Klimawandel als Brandbeschleuniger:Vom See zur Wüste: Das globale Sterben der Salzseen
von Andreas Ewels
Die Welt verliert ihre Salzseen - langsam, aber unaufhaltsam. Die Austrocknung dieser Ökosysteme ist ein globales Phänomen mit Folgen für Umwelt, Klima und Gesundheit.
Ein absurdes und zugleich erschütterndes Bild: gestrandetes Touristenschiff "Arche Noah" nahe der Hafenstadt Sharafkhaneh im Nordosten des Urmiasees
Quelle: Sebastian TransiskusEinst war der Urmiasee im Iran der größte Salzsee Asiens: rund 5.000 Quadratkilometer groß, zehnmal so groß wie der Bodensee. Heute ist davon nur noch eine Salzwüste übrig. Im Sommer versiegte der letzte Tropfen.
Einer, der diese Entwicklung hautnah miterlebt hat, ist der Wissenschaftler Sebastian Transiskus von der Universität Augsburg. Er war Teil eines Forschungsprojekts zu Umweltveränderungen und Migration am Urmiasee, der bereits 1976 zum UNESCO-Biosphärenreservat erklärt wurde.
Seit dem 10. November wird bei der Weltklimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém über Lösungen in der Klimakrise verhandelt. Einzelne Tage sind unterschiedlichen Aspekten gewidmet. Am 10. und 11. November geht es unter anderem um die Folgen für Gewässer und die Wasserversorgung. Die COP soll am 21. November enden.
Gestrandetes Schiff im Urmiasee als Symbol
Besonders eindrücklich war für den Wissenschaftler der Besuch des Hafens von Sharafkhaneh im Nordosten des Sees. Früher ein belebter Urlaubsort, wirkt heute alles verlassen. Ein gestrandetes Touristenschiff liegt etwa einen Kilometer weit draußen im ausgetrockneten Seebett - ein absurdes und zugleich erschütterndes Bild.
Es ist eine Reminiszenz an bessere Zeiten und ein Symbol für eine Landschaft, die ihr Leben verloren hat.
Sebastian Transiskus, Universität Augsburg
Laut einer Studie von Klimaforschern wird es tropische Korallenriffe in der Zukunft wahrscheinlich nicht mehr geben. Grund sind irreparable Schäden durch den Klimawandel.
13.10.2025 | 1:19 minUrmiasee rasant ausgetrocknet
Transiskus erinnert sich an ein Gespräch mit einem ehemaligen Kioskbesitzer, der einst direkt am See seine Waren verkaufte. Während des Gesprächs hielt ein Auto, eine Frau kurbelte das Fenster herunter und fragte: "Ist das hier der Hafen? Wo ist der See?" Der Mann lachte: "Wenn Sie Wasser sehen wollten, hätten Sie vor 20 Jahren kommen müssen." Für Transiskus ist dieser Moment sinnbildlich für die rasante Veränderung.
Mit dem Wasser verschwanden Einkommen, Arbeit und soziale Stabilität. "Die Salzstürme bringen Atemwegserkrankungen und andere Gesundheitsprobleme mit sich."
Der Salzstaub ist überall.
Sebastian Transiskus zu den Veränderungen am Urmiasee
Viele Menschen fühlen sich von der Politik vergessen. Der Klimawandel ist hier kein abstrakter Begriff, sondern körperlich spürbar: in der Hitze, im Staub, im grellen Licht über der Salzfläche. Ausgelöst wurde die Entwicklung durch jahrzehntelange Fehlplanungen und Eingriffe in den Wasserhaushalt. Der Klimawandel war der Brandbeschleuniger.
Salzseen trocknen schneller aus als andere Gewässer, weil sie meist in abflusslosen Becken liegen - Wasser kann nur durch Verdunstung entweichen. Sie befinden sich oft in heißen, trockenen Regionen, bekommen kaum frischen Zufluss und verlieren ständig Flüssigkeit. Wenn dann noch Flüsse umgeleitet oder für die Landwirtschaft oder Industrie angezapft werden, bleibt der Nachschub aus - und das Wasser verschwindet.
