Flug kompensieren: Was bringt der CO2-Ausgleich wirklich?
Fliegen mit gutem Gewissen?:Was CO2-Kompensationen wirklich bringen
von Mark Hugo
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Ab in den Urlaub - und oft fliegt das schlechte Klima-Gewissen mit. Etwas besser wird es mit Kompensationen für den Treibhausgasausstoß. Aber gleicht das den Flug wirklich aus?
Europäische Unternehmen kaufen CO2-Zertifikate, um Treibhausgase einzusparen und so zum Klimaschutz beizutragen. Doch wie sinnvoll ist diese Maßnahme? 15.04.2025 | 6:53 min
Wer fliegt, setzt Treibhausgase frei. Ein Flug auf die Malediven und zurück verursacht nach Berechnungen des Umweltbundesamtes pro Person rund drei Tonnen Treibhausgase. Zum Vergleich: Mit einem Mittelklassewagen könnte man damit mehr als 15.000 Kilometer fahren. Und ein durchschnittlicher Kühlschrank könnte 30 Jahre im Dauerbetrieb laufen.
"Wer wirklich klimafreundlich handeln will, fragt sich lieber zuerst: Muss dieser Flug sein? Gibt es Alternativen wie Bahn oder Videokonferenz?", sagt deshalb Expertin Martina von Münchhausen vom World Wide Fund For Nature (WWF). Gerade auf kurzer Strecke sei der Zug oft genauso schnell und deutlich klimafreundlicher. Kann oder will man den Flug nicht vermeiden, dann gibt es immerhin die Möglichkeit, den eigenen Treibhausgasausstoß zu kompensieren.
Seit einigen Jahren bieten Airlines und unabhängige Organisationen wie Atmosfair, PRIMAKLIMA, myclimate oder Klima-Kollekte an, den Treibhaugasausstoß von Flügen zu kompensieren. Das bedeutet: Man unterstützt Klimaschutz-Projekte mit einem Beitrag, durch den eine vergleichbare Menge an Treibhausgasen eingespart wird. Für innereuropäische Flüge kostet das oft zwischen fünf und 20 Euro. Beim Flug auf die Malediven wären es etwa 80 bis 100 Euro.
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Greenwashing-Gefahr minimieren
Der einfachste Weg ist, die Kompensationsangebote von Airlines direkt anzunehmen. Davon rät Jonas Grauel von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) allerdings ab. Besser sei es, sich an unabhängige Anbieter zu wenden. "Der Grund ist einfach, dass die Transparenz bei diesen Organisationen in der Regel sehr viel höher ist." Da sie von ihrem guten Ruf lebten, sei der Anreiz von Greenwashing nicht so hoch.
So oder so: "Kompensation ist ein hoher Anspruch. Wenn ich sage, ich kompensiere, dann muss ich plausible Rechenmodelle haben und eine Menge Qualitätsstandards beachten", sagt Grauel.
Problem 1: Die Berechnung
Manche Airlines vermerken den Treibhausgasausstoß auf dem Ticket. Oft gibt es Emissionsrechner, deren Ergebnisse nicht immer realistisch sind. Denn: "Bei Flügen ist die tatsächliche Klimawirkung mindestens dreimal höher als die reinen CO2-Emissionen, weil durch die Verbrennung verschiedene Schadstoffe in großer Höhe ausgestoßen werden", erklärt Martina von Münchhausen.
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Problem 2: Die Projekte
Durch die Kompensationszahlungen muss tatsächlich zusätzlicher Klimaschutz entstehen. Das ist nur dann gegeben, wenn sich die Projekte maßgeblich über den Verkauf von CO2-Zertifikaten finanzieren. Bei Wind- und Solar-Parks etwa, die sich alleine schon durch den Verkauf des Stroms tragen, sei das nicht der Fall, so Grauel.
Und der Klimaschutz muss von Dauer sein. Beispiel: "Aufforstungsprojekte helfen weltweit benötigte CO2-Senken auszubauen, sind aber durch Brände, Dürren oder Schädlinge immer in ihrer Wirkung gefährdet", so von Münchhausen. Für zuverlässige Kompensationsberechnungen sind sie deshalb wenig geeignet. Vor zwei Jahren kam eine internationale Studie, an der die Uni Bonn beteiligt war, zu dem Schluss, dass 26 untersuchte Projekte kaum zum Waldschutz beigetragen und zudem die Reduktion der Treibhausgase geringer war als angegeben.
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Problem 3: Transparenz
Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es sehr schwer, das alles zu durchblicken.
Der freiwillige Kompensationsmarkt ist völlig unreguliert, und leider kursieren viele Schrott-Zertifikate ohne echte Klimawirkung.
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Martina von Münchhausen, WWF
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Besser spenden als kompensieren
Die WWF-Expertin von Münchhausen empfiehlt, sich an Gütesiegeln wie den "Gold Standard" zu orientieren. Und Grauels Tipp an alle, die es sich einfacher machen wollen: direkt an Klimaschutzorganisationen spenden statt zu kompensieren.
Das Geld wird gebraucht und wenn man sagt, man ist bereit 50 oder 100 Euro zu spenden - auch wenn man es nicht genau als Kompensation ausgerechnet hat - ist es besser als nichts.
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Jonas Grauel, Verbraucherzentrale NRW
Martina von Münchhausen geht mit dem Thema Flugkompensationen noch schärfer ins Gericht: "Ein Obolus für den guten Zweck mag unser Gewissen beruhigen, rettet aber nicht automatisch das Klima", sagt sie. Besonders dann nicht, wenn es dazu führt, dass man noch öfter fliegt als nötig.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
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von Manfred Kessler
Quelle: dpa
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