Pop trifft Klassik :"Das kann keine KI": Warum Rosalías "Berghain" so begeistert
von Anna Vezirgenidi
Mit "Berghain" veröffentlicht Rosalía eine Single, die Pop-Regeln bricht. Was den Song so besonders macht, erklären zwei Experten.
Die spanische Sängerin Rosalía hat in den sozialen Medien einen Hit gelandet.
Quelle: Imago"Die Flamme dringt in mein Gehirn ein, wie ein Blei-Teddybär": So startet die spanische Sängerin Rosalía die erste veröffentlichte Single ihres vierten Studioalbums "Lux". Fast zehn Millionen Aufrufe hat das dazugehörige Video auf Youtube in nur drei Tagen gesammelt.
In deutscher Operndramatik, auf Schritt und Tritt begleitet vom London Symphony Orchestra: Das Video trendet, auf TikTok und Instagram überschlagen sich die Fans mit Memes und Lob. Warum begeistert der Song so viele?
"Dieser Popsong macht vieles anders, als es im Lehrbuch stehen würde", sagt Michael Custodis, Professor für Musik der Gegenwart an der Universität Münster. Das habe sehr viel mit dem Sound zu tun: Die Akkordfolge sei eingängig und Popstandard, sodass Hörer sich schnell zurechtfinden. Doch statt das Tempo konstant zu halten, bremse der Track immer wieder ab und setze neu an. "Man hört sehr genau zu und fragt sich: 'Okay, und was kommt jetzt?'", so der Experte.
Man merkt der gesamten Produktion an, wie klug der Song konzipiert wurde.
Michael Custodis, Musikwissenschaftler
"Das Abweichen von der Norm ist das Geheimnis", erklärt der Musikwissenschaftler, die handgemachte Überraschung könnte (noch) keine KI - das sei nicht ihre Aufgabe.
Die Schweizer Sängerin Stefanie Heinzmann begeistert mit gefühlvoller Pop- und Soul-Musik. Im moma Café ist sie zu Gast mit ihrem neuen Song "Good".
13.10.2025 | 3:02 minNur weil ein Orchester spielt, muss es keine Klassik sein
"Was ein Orchester spielt, klingt erstmal nach klassischer Musik. Was sie tatsächlich spielen, muss aber nicht Klassik sein", erklärt Michael Custodis.
Am Anfang klingt es mit einem Streichquartett-Sound fast wie Vivaldi - aber es sind nicht die 'Vier Jahreszeiten'.
Michael Custodis, Musikwissenschaftler
"Es ist nicht 'Pop zitiert Klassik', sondern 'Klassik-Sounds spielen Pop'. Es dreht das einmal komplett auf den Kopf." Dann komme der Chor dazu und der Text setzt ein:
"Seine Angst ist meine Angst, und seine Wut ist meine Wut", wird auf Deutsch herausgeschrien - das werfe Custodis zufolge zunächst viele Fragen auf. Wie in der italienischen Oper sei die Textverständlichkeit aber nicht zentral. Vielmehr gehe es hier um die Aura der Stimme.
Rosalía ist mit ihrer Mischung aus Flamenco, Latin-Pop, R&B, Reggaeton und "Música urbana latina" international erfolgreich. Sie gewann 2020 einen Grammy für ihr Album "El mal querer", und erhielt diese Auszeichnung drei Jahre später erneut für "Motomami". Ihr viertes Album "Lux" soll am 7. November erscheinen.
Quelle: dpa 
Mit quasireligiösen Anspielungen - und im scheinbaren Widerspruch zum Songtitel - gebe Rosalía dem Publikum Rätsel auf, sagt auch Christoph Jacke, Experte für Populäre Musik an der Universität Paderborn. Damit stehe sie für die Komplexität von Popmusik, die sich Elemente der Klassik positiv und effektiv aneigne.
Igor Levit und das Berliner Ensemble veranstalten ein Solidaritätskonzert für die Opfer des Hamas-Terroranschlags in Israel. Wir sprechen mit dem Pianisten.
27.11.2023 | 10:52 minKlassik und Pop - eine lange Tradition
"Die Verbindung von Klassik und Pop ist so alt wie Pop selbst", erklärt Custodis. Die Beatles mit Streichquartett, Rockbands der 1970er, Crossover-Projekte der 80er bis 2000er - Orchester in Rock und Jazz - zeigten, dass die Nähe von romantischer oder barocker Klassik zu Pop eine lange Tradition habe.
Rosalía schreibe sich in "Berghain" auf allen Ebenen in viele nur scheinbar gegensätzliche Musikkulturtraditionen ein, sagt Christoph Jacke. Das Ganze werde durch Gastauftritte "schillernder Musiker wie Björk und Yves Tumor" auf die "spielerische Spitze" getrieben.
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