Chinas Einfluss auf die Videospiel-Branche

Gezielte Propaganda-Strategie?:Chinas Einfluss auf die Videospiel-Branche

von Andreas Garbe
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Der Einfluss von autoritären Regimen auf Unterhaltungsmedien wächst. China hat besonders Videogames im Visier und baut seinen Einfluss mit Milliardeninvestitionen aus.

Gamer bei der Gamescom LAN 2024 in Köln beim Spielen.
China steckt viel Geld in internationale Studios, die Videospiele entwickeln.
Quelle: epa

Jetzt ist es offiziell: das Rollenspiel "Enshrouded" ist beim Deutschen Computerspielpreis (DCP) als bestes deutsches Spiel ausgezeichnet worden. Entwickelt wurde es vom Frankfurter Studio Keen Games - doch ermöglicht wurde es durch Investitionen aus dem Ausland.

Viel Geld aus China in "Enshrouded"

In "Enshrouded" steckt viel Geld aus China. 2021, als die Entwicklung wohl in die heiße Phase ging, bekam das Studio umgerechnet 8,5 Millionen Euro vom Risikokapitalfonds Hiro Capital und Tencent. Tencent ist ein chinesischer Technologie- und Medienkonzern mit einer Marktkapitalisierung von knapp 500 Milliarden US-Dollar - und mit einem zweifelhaften Ruf.
Tencent
Konzernzentrale in Shanghai: Das Pentagon sieht bei Tencent zu enge Verflechtungen mit der chinesischen Armee.
Quelle: Imago

Erst vor wenigen Monaten stufte das US-Verteidigungsministerium Tencent als Militärfirma ein und setzte den Namen auf eine schwarze Liste. Grund: zu enge Verflechtungen mit der chinesischen Armee und der Regierung der Volksrepublik.
Die Einschätzung des Pentagon basiert unter anderem darauf: Im Mutterkonzern existiert ein Büro der Kommunistischen Partei mit 6.000 Quadratmetern Fläche und einem sechsstelligen Jahresbudget - Vorschrift für alle größeren privatwirtschaftlichen Unternehmen in dem Land.

NGO: Konzern trug zur Uiguren-Verfolgung bei

Schon vor Jahren gab Tencent Millionen private Unterhaltungen aus dem zum Konzern gehörenden Messengerdienst WeChat den Behörden preis, was zu vielen Verhaftungen im Land führte.
Der Konzern habe damit zur Verfolgung von Uiguren in der Autonomieregion Xinjiang oder der Demokratiebewegung in Hongkong beigetragen, mahnte schon 2019 der US-Thinktank Freedom House. Tencent sei damit auch für die Folter Unschuldiger mitverantwortlich.
Der deutsche Autor und Filmemacher Mario Sixtus warnt schon lange vor dem wachsenden Einfluss der Volksrepublik auf Unterhaltungsmedien, erst vor kurzem in seiner arte-Dokumentation "China vs. Hollywood: Traumfabrik unter Kontrolle".

Tencent ist kein unabhängiges Unternehmen. Solche Großkonzerne sind in China direkt an die Kommunistische Partei angedockt.

Mario Sixtus, Autor und Filmemacher

China vs. Hollywood: Traumfabrik unter Kontrolle
arte-Dokumentation: "China vs. Hollywood: Traumfabrik unter Kontrolle"12.03.2025 | 52:03 min

Homosexualität, Zeitreisen, Knochen: Was China zensiert

Die Kommunistische Partei hat sehr konkrete Vorstellungen davon, was in einem Videospiel nicht zu sehen sein darf. Im Chat des beliebten chinesischen Rollenspiels "Genshin Impact" wurden die Begriffe "Taiwan" und "Tibet" zensiert. Auch etliche ausländische Titel wurden für den chinesischen Markt zensiert. So wurde 2004 das Strategiespiel "Hearts of Iron" verboten, weil in dem historischen Setting des Spiels die Insel Taiwan unter japanischer Besatzung stand, was aber den Tatsachen entspricht.
Die Skyline der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh bei Nacht.
Ist Taiwan der Schauplatz des nächsten blutigen Krieges? Ein Angriff Chinas könnte einen Konflikt der Supermächte auslösen. Wie groß ist die Gefahr einer chinesischen Invasion?28.04.2023 | 43:17 min
Homosexualität darf in China gar nicht oder nur negativ dargestellt werden. Es werden aber auch sehr banale Details zensiert: Zeitreisen sind verpönt und offene Knochen - an Zombies etwa - dürfen nicht gezeigt werden. Tencent setzt alle diese Vorgaben der kommunistischen Staatsführung um. Autor und Filmemacher Mario Sixtus sagt:

Anzunehmen, die Inhalte von Computerspielen aus dem Hause Tencent seien nicht eng mit der der Parteiführung abgesprochen oder sogar von dieser initiiert, ist entweder naiv oder bewusst ignorant.

