Deutsch-britische Freundschaft bekommt nach Brexit neuen Vertrag
Deutschland und Großbritannien:Die Freundschaft bekommt einen Vertrag
von Diana Zimmermann, London
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Fünf Jahre ist es her, dass Großbritannien die Europäische Union verlassen hat. Nun soll ein Vertrag zwischen Berlin und London die Trennung wenigstens teilweise rückabwickeln.
Deutschland und Großbritannien schließen ein Freundschaftsabkommen für engere Zusammenarbeit bei Verteidigung, Handel und Migration. Merz spricht von einem "historischen Tag".17.07.2025 | 1:30 min
Er kommt wie gerufen. Zwar war der deutsch-britische Freundschaftsvertrag von der Ampel-Regierung vorbereitet, aber er passt hervorragend zu Friedrich Merz' Bemühen, die Zusammenarbeit innerhalb Europas zu stärken.
Der Kanzler verbindet die Unterzeichnung des Vertrags im Victoria & Albert Museum, das die Namen des bekanntesten englisch-deutschen Königspaars trägt, mit seinem Antrittsbesuch in Großbritannien.
"Der Grund ist, dass wir ihn im 'Victoria and Albert Museum' im Londoner Stadtteil Kensington geschlossen haben", sagte Merz am Donnerstag bei einer Pressekonferenz bei Airbus in Stevenage nördlich von London.
Der Ort der Unterzeichnung sei "mit Bedacht gewählt" worden und beziehe sich auf die Ehe von Queen Victoria mit dem aus Deutschland stammenden Prinz Albert, die "lebenslang und glücklich" gewesen sei. Das sei "ein gutes Omen". Der Vertrag werde "unsere Beziehungen für Jahrzehnte prägen", sagte Merz.
Quelle: dpa
Schon vor dem Brexit zählten vor allem dessen Anhänger darauf, dass die Stärke des Königreichs in Sachen Verteidigung und Sicherheitspolitik dem Land weiterhin einen wichtigen Platz in Europa sichern werde. Das war lange vor dem russischen Angriff auf die Ukraine - und ist heute umso wahrer.
In London wurde ein deutsch-britischer Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Ob sich eine Wiederannäherung der Briten an Europa anbahnt, weiß ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann.17.07.2025 | 1:41 min
Entspannung nach Amtsantritt von Keir Starmer
Es ist eine der wenigen Prophezeiungen des Brexit-Camps, die tatsächlich eingetroffen sind. Leichter wurde dies durch den Abtritt der Konservativen als Regierende in Downing Street. Brüssel sah und strafte sie als diejenigen, die nicht nur das Referendum, sondern den knallharten Brexit zu verantworten hatten.
Kaum war Keir Starmer im Amt, entspannte sich die Achse London-Brüssel, auch wenn die EU weiterhin genau darauf achtet, dass Brexit Brexit bedeutet - wie es einst die frühere britische Premierministerin Theresa May sagte - und der Austritt die Briten weiterhin schmerzt. Vor allem in Handelsfragen. Mit dem Vertrag rücken Großbritannien und Deutschland sich nun wieder so nahe, wie es unter den Bedingungen des Brexit möglich ist.
Es ist eine Annäherung in "kleinen Dosen", mit Fortschritten, meint Andreas Stamm, ZDF-Korrespondent in Brüssel, aber kein entschlossener Schritt zurück Richtung EU-Mitgliedschaft.19.05.2025 | 1:35 min
Verteidigung im Zentrum des Freundschaftsvertrags
Offensiv spielt Keir Starmer seit seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr die Verteidigungskarte, um die Beziehungen zur EU deutlich zu verbessern. Schließlich ist das Königreich, gemeinsam mit Frankreich, das einzige europäische Mitglied im UN-Sicherheitsrat und die einzige europäische Atommacht, wenn auch die drei atomar bestückten U-Boote vor der schottischen Küste ohne US-amerikanische Technik nicht weit kämen und der Nato unterstellt sind.
Und doch ist es der Bundesregierung besonders wichtig, auf die zusätzliche Beistandsverpflichtung hinzuweisen, die im neuen Vertrag enthalten ist: Auch strategische Bedrohungen des ein oder anderen Vertragspartners lösen die Beistandspflicht aus.
Seit dem 2. April braucht jeder EU-Reisende nach Großbritannien eine elektronische Einreisegenehmigung. Touristen, Airlines und Hoteliers schlagen Alarm – der Brexit zeigt neue Folgen.29.03.2025 | 1:58 min
Vertrag mit vielen konkreten Projekten
Vergangene Woche war Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in London und hat einen ähnlichen Vertrag unterschrieben, der ebenfalls die nukleare Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Frankreich stärkt. Das Signal auch des deutsch-britischen Vertrags ist klar, sowohl nach Moskau als auch nach Washington: Europa schließt sich enger zusammen, bündelt Kräfte. Die Verteidigung ist der zentrale Punkt des neuen Vertrags.
Zwar werden insgesamt 17 konkrete Pläne aufgelistet, vom Wiederaufbau der Ukraine, der Zusammenarbeit bei der irregulären Migration, einer gemeinsamen Erschließung von Energieressourcen in der Nordsee bis zu mehr wissenschaftlicher, technologischer, universitärer und kultureller Kooperation - doch zentral sind gemeinsame Pläne in Rüstungsfragen.
In der britischen Presse wird der Vertrag vor allem unter einem Gesichtspunkt wahrgenommen: Wie kooperieren Großbritannien und Deutschland in Sachen illegaler Migration? Manche Dinge sind seit zehn Jahren einfach gleich geblieben.
In London wird Emmanuel Macron als erster europäischer Präsident nach dem Brexit zu einem Staatsbesuch empfangen. Die Länder wollen ihre gemeinsame Sicherheitspolitik vertiefen. 08.07.2025 | 2:53 min
Starmer will Rüstungsexporte ausbauen
Zum Abkommen gehört auch, gemeinsame Rüstungsgüter wie etwa den Eurofighter Typhoon, den Airbus A400 Militärtransporter und gepanzerte Fahrzeuge auch in Länder wie Saudi-Arabien und die Türkei exportieren zu können. Das hatten zuvor die Grünen in der Ampel-Regierung verhindert.
Keir Starmer verspricht sich davon milliardenschwere Exportaufträge. Gemeinsam mit Friedrich Merz besucht er denn auch den Airbus-Standort in Stevenage, wo unter anderem Satelliten für die Kommunikation der britischen und deutschen Streitkräfte entwickelt werden.
Vor fünf Jahren feierte Großbritannien seinen Austritt aus der EU. Heute sind viele Brexit-Befürworter ernüchtert. Der Handel mit der EU bleibt ein großes Problem.31.01.2025 | 1:41 min
Schülerreisen künftig ohne Visa möglich
Aber das neue Vertragswerk bietet auch ganz Praktisches. Zuerst einmal: Schülerreisen. Seit dem Brexit sind deutsche Schulfahrten nach Großbritannien um etwa 75 Prozent eingebrochen. Zu kompliziert. Künftig sollen Schüler und Lehrer wieder ohne Visa einreisen dürfen.
Im Gespräch ist auch, die Studiengebühren, die seit dem Brexit für europäische Studierenden so hoch sind wie für alle anderen Länder - also bis zu 44.000 Euro -, wieder auf britisches Niveau zu senken. Das allerdings würde die britischen Universitäten finanziell teuer zu stehen kommen. Auch die Einreise für Deutsche über e-gates ist geplant, zudem eine direkte Bahnverbindung zwischen Berlin und London.
Diana Zimmermann ist Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin.