Mikroplastik: Gefahr für Umwelt und körperliche Gesundheit
Unsichtbare Bedrohung:Mikroplastik: Kleine Teile, große Gefahr
von Jan Marschke
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Von den Tiefen der Ozeane bis hin zu unseren Atemwegen: Wie Mikroplastik meist unbemerkt in die Umwelt gelangt und dabei zunehmend auch die Gesundheit bedroht.
Die UN verhandelt im August erneut über ein globales Plastikabkommen - in Genf geht es um verbindliche Regeln gegen Plastikflut, Umweltverschmutzung und gesundheitliche Risiken.04.08.2025 | 6:37 min
Auf den ersten Blick wirken unsere Gewässer klar, die Luft sauber und die Lebensmittel unbedenklich. Doch unter dem Mikroskop zeigt sich ein globales Umweltproblem, das durch seine Unsichtbarkeit umso gefährlicher ist: Mikroplastik. Diese winzigen Plastikteilchen, kleiner als fünf Millimeter, haben sich in nahezu jedem Lebensraum der Erde ausgebreitet.
Mikroplastik entsteht entweder gezielt - etwa in Kosmetika oder als industrielles Granulat - oder ungewollt durch den Zerfall größerer Kunststoffteile. Abrieb von Kleidung, Reifen und Verpackungen setzt dabei ständig winzige Partikel frei, die sich weltweit verbreiten.
Mikroplastik tonnenweise in den Ozeanen
In Gewässern und Meeren sammeln sich die Teilchen in großen Mengen. Sie wurden nicht nur an der Wasseroberfläche, sondern auch in der Tiefsee und im Trinkwasser entdeckt. In Kläranlagen wird zwar ein Teil des Mikroplastiks herausgefiltert, dennoch gelangt ein signifikanter Anteil in Flüsse und schließlich ins Meer. Laut einer Schätzung der Weltnaturschutzunion (IUCN) gelangen jedes Jahr zwischen 800.000 und 2,5 Millionen Tonnen Mikroplastik in die Ozeane.
Noch bis zum 14. August 2025 verhandeln in Genf mehr als 160 Länder über einen globalen Vertrag, der die Plastikproduktion, das Design sowie den Umgang mit Müll so regelt, dass Mensch und Umwelt besser geschützt werden. Es ist bereits der zweite Anlauf, nachdem die Delegierten im Dezember im südkoreanischen Busan keine Einigung erzielt hatten. Mehr als hundert Länder, darunter Deutschland, unterstützten damals ein ehrgeiziges Plastikabkommen - sie stießen jedoch bei einer Handvoll überwiegend ölproduzierender Länder, welche die Ausgangsstoffe für Plastik liefern, auf Widerstand.
Weniger bekannt, aber ebenso beunruhigend ist die Belastung der Luft. Fasern aus Kleidung, Teppichen und anderen Alltagsgegenständen reichern sich im Hausstaub an, werden aufgewirbelt und eingeatmet. Wind trägt Mikroplastikpartikel zudem kilometerweit über Land und Wasser - selbst in der Atemluft entfernter Regionen wie den Alpen oder der Antarktis konnten Forscher Kunststoffpartikel nachweisen.
Wir atmen deutlich mehr Mikroplastik ein als bislang angenommen. Bei Erwachsenen gelangen täglich rund 68.000 der winzigen Plastikpartikel in die Atemwege, zeigt eine neue Studie.31.07.2025 | 0:26 min
Fisch und Obst mit Plastik belastet
Doch Mikroplastik gelangt nicht nur in unsere Umwelt, sondern auch direkt in unsere Nahrung. Studien haben gezeigt, dass Fische, Salz, Honig und sogar Obst und Gemüse belastet sein können. Die Partikel gelangen über kontaminiertes Wasser, Luft oder belastete Böden in die Lebensmittelkette. Nach Schätzungen nehmen Menschen dadurch jährlich zehntausende Mikroplastikpartikel über Nahrung und Getränke auf.
Die Auswirkungen auf Tiere und Ökosysteme sind gravierend. Meeresbewohner verwechseln Mikroplastik mit Nahrung. Viele Tiere sterben mit vollen Mägen - aber ohne Nährstoffe. "Im Jahr 2020 wurde eine neue Art von Tiefseekrebsen entdeckt, die den klangvollen Namen Eurythenes Plasticus trägt", erklärt Dr. Ann-Kathrin Vlacil, biomedizinische Wissenschaftlerin am Universitäts-Klinikum Marburg.
"Diese kleine Tiefseekrabbe hatte eine PET-Mikroplastikfaser in sich. So erreichte unser Abfall dieses Krebstier, bevor wir es zum ersten Mal sahen. Dies ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie weit diese Problematik bereits reicht."
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Gefahr für menschliche Gesundheit
Besonders besorgniserregend ist der mögliche Einfluss auf die menschliche Gesundheit. Mikroplastik wurde bereits im Stuhl, Blut und sogar in der Plazenta nachgewiesen. In Laborexperimenten zeigten bestimmte Partikel Entzündungsreaktionen und Zellschäden. Ob Mikroplastik langfristig das Immunsystem oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigt, wird derzeit intensiv erforscht.
Wissenschaftler arbeiten intensiv an Lösungen gegen Mikroplastik - und auch die Politik bleibt nicht untätig. Die EU hat bereits ein schrittweises Verbot erlassen: Seit 2023 ist bewusst zugesetztes Mikroplastik in Kosmetikprodukten verboten. Doch das ist erst der Anfang - bis zur vollständigen Lösung des Problems ist es noch ein weiter Weg.
Ein Satz Reifen verliert im Laufe seines Lebens über vier Kilo an Gewicht. Was nicht viele wissen: Reifenabrieb ist die größte Quelle für Mikroplastik - und eine Gesundheitsgefahr.12.11.2024 | 16:18 min
Biologe: Plastikfluss abstellen
"Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass die beste Lösung darin besteht, unseren Planeten weiterhin in immer größerem Ausmaß zu verschmutzen und dann zu versuchen, wieder aufzuräumen", erklärt der Meeresbiologe Prof. Richard Thompson.
Es ist wirklich klar, dass die Mengen an Plastik, die in die Umwelt gelangen, bei Weitem die Möglichkeiten zum Wiedereinsammeln übersteigen.
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Richard Thompson, University of Plymouth
Absolute Priorität müsse daher sein, den Plastikfluss in die Umwelt abzustellen, so Thompson.
Schwimmtiere, Verpackungen, Zahnbürsten - Plastik ist überall. Praktisch und günstig, aber aus Erdöl. Die Kehrseite: Müllberge, Mikroplastik und ein globales Umweltproblem.04.08.2025 | 1:50 min