Paracetamol aus Plastik: Bakterien machen Müll zu Medizin

Forschungsprojekt in Edinburgh:Bakterien machen aus Plastikflaschen Schmerzmittel

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Nachhaltig, emissionsfrei und voller Zukunftspotenzial: Forschende in Edinburgh nutzen Bakterien, um aus alten PET-Flaschen Paracetamol zu gewinnen.

Diverse weiße Tabletten auf blauem Hintergrund

Forschende in Edinburgh verwandeln Plastikmüll in Paracetamol. Genetisch veränderte Bakterien machen aus alten PET-Flaschen Schmerzmittel – emissionsfrei und nachhaltig.

22.10.2025 | 4:30 min

Schmerzmittel wie Paracetamol gehören zu den meistverkauften Medikamenten der Welt - und sie alle haben einen fossilen Ursprung. Denn neun von zehn Wirkstoffen werden aus Erdöl hergestellt. Das ist nicht nur eine endliche Ressource, sondern auch klimaschädlich. Forschende in Schottland wollen das ändern - mit einem Verfahren, das Plastikabfall in Arzneimittel verwandelt.

Wie Bakterien Plastik in Schmerzmittel verwandeln

Im Labor von Professor Stephen Wallace an der Universität Edinburgh werden PET-Flaschen nicht recycelt, sondern "gebraut". Genmodifizierte E.-coli-Bakterien verwandeln sie dort in Paracetamol. "Es ist ein bisschen wie Bierbrauen", sagt Wallace.

Nur dass wir statt Alkohol aus Zucker Paracetamol aus Plastik herstellen.

Stephen Wallace, Universität Edinburgh

Was zunächst nach Science-Fiction klingt, funktioniert erstaunlich einfach: Zerkleinerte PET-Flaschen werden zu einer Art "Plastiksuppe" aufbereitet. Bei Raumtemperatur und Tageslicht reagieren die Bakterien damit und erzeugen das bekannte Schmerzmittel - ganz ohne zusätzlichen Energieaufwand. Aus einer Flasche entstehen etwa zwei Tabletten Paracetamol. Damit wäre der Herstellungsprozess emissionsneutral.

Etliche leere, zusammengepresste Plastikflaschen, teilweise als Müllballen zusammengezurrt, liegen auf einer Wiese. Im Hintergrund sind grüne Büsche und Bäume.

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PET enthält ähnliche Grundbausteine wie Paracetamol

Nur rund zehn Prozent des weltweiten Plastikabfalls werden heute recycelt, der Rest wird verbrannt oder landet in der Umwelt. Wallace und sein Team wollen das ändern. "Unsere Technologie zeigt, dass Plastik kein Abfall sein muss", sagt der Biochemiker. "Wir können es in etwas Nützliches verwandeln - in diesem Fall ein Medikament."

Das Besondere: PET enthält chemische Strukturen, die den Grundbausteinen von Paracetamol ähneln. Das macht die Umwandlung vergleichsweise effizient. Möglich wird sie durch die "lebenden Fabriken" - Bakterien, die genetisch so verändert wurden, dass sie gezielt chemische Reaktionen auslösen können.

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Nachhaltige Idee mit Hürden bis zur Marktreife

Auch in der Pharmaindustrie stößt die Idee auf Interesse. "Ich finde den Ansatz unheimlich schön. Er zeigt, dass Müll kein Abfall ist, sondern ein Rohstoff - und dass Wissenschaftler Wege finden, ihn in etwas Nützliches zu verwandeln", sagt Thomas Brückner vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

Doch der Weg bis zur Zulassung ist lang. Medikamente, die auf völlig neuen biotechnologischen Verfahren beruhen, müssen besonders strenge Qualitätsstandards erfüllen. "Man muss genau prüfen, welche Nebenprodukte oder Verunreinigungen bei dieser Biosynthese entstehen könnten", so Brückner. Auch Farbstoffe aus bunten PET-Flaschen müssen vollständig herausgefiltert werden.

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Sollte die Methode eines Tages marktreif werden, könnte sie gleich mehrere Probleme lösen: weniger Plastikmüll, geringere CO2-Emissionen - und eine unabhängigere Medikamentenproduktion in Europa. Denn rund 40 Prozent der in der EU verkauften Arzneimittel kommen derzeit aus China und Indien. Lieferengpässe sind die Folge.

Bis die "Bakterienfabriken" im industriellen Maßstab arbeiten, dürften laut Experten zu Folge aber noch fünf bis zehn Jahre vergehen. Das Ziel bleibt ehrgeizig: aus Abfall etwas Lebenswichtiges machen.

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Quelle: dpa

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Quelle: ZDF

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