Gezielte Propaganda-Strategie?:Chinas Einfluss auf die Videospiel-Branche
von Andreas Garbe
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Der Einfluss von autoritären Regimen auf Unterhaltungsmedien wächst. China hat besonders Videogames im Visier und baut seinen Einfluss mit Milliardeninvestitionen aus.
China steckt viel Geld in internationale Studios, die Videospiele entwickeln.
Quelle: epa
Jetzt ist es offiziell: das Rollenspiel "Enshrouded" ist beim Deutschen Computerspielpreis (DCP) als bestes deutsches Spiel ausgezeichnet worden. Entwickelt wurde es vom Frankfurter Studio Keen Games - doch ermöglicht wurde es durch Investitionen aus dem Ausland.
Viel Geld aus China in "Enshrouded"
In "Enshrouded" steckt viel Geld aus China. 2021, als die Entwicklung wohl in die heiße Phase ging, bekam das Studio umgerechnet 8,5 Millionen Euro vom Risikokapitalfonds Hiro Capital und Tencent. Tencent ist ein chinesischer Technologie- und Medienkonzern mit einer Marktkapitalisierung von knapp 500 Milliarden US-Dollar - und mit einem zweifelhaften Ruf.
Konzernzentrale in Shanghai: Das Pentagon sieht bei Tencent zu enge Verflechtungen mit der chinesischen Armee.
Quelle: Imago
Erst vor wenigen Monaten stufte das US-Verteidigungsministerium Tencent als Militärfirma ein und setzte den Namen auf eine schwarze Liste. Grund: zu enge Verflechtungen mit der chinesischen Armee und der Regierung der Volksrepublik.
Die Einschätzung des Pentagon basiert unter anderem darauf: Im Mutterkonzern existiert ein Büro der Kommunistischen Partei mit 6.000 Quadratmetern Fläche und einem sechsstelligen Jahresbudget - Vorschrift für alle größeren privatwirtschaftlichen Unternehmen in dem Land.
NGO: Konzern trug zur Uiguren-Verfolgung bei
Schon vor Jahren gab Tencent Millionen private Unterhaltungen aus dem zum Konzern gehörenden Messengerdienst WeChat den Behörden preis, was zu vielen Verhaftungen im Land führte.
Der Konzern habe damit zur Verfolgung von Uiguren in der Autonomieregion Xinjiang oder der Demokratiebewegung in Hongkong beigetragen, mahnte schon 2019 der US-Thinktank Freedom House. Tencent sei damit auch für die Folter Unschuldiger mitverantwortlich.
Der deutsche Autor und Filmemacher Mario Sixtus warnt schon lange vor dem wachsenden Einfluss der Volksrepublik auf Unterhaltungsmedien, erst vor kurzem in seiner arte-Dokumentation "China vs. Hollywood: Traumfabrik unter Kontrolle".
Tencent ist kein unabhängiges Unternehmen. Solche Großkonzerne sind in China direkt an die Kommunistische Partei angedockt.
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Mario Sixtus, Autor und Filmemacher
arte-Dokumentation: "China vs. Hollywood: Traumfabrik unter Kontrolle"12.03.2025 | 52:03 min
Homosexualität, Zeitreisen, Knochen: Was China zensiert
Die Kommunistische Partei hat sehr konkrete Vorstellungen davon, was in einem Videospiel nicht zu sehen sein darf. Im Chat des beliebten chinesischen Rollenspiels "Genshin Impact" wurden die Begriffe "Taiwan" und "Tibet" zensiert. Auch etliche ausländische Titel wurden für den chinesischen Markt zensiert. So wurde 2004 das Strategiespiel "Hearts of Iron" verboten, weil in dem historischen Setting des Spiels die Insel Taiwan unter japanischer Besatzung stand, was aber den Tatsachen entspricht.
Ist Taiwan der Schauplatz des nächsten blutigen Krieges? Ein Angriff Chinas könnte einen Konflikt der Supermächte auslösen. Wie groß ist die Gefahr einer chinesischen Invasion?28.04.2023 | 43:17 min
Homosexualität darf in China gar nicht oder nur negativ dargestellt werden. Es werden aber auch sehr banale Details zensiert: Zeitreisen sind verpönt und offene Knochen - an Zombies etwa - dürfen nicht gezeigt werden. Tencent setzt alle diese Vorgaben der kommunistischen Staatsführung um. Autor und Filmemacher Mario Sixtus sagt:
Anzunehmen, die Inhalte von Computerspielen aus dem Hause Tencent seien nicht eng mit der der Parteiführung abgesprochen oder sogar von dieser initiiert, ist entweder naiv oder bewusst ignorant.
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Mario Sixtus, Autor und Filmemacher
Sixtus hält bei ausländischen Studios, an denen Tencent einen entsprechend großen Anteil hält, "eine Einflussnahme via Minderheitsbeteiligung für völlig plausibel".
