Lieferprobleme bei Halbleitern:Infineon-Chef: Wie sich Chip-Engpässe verhindern ließen
Deutschlands größter Chiphersteller steckt zwischen Aufschwung und Unsicherheit. Wie will Infineon-Chef Hanebeck gegen Engpässe vorgehen - und was fordert er von der Politik?
Im ZDFheute-Interview erklärt Infineon-Vorstandschef Hanebeck, vor welchen Herausforderungen sein Unternehmen steht - und warum Deutschlands Chiphersteller Engpässe nicht einfach abfangen kann.
12.11.2025 | 1:50 minNach Jahren globaler Engpässe nimmt die Chipproduktion in Deutschland wieder Fahrt auf. Doch die Branche steht weiter unter Druck - vom internationalen Wettbewerb über volatile Lieferketten bis zu milliardenschweren Investitionen.
Im ZDFheute-Interview erklärt Infineon-Vorstandschef Jochen Hanebeck, warum Künstliche Intelligenz (KI) für sein Unternehmen ein Wachstumstreiber ist, wieso das neue Werk in Dresden eine strategische Rolle spielt - und weshalb Politik und Gesellschaft jetzt vor allem eines brauchen: Mut.
ZDFheute: Welche Herausforderungen hatten Sie in letzter Zeit?
Jochen Hanebeck: Nach einer Phase, in der Halbleiter extrem gefragt waren, gab es eine gewisse Konsolidierungsphase. Aus der kommen wir jetzt langsam heraus. Für uns ist das Thema Künstliche Intelligenz ein ganz starker Wachstumstreiber, der uns auch jetzt in das neue Geschäftsjahr hinein vorantreiben wird.
In diesem Geschäft haben wir schon letztes Jahr das Geschäftsvolumen verdreifacht und werden auch den Umsatz dieses Jahr nochmal verdoppeln auf dann 1,5 Milliarden. Infineon ist beim Thema KI ein ganz wichtiger Spieler.
In den USA werden "viermal so viele Rechenzentren installiert pro Jahr wie es in Deutschland insgesamt gibt", so ZDF-Wirtschaftsexperte Neuhann. "Wir müssen da irgendwie mithalten."
11.11.2025 | 2:23 minZDFheute: Sie sprechen von Künstlicher Intelligenz als Wachstumstreiber. Welche Rolle spielt Infineon dabei?
Hanebeck: Wir kümmern uns um die Stromversorgung in Datenzentren. Die muss besonders effizient und effektiv sein. Wir reden hier von einem Stromverbrauch von einem Prozessor, der das Mehrfache des Stroms eines Bügeleisens verbraucht. Und dann reden wir über Hunderttausend solcher Prozessoren in einem Rechenzentrum.
Das heißt, es gibt keine KI ohne Leistungshalbleiter. Infineon ist in diesem Bereich der führende Anbieter.
Jochen Hanebeck, Vorstand Infineon
ZDFheute: Warum war es zuletzt trotz des Booms zu Engpässen gerade in der Autoindustrie gekommen?
Hanebeck: Es gibt eine ganz große Vielfalt an Halbleitern: von Sensoren, Leistungshalbleitern, Mikrocontrollern bis hin zu Prozessoren. Viele Unternehmen auf der Welt haben sich auf ganz bestimmte Halbleiter spezialisiert.
Es reicht die Knappheit in einer Kategorie, damit am Ende Bänder stillstehen.
Jochen Hanebeck, Vorstand Infineon
Hierzu muss man sagen: Halbleiter sind kein "Just in Time"-Produkt. Um Halbleiter herzustellen, benötigen wir drei bis neun Monate. Deswegen braucht es - auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - Bestände, um mögliche Engpässe abzufedern.
In Dresden liegt der Bau der neuen Infineon-Chipfabrik im Zeitplan. Rund 1.000 Arbeitsplätze sollen entstehen, unterstützt durch 920 Millionen Euro staatliche Förderung.
