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Wahlwerbung mit Steuergeldern?:Bundestag prüft fragwürdige AfD-Plakatkampagne
von N. Niedermeier und U. Stoll
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Mit Geld aus der Staatskasse wirbt die AfD-Bundestagsfraktion vor der Bundestagswahl auf Großplakaten für ihre Politik. Der Bundestag prüft jetzt die Rechtmäßigkeit der Kampagne.
Protestierende in Hessen vor einem Plakat der AfD-Bundestagsfraktion im Januar 2025 - der Ältestenrat des Bundestags will nun die AfD-Kampagne prüfen.
Quelle: hessencam
Der Ältestenrat des Bundestags will in dieser Woche überprüfen, ob eine Plakataktion der AfD gesetzeskonform ist. Die Bundestagsfraktion der AfD hat bundesweit in den letzten Wochen mit hunderten Großplakaten auf sich auf aufmerksam gemacht. Das ist umstritten, weil das Geld dafür nicht von der Partei, sondern von der Bundestagsfraktion kam und damit von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Das zeigen Recherchen von ZDF frontal.
"Grenzen schützen, Zurückweisungen jetzt" oder "Energiepreise senken, Deindustrialisierung stoppen" heißt es unter anderem auf den Plakaten, die zur Jahreswende 2024/25 in ganz Deutschland platziert wurden.
Großplakate wohl im Wert von rund 300.000 Euro
ZDF frontal und das Medienhaus Correctiv konnten allein für den Januar 2025 über 650 bundesweit geklebte AfD-Großplakate identifizieren, die mit Fraktionsgeldern und damit letztlich aus der Steuerkasse finanziert wurden. Diese Großplakate kosten nach Einschätzung von Insidern aus der Werbebranche mehr als 300.000 Euro. Allein im Januar 2025 hätte die AfD-Bundestagsfraktion demnach für die Plakate schätzungsweise rund ein Viertel ihres üblichen Jahresbudgets für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben.
Eines dieser Plakate wurde im hessischen Brandoberndorf aufgehängt. Dagegen protestierten Anwohner am 11. Januar. "Abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben", steht in großen Lettern auf dem Plakat der AfD-Bundestagsfraktion. "So ein menschenverachtendes Wahlplakat hat hier in unserer Gemeinde nichts zu suchen", sagt Doris Sinning vom Verein "FrauZeit".
Eine interne Mail der AfD-Bundestagsfraktion zeigt, wie die Plakatkampagne geplant wurde. In der Mail vom 29. Oktober 2024 bietet der Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit den Landesgruppen sieben Plakatmotive an. "Die Landesgruppen haben im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit die Möglichkeit, Großplakate vor Ort oder Zeitungsanzeigen in regionalen Medien zu buchen", heißt es dort. Und weiter. "Die Abrechnung der Kosten erfolgt aus den Landesgruppenbudgets." Landesgruppen, das sind Untergruppen der Bundestagsfraktion.
AfD-Spitzenvertreter reisten zu "Bürgerdialogen"
Die Fraktionsmittel wurden offenbar für eine weitere Form der Öffentlichkeitsarbeit neben Plakaten ausgegeben: So reisten AfD-Spitzenvertreter - darunter Parteichef Tino Chrupalla - zu sogenannten "Bürgerdialogen" im Januar in mehreren Bundesländern. In Online-Anzeigen der Partei wurden auch diese Werbemaßnahmen mit Fraktionskennzeichnung beworben.
Die AfD-Bundestagsfraktion erklärt auf Nachfrage: "Plakataktionen und Bürgerdialoge sind nach dem Abgeordnetengesetz zulässig, wenn die Fraktion diese nutzt, um die Öffentlichkeit über parlamentarische Vorgänge sowie ihre Initiativen und Konzepte zu unterrichten, beziehungsweise wenn sie mit den Bürgern in einen Dialog über parlamentarisch-politische Fragen tritt. Dies trifft auf die Plakatkampagnen und Bürgerdialoge der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag zu."
Bundesrechnungshof: Unzulässige Öffentlichkeitsarbeit kann Wahlergebnisse beeinflussen
Bereits für den letzten Bundestagswahlkampf hatte der Bundesrechnungshof kritisiert, dass Bundestagsfraktionen ihre staatlichen Gelder für Wahlwerbung auf Social Media verwendet hatten, das verstoße gegen das Abgeordnetengesetz. Das Fazit des Bundesrechnungshofs in einem Bericht vom März 2024:
Nicht auszuschließen ist deshalb, dass sich ihre unzulässige Öffentlichkeitsarbeit in den sozialen Medien auf Wahlergebnisse auswirken kann.
Bundesrechnungshof
In der Folge wurden die Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen durch die Ampel-Koalition verschärft, strenge Regeln gelten jetzt besonders sechs Wochen vor einer Wahl. Seit Dezember ist die neue Form des Abgeordnetengesetzes in Kraft.
Ob die AfD mit dem Aufhängen der Großplakate möglicherweise gegen das neue Gesetz verstoßen hat, will in dieser Woche der Ältestenrat des Bundestages prüfen. Die AfD-Fraktion wurde zur Stellungnahme aufgefordert.
Die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger sieht in der Plakataktion ein Beispiel dafür, dass auch das neue Gesetz nicht ausreiche.
Ich halte die Neuregelung für verfassungsrechtlich sehr zweifelhaft.
Prof. Dr. Sophie Schönberger, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Insbesondere die Sechs-Wochen-Frist vor Wahlen sei viel zu kurz, um ein Eingreifen der Fraktionen in den Wahlkampf zu verhindern, sagt Schönberger ZDF frontal. Die AfD-Plakatkampagne zeige das sehr deutlich. Auch der Bundesrechnungshof kritisiert die Neufassung des Abgeordnetengesetzes als nicht ausreichend, um künftigen Missbrauch der Gelder auszuschließen.
Auch weiterhin sei möglich, dass die Fraktionen "ihre aus dem Bundeshaushalt stammenden Mittel auch für solche werbenden Maßnahmen einzusetzen, die bisher den Parteien vorbehalten waren." Damit seien "erhebliche verfassungsrechtliche Risiken" verbunden.
AfD und FDP-Fraktionen geben am meisten für Öffentlichkeitsarbeit aus
Es fällt auf, dass die AfD-Bundestagsfraktion laut den Rechenschaftsberichten der Jahre 2021 bis 2023 rund sieben Prozent ihrer staatlichen Zuschüsse für Öffentlichkeitsarbeit ausgab. Union, SPD und Grüne verwendeten dafür im Schnitt zwei bis drei Prozent des Budgets. Nur die FDP hatte ähnlich hohe Ausgaben wie die AfD. Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor.
Alle anderen Fraktionen im Bundestag teilten auf Anfrage mit, dass sie lediglich vereinzelt Großplakate zur Bewerbung regionaler Veranstaltungen eingesetzt hätten, nie jedoch eine bundesweite Plakataktion durchgeführt hätten.
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