Umbau der Industrie: Doch kein "grüner" Stahl von ArcelorMittal

Umbau der Stahlindustrie:Doch kein "grüner" Stahl von ArcelorMittal

von David Römhild
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Mit Wasserstoff sollte in Bremen und Eisenhüttenstadt klimaneutral Stahl produziert werden. Doch die Industrie macht einen Rückzieher und lässt sogar Fördermittel verfallen.

ArcelorMittal
Glühender Flachstahl wird zu einem Coil im Warmwalzwerk von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt gerollt.
Quelle: dpa

Es ist ein herber Rückschlag für den Umbau der Stahlindustrie: ArcelorMittal Europe, einer der größten Stahlhersteller Deutschlands, will seine Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt nicht wie geplant auf eine klimaneutrale Produktion umstellen.

Rahmenbedingungen schrecken ab

Der Konzern begründet seine Entscheidung mit schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Preis und Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff seien ein Risiko, teilte das Unternehmen mit. Der Konzern nimmt deshalb staatliche Fördergelder in Höhe von 1,3 Milliarden Euro nicht in Anspruch.

Selbst mit der finanziellen Unterstützung ist die Wirtschaftlichkeit dieser Umstellung nicht ausreichend gegeben.

Geert Van Poelvoorde, CEO ArcelorMittal Europe

Die europäische Stahlindustrie stehe unter einem noch nie dagewesenem Druck, so Geert Van Poelvoorde, CEO von ArcelorMittal Europe. Auch "ohne die zusätzlichen Kosten, die für die Dekarbonisierung erforderlich sind".
Konkret sollten herkömmliche Hochöfen stillgelegt und durch sogenannte Direktreduktionsanlagen sowie elektrische Schmelzöfen ersetzt werden. Und diese Anlagen sollten dann perspektivisch Wasserstoff nutzen, der als "grün" gilt, wenn er mit Hilfe erneuerbarer Energien hergestellt wird.
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Schlüsselrolle bei Klimazielen

Die Stahlindustrie ist einer der größten CO2-Emittenten in Deutschland. Sie spielt deswegen eine Schlüsselrolle, damit in Deutschland Klimaziele erreicht werden. Der frühere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte den Umbau der Stahlindustrie mit milliardenschweren Fördergeldern vorangetrieben.
Das Unternehmen hatte wiederholt erklärt, Voraussetzung für den Umbau der Stahlerzeugung seien wettbewerbsfähige Strompreise und ausreichend Wasserstoff. Wasserstoff ist aus Sicht der Energiebranche aber derzeit noch nicht ausreichend vorhanden und viel zu teuer. Zudem klagen Unternehmen in Deutschland seit langem über im internationalen Vergleich hohe Strompreise.

Andere Hersteller machen den Umstieg

Das Bundeswirtschaftsministerium bedauerte die Entscheidung von ArcelorMittal. Wichtig sei, dass noch keine staatlichen Gelder geflossen seien.
Drei vergleichbare Vorhaben der Hersteller Salzgitter Flachstahl, Thyssenkrupp Steel Europe und SHS (Stahl-Holding-Saar) hätten Förderbescheide über zusammen rund 5,6 Milliarden Euro erhalten. An den Standorten der drei Unternehmen laufe die Umsetzung der Projekte bereits.
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Bremer Landesregierung enttäuscht

Der Bremer Senat zeigte sich tief enttäuscht und verärgert über die Entscheidung des Konzerns. Politik und Unternehmen hätten lange gemeinsam an einer Perspektive für das Bremer Stahlwerk gearbeitet. Und "unter großen Anstrengungen gut 250 Millionen Euro für den Umbau des Stahlwerkes bereitgestellt", teilte die Bremer Landesregierung mit.

Wir werden die Stahlbosse nicht aus der Verantwortung lassen.

Andreas Bovenschulte (SPD), Bürgermeister Bremen

Laut Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sei der Abschied von der Transformation der Stahlindustrie durch den Konzern nicht nur "ein schwerer Schlag für den Bremer Wirtschaftsstandort und für die Zukunft der Hütte," sondern auch für die Beschäftigten und ihre Familien. Eine Einschätzung, die die Gewerkschaft IG Metall teilt:

Mit dieser Ankündigung verliert der Konzern und mit ihm das Management die Glaubwürdigkeit.

Ute Buggeln, Geschäftsführerin IG Metall Bremen

Die Verunsicherung und Empörung in der Belegschaft seien groß, so die IG Metall. Gemeinsam mit dem Betriebsrat habe man deshalb zu einer Kundgebung aufgerufen.
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Unternehmen: Strompreise in Deutschland zu hoch

Der Stahlhersteller betont dagegen, neue Öfen würden in Ländern gebaut, die eine wettbewerbsfähige und planbare Stromversorgung bieten können. ArcelorMittal hatte im Mai erklärt, den nächsten elektrischen Schmelzofen in Dünkirchen (Frankreich) zu bauen.
David Römhild ist Redakteur im ZDF-Studio in Bremen.
Quelle: Mit Material von dpa

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