Mario Sixtus, Autor und Filmemacher

Sixtus hält bei ausländischen Studios, an denen Tencent einen entsprechend großen Anteil hält, "eine Einflussnahme via Minderheitsbeteiligung für völlig plausibel".

Frankfurter Studio Keen Games weist Einflussnahme zurück

Auf Anfrage ging Tencent nicht auf die konkreten Anschuldigungen ein, versicherte aber:

Wir entwickeln weltweit Spiele mit dem Ziel, den Spielern großartige Erlebnisse zu bieten. Wir nehmen auch unsere Compliance-Verpflichtungen ernst und halten uns an alle lokalen Gesetze in den Märkten, in denen wir tätig sind.

Tencent-Sprecher

"Die Tatsache, dass wir die kreative Unabhängigkeit unserer globalen Studios respektieren, ist gut dokumentiert." Jede gegenteilige Behauptung sei "schlicht falsch".
Auch das Frankfurter Studio Keen Games beteuerte, mit dem nun ausgezeichneten "Enshrouded" habe man sich keinerlei Vorgaben der kommunistischen Zensoren unterworfen. Co-Gründer Pete Walentin bestätigte, dass Tencent nach der Finanzspritze tatsächlich Anteile in Höhe von 24,9 Prozent an dem Studio hält. Es gebe aber keinerlei Einfluss auf Inhalte oder kreative Prozesse.

Entscheidungen über Inhalte, Story, Symbolik oder Ahnliches werden ausschließlich intern getroffen.

Pete Walentin, Co-Gründer von Keen Games

Er nehme mögliche Bedenken ernst und begrüße eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema, aber "eine finanzielle Beteiligung allein bedeutet nicht automatisch politische Steuerung oder Einflussnahme. Gerade unabhängige Entwicklerstudios wie wir sind auf externe Finanzierung angewiesen, ohne dabei unsere inhaltliche Integrität aufzugeben", betont Walentin.

"Software Power" - China kauft sich weltweit in Studios ein

Externe Finanzierung wird besonders für deutsche Studios tatsächlich immer wichtiger. Nordamerikanische und europäische Firmen streichen seit einigen Jahren Budgets zusammen, entlassen Tausende Mitarbeitende und wickeln Studios ab.
Wer auf der Suche nach Geldgebern ist, landet also schnell bei der Volksrepublik. Dort sitzt das Geld locker, denn Investments in westliche Videospiele sind politisch gewünscht. Seit ca. zehn Jahren kauft sich China bei Studios in aller Welt ein - auch in Deutschland. An dem Berliner Traditionsunternehmen Yager hält Tencent inzwischen eine Mehrheit.
Roboter mit erhobenen Händen vor gelbem a
Sei es KI, Robotik, oder Elektromobilität - in vielen Zukunftstechnologien ist China führend oder hat einen Vorsprung.16.04.2025 | 17:59 min
"Soft Power" nennt sich diese Form von Einfluss und China verfolgt dieses Ziel als Staatsräson, auf direkte Anordnung von Präsident Xi Jinping. Der rief 2018 die "Soft Power"-Strategie aus: "Das Image zu verbessern bedeutet, den Aufbau internationaler Kommunikationsfähigkeiten voranzutreiben, Chinas Geschichten gut zu erzählen, Chinas Stimme gut zu verbreiten (…) und den Einfluss der chinesischen Kultur zu stärken."
Mit Erfolg: Im diesjährigen Global Soft Power Index liegt China weltweit auf Platz zwei. Sein Ruf hat sich innerhalb weniger Jahre deutlich gebessert.

Forderung nach klaren Regeln gegen Staatspropaganda

Diese Strategie hat längst Deutschland und inzwischen auch den Computerspielpreis erreicht. Besonders brisant: Am DCP ist die Bundesregierung beteiligt. Unter der Ampel-Koalition - und somit noch für die aktuelle Preisvergabe - war das grüne Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck zuständig. In Zukunft wird Dorothee Bär (CSU) mit ihrem Technologieministerium die Verantwortung für den DCP tragen. Mario Sixtus fordert von der Politik, klare Regeln gegen Staatspropaganda aufzustellen.
Währenddessen weitet Tencent seinen Einfluss massiv aus. "Assassin’s Creed" (übersetzt: "Das Credo der Assassinen") ist eine beliebte Action-Adventure Serie des französischen Konzerns Ubisoft und der jüngste große Fang für China.





Anmerkung: Der Autor war Teil der Fach- und Hauptjury beim aktuellen DCP. Aufgrund von üblichen Vereinbarungen werden hier keine Interna aus den Jurysitzungen genannt.
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