Der Klimawandel begünstigt diese Entwicklung. Zurück bleibt eine grellweiße Salzkruste, die das Sonnenlicht noch stärker reflektiert und die Austrocknung weiter beschleunigt. Ein Teufelskreis, der viele dieser faszinierenden Seen weltweit schrumpfen lässt.
Salt Lake in Utah in Not
Auch in den USA zeigt sich ein ähnliches Bild. Dr. Bonnie Baxter, Direktorin des Great Salt Lake Institute in Utah, beobachtet den Rückgang des Sees seit Jahren. "Der Salt Lake ist ein endorheisches Becken - ohne Abfluss. Wasser bleibt, bis es verdunstet. Wenn weniger Wasser zufließt, schrumpft der See." In den letzten 40 Jahren verlor er zwei Drittel seiner Fläche. 2022 wurde ein historischer Tiefstand erreicht.
ZDFheute Infografik
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Die Folgen sind gravierend: Der hohe Salzgehalt gefährdet Nahrungsketten und Mikroorganismen wie Mikrobialite, die für mehr als die Hälfte der Sauerstoffproduktion im See verantwortlich sind.
Wenn sie austrocknen, bricht das ökologische Gleichgewicht zusammen.
Dr. Bonnie Baxter, Great Salt Lake Institute
Noch gibt es Wasser, doch die Zukunft sieht düster aus. Regenmengen und Verdunstung - beides vom Klimawandel beeinflusst - bestimmen den Wasserstand. Hinzu kommt der steigende Wasserverbrauch der wachsenden Städte Utahs. Zwar existieren Lösungsansätze, doch das Problem wird vielerorts ignoriert, auch von der aktuellen Politik in Washington.
Die Algarve ist bekannt für den Mandel-Anbau. Im Februar findet hier das Mandelblütenfestival statt. Doch wegen der anhaltenden Trockenheit wird der Anbau immer schwieriger.
14.02.2024 | 2:00 minIran: Viele Pflanzen-und Tierarten verschwunden
Ein Blick in den Iran könnte die Augen öffnen. Viele Menschen haben die Region um den Urmiasee verlassen. Die Zurückgebliebenen leiden unter Krankheiten, sozialer Isolation - und auch die Natur ist betroffen. Der iranische Wissenschaftler Nosrat Heidari berichtet: "Rund um den Urmiasee gab es einmal über 1.500 Pflanzenarten - viele davon sind inzwischen verschwunden."
Schwanenboote bei Golma Khaneh: Einst für einen Zuverdienst an Touristen vermietet, erinnern sie heute als stille Relikte an das verschwundene Leben am See.
Quelle: Sebastian TransiskusAuch die Grün- und Blaualgen, die früher die Nahrung für den Salinenkrebs bildeten, hätten stark abgenommen. "Der steigende Salzgehalt im schrumpfenden See hat der Population dieser Krebse zusätzlich zugesetzt."
Mit ihrem Rückgang ist die Nahrungskette weitgehend zusammengebrochen. Flamingos und viele andere Vogelarten sind fort.
Nosrat Heidari, Urmia-Universität Iran
Zu viel Wasserverbrauch, zu wenig Schutz
Die Austrocknung von Salzseen ist ein weltweites Phänomen. Die Ursachen ähneln sich: übermäßiger Wasserverbrauch, fehlende Schutzmaßnahmen - und schließlich setzt der Klimawandel den Seen endgültig zu.
Einige, wie der Urmiasee, könnten sich in den kommenden Jahren sogar wieder leicht erholen, wenn sich die Wasserzufuhr erhöht. Eine Verbesserung wäre möglich. "Doch dafür braucht es ein radikales Umdenken in der Landwirtschaft", mahnt Sebastian Transiskus. "Von der Politik und Industrie bis hin zum kleinsten Bauern."
Andreas Ewels ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
Boom mit Schattenseite:Durstige Pistazie macht Farmern zu schaffen
Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
Mehr zum Thema Umwelt
- Interview
PFAS in Lebensmitteln:Die unsichtbare Gefahr auf dem Teller
mit Video Zahlen der WMO:Neue Höchstwerte bei Treibhausgasen
Neuer Bericht zum Zustand der Meere:Diese drei großen Krisen belasten die Ozeane weltweit
von Mark Hugomit VideoÜberbeanspruchung und Artensterben:EU-Bericht: Umwelt in besorgniserregendem Zustand
mit Video