet, urteilt Wirtschaftsprofessor, Strategieprofi und Buchautor Thomas Hutzschenreuter von der TU München: "Das ist absolut der richtige Weg."
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Wirtschaftsexperte: Siemens auf "absolut" richtigem Weg
Wichtig dabei sei heute das Prinzip der "Servitization": Ein Unternehmen verkaufe nicht mehr nur Maschinen oder Anlagen, sondern biete zusätzliche Dienstleistungen an, wie Wartung, Fernüberwachung, Optimierung. Statt nur eine Lokomotive bietet Siemens Lokomotiven mit Full-Service-Verträgen an - inklusive Wartung, Software-Updates und Ferndiagnose, unterstützt von KI. So wird aus dem Produkt ein dauerhaftes Servicepaket.
Siemens baut einmal eine KI und kann diese dann x-mal nutzen, ohne, dass weitere Kosten entstehen.
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Thomas Hutzschenreuter, TU München
"Skalieren, also Hochfahren, ohne Mehrkosten, das steigert die Renditen", erklärt Thomas Hutzschenreuter weiter.
Wie erfolgreich Siemens mit seiner Strategie ist, zeigt der internationale Vergleich: Aktuell gehört das Unternehmen zu den 100 weltgrößten Unternehmen - laut Forbes auf Platz 62, laut PricewaterhouseCoopers (PwC) auf Platz 74. Dabei konnte sich Siemens zum Vorjahr im Ranking sogar noch verbessern.
Peter Aumeier ist Wirtschaftsredakteur im ZDF-Landesstudio München.