Verfassungsgericht stärkt kirchliches Selbstbestimmungsrecht

Verfassungsgericht zum Fall Egenberger:Kirchliches Selbstbestimmungsrecht gestärkt - was gilt nun?

Christoph Schneider, ZDF Redaktion Recht & Justiz

von Christoph Schneider

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Der Fall Vera Egenberger beschäftigt seit gut zehn Jahren Gerichte und wird eine weitere Runde drehen. Das Verfassungsgericht kassiert eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.

Richter mit Richterhammer

Kirchliche Arbeitgeber dürfen Bewerber wegen ihrer Religion ablehnen - das urteilt das Bundesverfassungsgericht und stärkt somit das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

23.10.2025 | 1:28 min

Vera Egenberger, heute 63 Jahre alt, ist nicht Mitglied der Kirche. Sie ist gelernte Sozialpädagogin, tätig als Beraterin für Fragen der Gleichbehandlung und Diskriminierung. Bei der Evangelischen Diakonie in Berlin hatte sie sich 2012 auf eine befristete Stelle als Referentin in einem Antirassismus-Projekt beworben.

Doch sie wird nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Als sie den Job nicht bekam, zog sie vor Gericht und verlangte Schadensersatz. Denn die Ablehnung wegen fehlender Kirchenmitgliedschaft sei diskriminierend. Ihr Fall wanderte durch die Instanzen.

Fall Egenberger: Fast alle Gerichtsinstanzen durchlaufen

Das Arbeitsgericht Berlin gab Egenberger zunächst Recht - das Landesarbeitsgericht hob das Urteil auf. So musste das Bundesarbeitsgericht ran, das den Fall dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorlegte. Und der entschied: Religionszugehörigkeit ist nur dann ein Einstellungskriterium, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Und: Ein Gericht muss überhaupt überprüfen können, ob die Voraussetzungen einer Kirchenmitgliedschaft im Einzelfall wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt sind.

Mit dieser Botschaft aus Luxemburg im April 2018 urteilte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt im Oktober 2018, dass die Klägerin Egenberger diskriminiert worden sei - die Diakonie müsse der abgelehnten Bewerberin 3.900 Euro Schadensersatz zahlen.

Das Kriterium Kirchenmitgliedschaft dürfe nur bei solchen Jobs angewandt werden, die eine enge Beziehung zum religiösen Bekenntnis haben. Die sah das Bundesarbeitsgericht nicht und stellte einen Verstoß gegen die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie fest.

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Verfassungsgericht kassiert Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Doch die Diakonie legte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Der Zweite Senat gab nun der Diakonie Recht und hob damit die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Oktober 2018 auf:

In dem 81-seitigen Beschluss legt der Zweite Senat des höchsten deutschen Gerichts ausführlich dar, warum das Bundesarbeitsgericht einen aus Sicht der Verfassungshüter zu engen Maßstab angelegt hat, bei dem die Interessen der Diakonie als Beschwerdeführer zu wenig berücksichtigt wurden.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht, weil die (…) vorgenommene Güterabwägung dem religiösen Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.

Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss

Das Bundesarbeitsgericht habe auch nicht weiter berücksichtigt, dass die europäische Richtlinie "dem nationalen Recht Spielräume belässt, innerhalb derer die grundrechtlichen Vorgaben des religiösen Selbstbestimmungsrechts gelten", führen die Karlsruher Richterinnen und Richter weiter aus.

Bei der Abwägung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs habe das Bundesarbeitsgericht die Vorgaben "überspannt" und die Autonomie der Diakonie nicht in verfassungsrechtlich gebotener Weise gewichtet. Denn die Diakonie habe das christliche Profil der umstrittenen Stelle "plausibel" dargelegt.

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Religionszugehörigkeit: Was gilt nun für Stellen von Kirchen?

Klar ist nun für künftige Fälle: Legen die Kirchen nachvollziehbar dar, dass die Religionszugehörigkeit für eine bestimmte Stelle entscheidend ist, dann wird es für unterlegene Bewerber schwieriger, dagegen vorzugehen.

Der konkrete Fall von Vera Egenberger ist nach über zehn Jahren Rechtsstreit noch nicht beendet. Das Bundesarbeitsgericht muss den Fall noch einmal verhandeln und entscheiden. Durchaus möglich, dass der Fall dann nochmal eine weitere Drehung nimmt.

Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF

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