Frankfurter Studio Keen Games weist Einflussnahme zurück
Auf Anfrage ging Tencent nicht auf die konkreten Anschuldigungen ein, versicherte aber:
Wir entwickeln weltweit Spiele mit dem Ziel, den Spielern großartige Erlebnisse zu bieten. Wir nehmen auch unsere Compliance-Verpflichtungen ernst und halten uns an alle lokalen Gesetze in den Märkten, in denen wir tätig sind.
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Tencent-Sprecher
"Die Tatsache, dass wir die kreative Unabhängigkeit unserer globalen Studios respektieren, ist gut dokumentiert." Jede gegenteilige Behauptung sei "schlicht falsch".
Auch das Frankfurter Studio Keen Games beteuerte, mit dem nun ausgezeichneten "Enshrouded" habe man sich keinerlei Vorgaben der kommunistischen Zensoren unterworfen. Co-Gründer Pete Walentin bestätigte, dass Tencent nach der Finanzspritze tatsächlich Anteile in Höhe von 24,9 Prozent an dem Studio hält. Es gebe aber keinerlei Einfluss auf Inhalte oder kreative Prozesse.
Entscheidungen über Inhalte, Story, Symbolik oder Ahnliches werden ausschließlich intern getroffen.
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Pete Walentin, Co-Gründer von Keen Games
Er nehme mögliche Bedenken ernst und begrüße eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema, aber "eine finanzielle Beteiligung allein bedeutet nicht automatisch politische Steuerung oder Einflussnahme. Gerade unabhängige Entwicklerstudios wie wir sind auf externe Finanzierung angewiesen, ohne dabei unsere inhaltliche Integrität aufzugeben", betont Walentin.
"Software Power" - China kauft sich weltweit in Studios ein
Externe Finanzierung wird besonders für deutsche Studios tatsächlich immer wichtiger. Nordamerikanische und europäische Firmen streichen seit einigen Jahren Budgets zusammen, entlassen Tausende Mitarbeitende und wickeln Studios ab.
Wer auf der Suche nach Geldgebern ist, landet also schnell bei der Volksrepublik. Dort sitzt das Geld locker, denn Investments in westliche Videospiele sind politisch gewünscht. Seit ca. zehn Jahren kauft sich China bei Studios in aller Welt ein - auch in Deutschland. An dem Berliner Traditionsunternehmen Yager hält Tencent inzwischen eine Mehrheit.
Sei es KI, Robotik, oder Elektromobilität - in vielen Zukunftstechnologien ist China führend oder hat einen Vorsprung.16.04.2025 | 17:59 min
"Soft Power" nennt sich diese Form von Einfluss und China verfolgt dieses Ziel als Staatsräson, auf direkte Anordnung von Präsident Xi Jinping. Der rief 2018 die "Soft Power"-Strategie aus: "Das Image zu verbessern bedeutet, den Aufbau internationaler Kommunikationsfähigkeiten voranzutreiben, Chinas Geschichten gut zu erzählen, Chinas Stimme gut zu verbreiten (…) und den Einfluss der chinesischen Kultur zu stärken."
Mit Erfolg: Im diesjährigen Global Soft Power Index liegt China weltweit auf Platz zwei. Sein Ruf hat sich innerhalb weniger Jahre deutlich gebessert.
Forderung nach klaren Regeln gegen Staatspropaganda
Diese Strategie hat längst Deutschland und inzwischen auch den Computerspielpreis erreicht. Besonders brisant: Am DCP ist die Bundesregierung beteiligt. Unter der Ampel-Koalition - und somit noch für die aktuelle Preisvergabe - war das grüne Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck zuständig. In Zukunft wird Dorothee Bär (CSU) mit ihrem Technologieministerium die Verantwortung für den DCP tragen. Mario Sixtus fordert von der Politik, klare Regeln gegen Staatspropaganda aufzustellen.
Währenddessen weitet Tencent seinen Einfluss massiv aus. "Assassin’s Creed" (übersetzt: "Das Credo der Assassinen") ist eine beliebte Action-Adventure Serie des französischen Konzerns Ubisoft und der jüngste große Fang für China.
Quelle: MiHoYo Co., Ltd.
Der Medienkonzern Tencent setzt Milliarden mit Kinofilmen um, betreibt mit WeChat auch den größten Messenger-Dienst Chinas und kauft seit Jahren Anteile an Videospielstudios in aller Welt. Allein der Umsatz durch die Spielesparte macht den Konzern zum weltweit größten Entwickler in diesem Bereich, vor Microsoft und Sony. Auf Platz fünf der Liste liegt mit NetEase ein weiterer chinesischer Gigant. Und es entstehen inzwischen auch große Videospiele im eigenen Land. Wie viel China steckt in welchen Games? Ein Überblick.
