Aktionsplan:Kann die EU die Stahlindustrie noch retten?
von Ulf Röller und Paul Schubert
Die Stahlindustrie kämpft ums Überleben. Die EU versucht, die Branche zu stärken und sie vor der Konkurrenz aus Übersee zu schützen. Es geht dabei um Zukunft - und um Nostalgie.
Aktuell arbeiten in der EU etwa 300.000 Menschen in der Stahlindustrie.
Quelle: dpa
"Rollender Stahl" heißt ein Film aus den 1950er-Jahren. Er beschreibt den Mythos einer ganzen Branche, die Europa und Deutschland aufgebaut und ganze Landstriche verändert und geprägt hat. Darin tauchen rußverschmierte, schwitzende Männer auf, die vor Hochöfen stehen, aus denen Funken von glühendem Stahl spritzen. Die rauchenden Schlote symbolisierten den Aufstieg Europas zur Wirtschaftsmacht. Die Stahlriesen wirken heute wie angeschlagene Wirtschaftsgiganten.
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Energiekosten treffen Branche stark
In den 1970er-Jahren arbeiteten in der
EU noch über eine Million Menschen in der Stahlindustrie. Aktuell (2025) wird die Zahl auf rund 300.000 bis 310.000 geschätzt - mit weiter sinkender Tendenz.
Das hat viele Gründe: Für eine Tonne Stahl braucht man heute weniger Menschen - in der Branche nennt man das Effizienzsteigerung. Hinzu kommen die hohen Energiekosten, die den Betrieben schwer zu schaffen machen. Und besonders gravierend: Die Konkurrenz aus Ländern wie
China und
Indien, die Stahl zu Dumpingpreisen auf den Markt werfen - meist ohne Rücksicht auf Umweltstandards. Eine Tonne kostet dort etwa 400 Euro, während europäische Produzenten rund 640 bis 650 Euro verlangen müssen.
Der Stahl-Aktionsplan der EU
Er ist ein Dreiklang aus Maßnahmen: Zölle, Subventionen und Umweltschutz. Das dahinterstehende System aus Anreizen und Regulierungen ist komplex und für Außenstehende nicht immer leicht nachvollziehbar. Da gibt es beispielsweise den CO2-Grenzausgleich: den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM).
Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich der Versuch der EU, Importe aus Ländern mit niedrigeren Umweltstandards zu verteuern und so die europäische Industrie zu schützen. China und Indien sollen ihre Metalle nicht mehr "grünwaschen" können, um kohlenstoffarm zu erscheinen, während sie weiterhin auf emissionsintensive
Energiequellen angewiesen sind.
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In die gleiche Richtung geht das Zollsystem, mit dem die EU die Stahlindustrie schützen will. Viele Länder produzieren ihren Stahl aufgrund staatlicher Subventionen unter Marktpreis. So will zum Beispiel China mit Dumpingpreisen den europäischen Markt erobern. Dagegen reagiert Brüssel mit Strafzöllen.
Vielen in Stahlbranche gehen Schutzzölle nicht weit genug
Der Druck auf
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Donald Trump erreichen? Noch immer belegen sich Europa und Amerika gegenseitig mit Strafzöllen von bis zu 25 Prozent.
Die Uhr tickt. Bis zum 9. Juli haben von der Leyen und ihre Leute Zeit, einen Kompromiss zu finden. Nicht mehr lange. Deshalb werden die Industrie und die deutsche Bundesregierung nervös. Bundeskanzler Friedrich Merz hat die Verhandlungsstrategie der EU-Kommissionspräsidentin als zu kompliziert bezeichnet.
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Wie sieht die Zukunft der Stahlindustrie aus?
Der Aktionsplan der EU gibt eine eindeutige Antwort: Grüner Stahl - Stahl also, der mit umweltschonender Energie wie Wasserstoff produziert wird. Viele Milliarden muss die Stahlindustrie investieren. Der Staat und die EU wollen helfen. Stichwort: Subventionen, die die Wettbewerbshüter in der Kommission nicht nur erlauben, sondern für notwendig erachten. Diese Investitionen sind eine Wette auf die Zukunft. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass dem grünen Stahl weltweit eine Chance wegen des
Klimawandels gegeben wird.
Die Stahlindustrie steht vor einer weiteren Revolution. Klimaneutral produzieren ist das Zauberwort. ThyssenKrupp will das bis 2045 schaffen. In ihrem Werbefilm heißt es: "Grüner Stahl" - fürs Klima und kommende Generationen. Die rollenden Riesen müssen sich wandeln, um zu überleben.