Plastikmüll bekämpfen: Mit anderem Design zu mehr Recycling

Plastikmüll in Deutschland:Besseres Design für mehr Recycling

Mark Hugo
von Mark Hugo
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Plastikmüll wird in Deutschland fast komplett verwertet. Oft heißt das aber: Er wird verbrannt. Für eine bessere Recyclingquote müssten sich die Verpackungen ändern, so Experten.

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Mehrwegnetze mitbringen statt Plastiktüten verwenden beim Obst und Gemüse im Supermarkt: ein gute Idee, um Müll zu vermeiden. Immer mehr Kundinnen und Kunden machen das. Trotzdem ist es eine Nische. Der große Wurf im Kampf gegen die Plastikflut sind solche Ideen nämlich noch nicht.
Denn in den letzten 20 Jahren habe sich das Verpackungsabfallaufkommen pro Kopf in Deutschland verdoppelt, sagt Prof. Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Deutschland liegt damit deutlich über dem EU-Durchschnitt. Immerhin:

Wir sind in Deutschland sehr, sehr gut darin, unseren Plastikmüll loszuwerden.

Prof. Henning Wilts, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Anderswo lande der Plastikmüll auf der Deponie oder im Meer, sagt Wilts. "Wo wir mit Sicherheit noch Luft nach oben haben, ist das wirklich zu recyceln, also in einen Kreislauf zu führen."
Plastikflasche mit Deckel
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Viel Müll kommt aus den Haushalten

Laut einer Studie von Conversio wurden 2023 5,9 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle gesammelt. 2,3 Millionen davon fielen bei gewerblichen Endverbrauchenden an, also etwa in Geschäften oder in der Gastronomie. Mit 3,3 Millionen Tonnen den größten Anteil hatten Privathaushalte.

Der Weltumwelttag (World Environment Day) findet seit 1972 jährlich am 5. Juni statt. Er soll laut UNO das weltweite Bewusstsein und das Handeln zum Schutz der Umwelt fördern. Jedes Jahr gibt es ein Gastgeberland und ein eigenes Motto. 2025 ist das Südkorea. Schwerpunkt ist der Blick auf die weltweite Plastikverschmutzung.

Die gute Nachricht: Fast alle gesammelten Kunststoffabfälle werden verwertet, allerdings nur 38,4 Prozent stofflich, das heißt sie werden entweder als Rohstoff wiederverwendet oder so aufgearbeitet, dass aus ihnen neue Produkte hergestellt werden können. 61,1 Prozent der Abfälle werden dagegen "energetisch verwertet". Im Klartext: Sie werden verbrannt, um Wärme und Energie zu erzeugen.
Ein Recycling-Symbol aus grünen Blättern.
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Hauptrohstoff noch immer Öl

Auch wenn die Recycling-Quote steigt: Für eine echte Kreislaufwirtschaft, in der möglichst alle Abfälle wiederverwendet werden, ist noch Luft nach oben. 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Für dieses Ziel wäre das notwendig. Denn der Hauptrohstoff bei der Herstellung von Kunststoff ist nach wie vor das fossile Erdöl. Werden die Abfälle verbrannt, setzt das Treibhausgase frei.
"Wir müssen ran ans Produktdesign", fordert deshalb Wilts. Denn viele Verpackungen seien zwar "technische Meisterwerke", in denen Lebensmittel wochenlang frisch blieben könnten, allerdings seien sie schwer und bestenfalls mit großem Energieaufwand zu recyclen. Der Grund: Oft bestehen sie aus unterschiedlichen Kunststoffsorten in vielen dünnen Schichten.



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Seit Januar darf laut neuer EU-Richtlinie keine Altkleidung mehr im Restmüll entsorgt werden. Was bedeutet diese Vorschrift für Kommunen und Verbraucher in Deutschland? 29.01.2025 | 1:44 min

Neues Design eine Frage des Willens

Sich auf wenige, recyclingfähige Kunststoffe zu beschränken, sei technisch zwar möglich, oft hätten im Design aber Optik und Attraktivität Vorrang.

Es ist nicht die Frage, ob das geht. Es ist die Frage, ob wir das wollen.

Prof. Henning Wilts, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Sein Vorschlag: Für die Herstellung recyclingfähiger Verpackungen müsse es zum Beispiel finanzielle Anreize geben.
Eine weitere Strategie: Schlicht Plastikmüll vermeiden, wo es geht. Mehrweg sei dabei der einfachste Weg, sagt Experte Wilts. "Meistens sind die Sachen ein bisschen schwerer, in der Herstellung auch aufwändiger, aber sobald man so eine Verpackung drei, vier, fünf Mal benutzt hat, ist das ein gelebter Beitrag zum Klimaschutz, zur Abfallvermeidung." Mehrweg sei auch einfach in den Alltag zu integrieren.
Für Mehrwegflaschen ist das System bereits etabliert. Für Mehrwegbehältnisse für Speisen und Getränke zum Mitnehmen gibt es zwar seit 2023 eine Angebotspflicht. Weil es aufwändig, oft umständlich und einfach neu ist, tun sich Gastronomen und Kunden aber noch schwer damit.
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Plastik für Lebensmittel eigentlich eine "super Lösung"

Dass es ganz ohne Plastik geht, glaubt auch Henning Wilts nicht. Etwa um Lebensmittel frisch zu halten, seien Kunststoffe eine "super Lösung". Dass es aber mit der Plastikflut so nicht weitergehen kann, sei inzwischen allen klar, meint er. "Wir müssen also überlegen: Wo setzen wir Plastik sinnvoll ein und wo ist es einfach nur ein schicker Zusatz-Marketing-Gag?"
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
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