Immer öfter werden Videospiele von chinesischen Studios entwickelt. Blockbuster aus China sind jedoch noch eine Seltenheit. Drei Beispiele:
Genshin Impact
Black Myth: Wukong
Marvel Rivals
Quelle: Riot Games
Folgende internationale Studios und die damit verbundenen Spiele gehören komplett oder mehrheitlich zu Tencent:
League of Legends / Valorant - das US-Studio Riot Games, seit 2015
The Cycle - das Berliner Traditionsstudio Yager, seit 2021
Dying Light 2 - das polnische Studio Techland, seit 2023
Conan Exiles - der norwegische Entwickler und Publisher Funcom, seit 2020
Vampire: The Masquerade – Bloodhunt - das schwedische Studio Shark Mob, seit 2019
Path of Exile - das neuseeländische Studio Grinding Gear Games, seit 2018
Call of Duty Mobile / Sackboy: A Big Adventure - die britische Firma Sumo Digital, seit 2021
Brink / Gears Tactics - das britische Spielestudio Splash Damage, seit 2020
Clash of Clans / Brawl Stars - das finnische Studio Supercell, seit 2016
Warframe - Tencent hat den Mutterkonzern des Studios Digital Extremes 2020 komplett übernommen. Dieser Konzern besaß bereits eine 20-prozentige Beteiligung an dem texanischen Studio Certain Affinity, das an verschiedenen Halo- und "Call of Duty"-Titeln mitgearbeitet hat.
King’s Bounty - 2021 übernahm Tencent eine Mehrheit an dem russischen Entwickler 1C Entertainment, der seitdem nicht mehr unter dem alten Namen firmiert.
Detroit: Become Human / Star Wars Eclipse - Der Tencent-Konkurrenz NetEase hat den französischen Entwickler und Publisher Quantic Dream 2022 komplett übernommen.
Quelle: Epic Games
An diesen internationalen Studios und den damit verbundenen Spielen hält Tencent eine große Minderheitsbeteiligung:
Fortnite / Spieleplattform Unreal Engine - Tencent hält nach unterschiedlichen Angaben entweder rund ein Drittel oder knapp die Hälfte an dem Fortnite-Hersteller Epic Games und durfte damit sogar Vorstandsposten besetzen. Zu Epic gehört auch der Epic Store und die Unreal Engine. Unreal ist eine marktbeherrschende Technologie, die in etlichen Blockbustern, aber auch in immer mehr Indie-Videospielen steckt.
Baldur’s Gate 3 - Tencent besitzt einen Anteil von 30 Prozent an dem belgischen Entwickler Larian Studios.
Enshrouded - Knapp ein Viertel des Frankfurter Studio Keen Games gehört Tencent über eine Tochterfirma.
Assassin’s Creed / Far Cry / Tom Clancy’s Rainbow Six - 1,16 Milliarden Euro hat Tencent in eine Ausgründung des französischen Publishers Ubisoft gesteckt, der nun diese drei Erfolgsserien gehören. Tencent ist mit 25 Prozent beteiligt.
Life is Strange - An dem französischen Entwickler und Publisher Don’t Nod Entertainment hält Tencent durch eine Tochterfirma seit 2023 Anteile in Höhe von 22 Prozent. Immerhin: Das aktuellste Spiel "Lost Records: Bloom & Rage" thematisiert Homosexualität und Frauenrechte, seit jeher ein thematischer Schwerpunkt des Studios.
Elden Ring / Dark Souls - Über eine Tochterfirma hält Tencent 16,5 Prozent an dem japanischen Entwickler From Software.
An diesen internationalen Studios und den damit verbundenen Spielen hält Tencent einen kleineren Anteil:
Overwatch / World of Warcraft - Tencent hält fünf Prozent an Activision Blizzard, die inzwischen mehrheitlich dem US-Giganten Microsoft gehören.
Crusader Kings 3 / Stellaris - Tencent hält seit 2016 fünf Prozent an dem schwedischen Studio Paradox Interactive.
Elite - Tencent gehören seit 2017 neun Prozent des britischen Studios Frontier Developments.
Alan Wake 2 / Control 2 - Tencent besitzt einen 14-prozentigen Anteil am finnischen Studio Remedy Entertainment.
Bayonetta 3 / NieR: Automata - 2020 hat Tencent in den japanischen Entwickler PlatinumGames investiert. Die Summe und mögliche Anteile blieben unbekannt.
PlayerUnknown’s Battlegrounds (PUBG) - Tencent hält über eine Tochterfirma Anteile in Höhe von 13,73 Prozent an dem Mutterkonzern und ist gleichzeitig Publisher für die Smartphone-Variante des Spiels.
Autor: Andreas Garbe
Anmerkung: Der Autor war Teil der Fach- und Hauptjury beim aktuellen DCP. Aufgrund von üblichen Vereinbarungen werden hier keine Interna aus den Jurysitzungen genannt.