Kirche in Deutschland unter Druck: Was weniger Mitglieder bedeuten

Kirchenaustritte und Sterbefälle:Warum die Kirchen jetzt sparen müssen

von Kaja Adchayan

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Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben 2024 mehr als eine Million Mitglieder verloren. Der stetige Mitgliederschwund hat auch Einfluss auf die Finanzen der Kirchen.

Kaja Adchayan

Die beiden großen Kirchen in Deutschland besitzen ein Milliardenvermögen, das niemand so genau zu kennen scheint. Wofür brauchen sie dann noch die Kirchensteuer? DEALS folgt der Spur des Geldes.

19.12.2025 | 22:05 min

Vorbei sind die unbeschwerten Zeiten: Der evangelischen Kirche und der katholischen Kirche in Deutschland stehen große strukturelle Veränderungen bevor. Die beiden Kirchen verlieren jedes Jahr Hunderttausende Mitglieder durch Austritte und Todesfälle. Taufen und Wiedereintritte können diese Verluste nicht kompensieren.

Das Bild zeigt eine ältere Frau, die in einer ansonsten leeren Kirche auf einer Bank kniet. Der Hintergrund ist geblurrt. Sinkende Linien, die zu einem Kreuz führen, symbolisieren, dass die Mitgliedszahlen in den großen Kirchen sinken. Eine steigende Linie, die zu einer Erdkugel führt, zeigt, dass die Zahlen der Nicht-Mitglieder steigen.

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Die Zahl der Menschen, die noch einer Kirche angehören, sinkt. Ende 2024 waren noch 37,8 Millionen Menschen in Deutschland Mitglied einer der beiden großen Kirchen. Im vergangenen Jahr gab es sogar erstmals mehr konfessionslose Menschen als römisch-katholische und evangelische Kirchenmitglieder zusammen.

Heute ist es längst keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Menschen einer Kirche angehören.

Kirsten Fehrs, Bischöfin und Ratsvorsitzende der EKD

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Einnahmen von Zahl der Kirchenmitglieder beeinflusst

Und das macht sich so langsam auch bei den Einnahmen der Kirchen bemerkbar. Lange Zeit wirkten sich die Kirchenaustritte augenscheinlich kaum auf die Kirchensteuereinnahmen aus. Sie stiegen Jahr um Jahr, obwohl die Mitgliederzahlen sanken. Der Grund: Die Kirchensteuer ist an das Einkommen gekoppelt. Da das in den vergangenen Jahren im Schnitt gestiegen ist, galt dasselbe auch für die Kirchensteuer.

Die Einbußen durch Austritte wurden bisher gut von den älteren, geburtenstarken Jahrgängen aufgefangen, die die Mehrheit der Kirchenmitglieder ausmachen. Sie verdienen in der Regel mehr und zahlen deshalb auch höhere Beiträge an die Kirchen als beispielsweise Berufseinsteiger. Nichtsdestotrotz fallen überdurchschnittlich hohe Beiträge weg, wenn ältere Mitglieder austreten oder versterben. Bei Eintritt in Rente oder Pension reduziert sich die zu zahlende Kirchensteuer zudem.

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Kirchen strukturieren um, um zu sparen

Die Folgen des demographischen Wandels sind schon jetzt zu spüren. Inflationsbereinigt beginnen die Kirchensteuereinnahmen zu sinken. Für die Kirchen bedeutet das: Sie müssen umdenken, umstrukturieren und vor allem sparen.

Wir wissen, es wird weniger. Wir werden massiv sparen müssen.

Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz

Im Zuge dessen legen sie Kirchengemeinden zusammen, verkaufen Kirchengebäude und Pfarrhäuser und kürzen Zuschüsse an Verbände. Alles mit dem Ziel, Synergien zu schaffen. "Mehrere Bistümer haben rigide Sparprozesse eingeleitet, um den Pflichten in der Finanzierung, zum Beispiel Pensionskosten, auch künftig gerecht zu werden", erklärt Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz.

Kirchen müssen Rücklagen für Pensionen bilden

Die Pfarrer*innen und Priester*innen der evangelischen und katholischen Kirchen sind in der Regel verbeamtet und haben deshalb Pensionsansprüche. Für diese müssen die Kirchen schon heute Rücklagen bilden, was angesichts der sinkenden Kirchensteuereinnahmen zunehmend schwieriger wird.

Die Prozesse zu verschlanken, sei herausfordernd, betont auch Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD-Synode. "Wir sind dran und trotzdem sehen wir, das ist einfach ein über Jahrzehnte gewachsenes Konstrukt."

Die evangelische Kirche in Deutschland ist in 20 Landeskirchen unterteilt, die katholische in 27 Bistümer. Darunter agieren tausende Pfarreien und Kirchengemeinden teilweise völlig autark.

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In welchen Bereichen kann die Kirche aktiv bleiben?

Matthias Kopp von der DBK warnt unterdessen vor den Einschnitten, die die sinkenden Kirchensteuereinnahmen nach sich ziehen. "Das gilt für Personal in einer Pfarrgemeinde, das gilt vielleicht auch für das Geld der Jugendarbeit." Die Kirchen müssten überlegen, in welchen Bereichen sie weiterhin aktiv sein wollen und aus welchen sie sich zurückziehen müssen.

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Wie Frankreich ohne Kirchensteuer auskommt

Ein Blick ins Nachbarland Frankreich zeigt, wie Kirchen auch ohne Kirchensteuer auskommen könnten. Dort finanziert sich die Arbeit der Kirche hauptsächlich aus Kollekten und Spenden, was sich unter anderem in deutlich niedrigeren Gehältern für die Geistlichen widerspiegelt.

"Es sind andere Modelle denkbar, ich finde aber, das Kirchensteuersystem ist einfach ein zutiefst solidarisches", erklärt Heinrich. Es sei zudem effizient und verlässlich und gebe den Kirchen finanzielle Stabilität. "Aber who knows, vielleicht gibt es irgendwann noch bessere Systeme", sagt die Präses der EKD-Synode.

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