Expertenrat warnt: Koalitionsvertrag gefährdet Klimaziel bis 2045

Expertengremium warnt :Klimarat: Koalition gefährdet Klimaziel bis 2045

Elisa Miebach
von Elisa Miebach
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Der Klimarat warnt: Wenn Berlin nicht handelt, wird die Klimaneutralität bis 2045 verfehlt. Nur dank eines Puffers aus Krisenjahren bleibe das Ziel für 2030 erreichbar - noch.

Sonnenblumen blühen in der Nähe vom Kohlekraftwerk Mehrum im Landkreis Peine.
Deutschland kann seine Klima-Ziele bis 2030 erreichen, zu diesem Schluss kommt der Expertenrat für Klimafragen. Doch bereits jetzt muss einiges für die Zeit nach 2030 passieren.15.05.2025 | 1:28 min
Er ist der offizielle Watchdog der Bundesregierung in Sachen Klima: Der Expertenrat für Klimafragen. Die fünf Sachverständigen und ihr Team untersuchen regelmäßig, ob die Klima-Prognosen der Regierung plausibel sind. Jetzt hat der Rat unter anderem auch den Koalitionsvertrag unter die Lupe genommen.
Die neue Regierung und der Klimaschutz
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Emissionen 2024: Rückgang - aber nicht genug

Die gute Nachricht des Berichts: Die Treibhausgas-Emissionen sind gesunken - im Jahr 2024 um 3,4 Prozent. Den größten Rückgang verzeichnete die Energiewirtschaft, also der Stromsektor. Das lag vor allem am rasanten Ausbau der erneuerbare Energien. Auch Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft emittierten etwas weniger. Die Industrie blieb nahezu konstant.
Trotzdem überschritten der Verkehrs- und der Gebäudesektor ihre gesetzlich festgelegten Emissionsziele - und das zum wiederholten Mal. In beiden Sektoren sei die Überschreitung nochmals höher als im Vorjahr, so der Bericht.
sgs - wolf bethmann
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Emissionsbudget bis 2030: Nur mit Puffer erreichbar

Der Expertenrat nimmt die Projektionen des Umweltbundesamts zu den Emissionen der kommenden Jahre als Grundlage. Laut diesen Daten kann das Emissionsbudget bis 2030 eingehalten werden - mit einem Puffer von 81 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
Dieser Puffer stammt vor allem aus den Jahren 2021 bis 2023 - geprägt von Corona, Energiekrise und wirtschaftlicher Schwäche. Ohne den Puffer wäre das Budget wohl überschritten worden.
Der Expertenrat warnt jedoch: Die Prognosen des Umweltbundesamtes unterschätzen die zukünftigen Emissionen wahrscheinlich. Das heißt, die tatsächlichen Emissionen könnten in den nächsten Jahren höher liegen und dann reicht auch der Puffer nicht mehr.
Luftaufnahme der Überschwemmungen im bayerischen Reichertshofen.
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Kritik am Koalitionsvertrag

Das liegt auch an fehlenden Ambitionen im schwarz-roten Koalitionsvertrag, den der Expertenrat kritisiert. Er enthalte kaum konkrete Maßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen.

Zudem adressiert der Koalitionsvertrag die maßgeblichen Problemfelder nicht explizit und bleibt an vielen Stellen vage.

Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats

Bis März 2026 muss laut Gesetz ein neues Klimaschutzprogramm beschlossen werden. Auch das finde im Koalitionsvertrag keine Erwähnung, so der Bericht. Der Expertenrat fordert, dass darin nicht nur die kurzfristigen Ziele bis 2030, sondern auch die langfristige Klimastrategie berücksichtigt werden.
Die Einhaltung dieser langfristigen Ziele sieht der Rat besonders kritisch. Die aktuellen Projektionen zeigen: Wenn Deutschland nicht gegensteuert, wird es seine Klimaziele nach 2030 voraussichtlich verfehlen - auch das große Ziel der Klimaneutralität bis 2045.
Prof. Mojib Latif | GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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Moore und Wälder: Vom Klimaschützer zur Emissionsquelle

Ein weiteres Problem: Der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) - also etwa Wälder und Moore - kann laut Bericht nicht mehr wie früher genug CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen.
Im Gegenteil - auch weil der Wald in so einem schlechten Zustand ist, wird der Sektor zur Emissionsquelle. Ebenso müsse die Wiedervernässung von Mooren vorangetrieben werden. 95 Prozent der deutschen Moore wurden trockengelegt. Aus dem trockenen Torf werden Treibhausgase freigesetzt - insgesamt circa 7,5 Prozent aller deutschen Emissionen.
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Während die Klimapläne der neuen Bundesregierung laut Einschätzung von Experten unzureichend sind, zeigt ein Dorf in Bayern, wie es funktionieren kann.15.05.2025 | 1:22 min

Expertenrat fordert klare Strategie

Ohne Gegenmaßnahmen würden 2045 noch rund 240 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente übrig bleiben - obwohl das Ziel "Netto-Null" lautet.
"Damit ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar, wie die Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 erreichen will", sagt Ratsmitglied Marc Oliver Bettzüge.
Elisa Miebach ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Bayern.

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