Taurus-Spionage: Was Deutschland aus dem Leak lernen sollte

Analyse

Russland späht Bundeswehr aus:Was Deutschland aus dem Leak lernen sollte

ZDFheute Update - Peter Kunz
von Peter Kunz
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Russland führt in der Ukraine Krieg mit Panzern und Geschützen. Im digitalen Raum hat es den Angriff längst ausgeweitet. Wie kann sich Deutschland besser schützen?

Nordrhein-Westfalen, Bonn: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).
Russlands Cyberkrieg bedroht auch die deutsche Sicherheit (Symbolfoto).
Quelle: dpa

"From Russia with love". Ein Abhörskandal, von Präsident Wladimir Putin eiskalt serviert. Innenpolitisch soll er in Deutschland den Kanzler wackeln lassen. Und europapolitisch spaltet er. Die Erwähnung von britischen Soldaten im Ukraine-Einsatz - was vorab schon bei Olaf Scholz anklang - im geleakten Internetgespräch der Generäle hat der Sache der westlichen Alliierten einen Bärendienst erwiesen. Der russische Bär freut sich.
Freude sicherlich darüber, dass Deutschland nicht so kühl mit diesem digitalen Granatenangriff umgeht wie die, die den belauschten Meinungsaustausch zielsicher über den russischen Desinformationskanal RT (früher Russia Today) abgeschossen haben.
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Nun haut und sticht sich die deutsche Politik erstmal, statt die Reihen zu schließen und gegenüber Moskau Abwehrbereitschaft zu signalisieren.

Perfekte Abhörsicherheit gibt es nicht

Denn unabhängig davon, ob der von den Bundeswehr-Kommandeuren gewählte Kommunikationsweg durch Nutzung eines Mobiltelefons unsicherer geworden war: Cybersicherheit ist immer eine Frage von Hase und Igel. Wer findet die Lücke, und wer ist schnell genug, Lücken zu schließen? Die perfekte Abhörsicherheit gibt es nicht. Experten formulieren das so: "Alles ist hackbar".
Das gilt selbst für die militärisch übermächtigen Amerikaner. Im Jahr 2014 waren es wohl auch die Russen, die ein Gespräch zwischen dem US-Botschafter in der Ukraine und der für Eurasien zuständigen Diplomatin Victoria Nuland belauschten und leakten.
"Fuck Europe" hatte die Amerikanerin da nachhörbar gesagt und für Verstimmung bei den europäischen Partnern gesorgt. Putin hätte es nicht besser formulieren können, denn das ist ganz simpel seine Strategie.
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Russische Desinformation schon lange vor Ukraine-Krieg

Der Kalte Krieg der Desinformation lief schon lange bevor der Ukraine-Konflikt in die heiße Phase ging. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel beklagte sich bereits 2010 im nichtöffentlichen Gespräch über den Aufwand, den Moskau treibt, um zu hintertreiben.
Abhöraktionen, die gezielt geleakt oder für Erpressung genutzt werden. Internettrolle und Falschinformation, mit der europaweit Protestbewegungen, Graswurzelinitiativen oder politische Bewegungen angefüttert werden. Ein Spaltpilz für Europa und die Demokratie.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Der Taurus-Leak hat gezeigt, dass "Wladimir Putin einen hybriden Krieg auch uns gegenüber führt", so Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.04.03.2024 | 6:11 min
Im Grunde nichts Neues von der östlichen Front. Putin hat seinen Job beim russischen Geheimdienst KGB gelernt und nichts davon vergessen. Vermutlich weiß er auch besser als die Deutschen derzeit, wie man als Angegriffener im hybriden Krieg reagiert: Gelassen und geschlossen bleiben, Feind erkennen, Gegenmaßnahmen einleiten.

Teure Dienste: Spezialisten suchen Lücken in IT-Systemen

Aber wie können Gegenmaßnahmen aussehen, so vernetzt verwundbar, wie die Welt heute funktioniert? Sogar im militärischen Kontext, wie das elektronische Generalstreffen beweist.
Zuallererst wird eine Industrie profitieren, die ihre Dienste staatlichen Stellen anbietet: Die Händler mit sogenannten "Zero Day"-Lücken. Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, Schwachstellen in IT-Systemen aufzuspüren, um die Hinweise darauf - und im besten Fall auch das Schließen der Lücken - für einen hohen Preis zu verkaufen.
Denn Hase und Igel werden den Cyberkrieg weiter dominieren. Auch interne, isolierte Netze sind grundsätzlich angreifbar, und internetgestützte Kommunikation bleibt trotz zusätzlicher Sicherheitssysteme labil. Selbst das Kryptohandy von Angela Merkel einst wurde ja offenbar angezapft, in diesem Fall wohl von den Amerikanern.
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Cyberspionage ist militärischer Alltag

Cyberspionage und -aufklärung sind längst militärischer Alltag geworden. Die größten Ressourcen und das beste Knowhow haben die USA, Russland und China.
Moral ist dabei sicher zweitrangig, auch wenn niemand so unverhohlen und durchschaubar den Infokrieg betreibt wie Russland. Sieger auf diesem Schlachtfeld sind nicht nur die Kontrahenten mit den besten Hackern. Das Überwinden elektronischer Systeme ist vor allen Dingen teuer. Lücken zu finden und sich einzuschleichen, das kostet.

Deutschland muss Gefährdungslage neu beurteilen

Was kann Deutschland also tun, um sich gegen Putin und das Ausspähen zu schützen? Sicherlich muss die Gefährdungslage neu beurteilt werden. Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik hat seine Richtlinien zuletzt schon gestrafft und aktualisiert. Es wäre etwas gewonnen, wenn sich Institutionen, Betriebe und wohl selbst die Bundeswehr besser daran halten würden. Digitale Globalisierung war ein Geschenk, jetzt wird sie zur Gefahr.
Russland hat das schon lange begriffen und bei seiner Umstellung auf Kriegswirtschaft entsprechend gehandelt. Spätestens seit dem Überfall auf die Ukraine koppelt das Land sich mehr und mehr vom Welt-Internet ab und zwingt auch ausländische Anbieter auf russische Server. Gleichzeitig, nicht nur wegen Lieferkettenproblemen durch Sanktionen, kurbelt Moskau die Fertigung elektronischer Bauteile oder Notebooks aus heimischer Produktion an.
Hase und Igel brauchen für ihren Wettlauf eigene, kontrolliert gefertigte Ausrüstung, in die niemand in China, St. Petersburg oder selbst Ohio eine Hintertür eingebaut hat. Deutschland tut auch deshalb vielleicht gar nicht schlecht daran, sich mit Milliardenhilfe Chiphersteller ins Land zu holen. Jeden Baustein nehmen, den man bekommen kann, um im Cyberkrieg seine eigene digitale Burg zu bauen.

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