04.08.2025 | 1:33 minZDFheute: Warum kann nicht einfach mehr produziert werden, wenn Chips fehlen?
Hanebeck: Das haben wir auch schon in der Vergangenheit, aber damit geht natürlich auch eine gewisse Kapitalbindung einher.
Insofern erwarten wir auch von unseren Kunden, dass sie diese Bestände mitfinanzieren.
Jochen Hanebeck, Vorstand Infineon
Wir allein können diese Kosten nicht tragen, auch wenn wir schon sehr viel dafür tun, dass unsere Halbleiter nicht knapp werden.
ZDFheute: Was macht die Chipherstellung so teuer?
Hanebeck: Vor allem die Anlagen machen die Halbleiterherstellung so teuer. Aktuell errichten wir in Dresden eine neue Fabrik für 5 Milliarden Euro. Dass die Investitionssumme so hoch ist, liegt neben dem Reinraum und der dazugehörigen Infrastruktur vor allem an den Anlagen. Diese müssen 365 Tage im Jahr arbeiten, damit der Kapitaleinsatz überhaupt zu einem "Return on Invest" führt.
ZDFheute: Wie läuft der Aufbau der neuen Fabrik in Dresden?
Hanebeck: Wir liegen vor dem Zeitplan. Schon im Sommer 2026 werden wir die Fabrik offiziell in Betrieb nehmen. Aber diese Fabrik wird natürlich nur ein gewisses Spektrum der Halbleiter abdecken, nicht das gesamte Spektrum.
In Dresden entsteht, auch mit Staatshilfen, eine Chipfabrik von Infineon. Hier sollen in Zukunft 7000 neue Jobs entstehen - als Teil eines sogenannten Microelectronic-Clusters.
04.08.2025 | 2:29 minZDFheute: Welche Lehren ziehen Sie aus den wiederkehrenden Krisen der Branche?
Hanebeck: Wir sehen leider, dass gewisse Marktteilnehmer - oft aus Sparzwängen -Bestände unterkritisch fahren. Das führt dann immer wieder zu solchen Situationen. Es kann ja auch mal passieren, dass eine Fabrik ausfällt, insofern müssen wir natürlich auch für Flexibilität sorgen, indem wir Produkte aus anderen Fabriken liefern.
Aber es braucht eben Bestände in der Wertschöpfungskette, damit nicht gleich, wenn in der Halbleiterindustrie etwas passiert, die Autofabriken stehen.
Jochen Hanebeck, Vorstand Infineon
ZDFheute: Deutschland steckt in einer Rezession - was hilft der Industrie jetzt wirklich?
Hanebeck: Mit einem Wort, Mut. Wir spüren eine gewisse Depression, natürlich durch Einflüsse von außen, aber auch hausgemachte Probleme. Wir brauchen jetzt Mut. Und Mut ist eben nicht nur eine Erkenntnis, sondern auch die Umsetzung von Reformen, zum Beispiel wenn es um Entbürokratisierung geht oder darum, dass wir eine Energiepolitik bekommen, die langfristig auf Nachhaltigkeit, Kosten und Resilienz fokussiert.
Wir sollten auch das Potenzial von Europa erschließen durch die Vollendung des Binnenmarkts. Wir stehen da vor einer ganz großen Transformation, die uns viel abverlangt. Im Rahmen dieser Transformation sollten wir Zukunftsindustrien identifizieren. Allein durch das Setzen von Rahmenbedingungen werden wir nicht erfolgreich sein.
... ist seit April 2022 Vorstandsvorsitzender von Infineon, dem größten deutschen Halbleiterhersteller. Er steht für eine strategische Ausrichtung auf nachhaltige, zukunftsweisende Halbleiterlösungen mit Schwerpunkten auf grüne Energie, Elektromobilität, Digitalisierung und Sicherheitstechnologien.
Das Interview führte Peter Aumeier. Er ist Wirtschaftsredakteur im ZDF-Studio München.
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