Deutschland: Was die Wirtschaft in der Krise braucht

"Die fetten Jahre sind vorbei":Was braucht die deutsche Wirtschaft?

von Kersten Schüßler
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Deutschland hinkt anderen EU-Staaten hinterher. Das Wort vom "kranken Mann Europas" geht wieder um. Das trifft auch den Mittelstand. Kann sich Deutschlands Wirtschaft neu erfinden?

Zwei Männer schieben ein Auto in den Farben der Deutschland-Flagge an
Deutschlands Wirtschaft stagniert, das Land ist Wachstums-Schlusslicht, Frust verfestigt sich. Das Herz der Wirtschaft aber schlägt im Mittelstand: Geht da was? Ja, da geht was.12.08.2024 | 42:56 min
Deutschland ist Schlusslicht beim Wachstum, die Stimmung düster. Was tun?

Die tieferen Ursachen der Krise

Deutschland, lange Exportweltmeister, hat weit mehr Industrie als Frankreich, Italien oder Spanien und ist abhängiger vom Weltmarkt. Doch die globale Nachfrage ist so mäßig wie die im Inland. Statt der erhofften Erholung nach der Corona-Krise kam das Aus für billige russischer Rohstoff-Importe. Für den Mannheimer Ökonomen Tom Krebs ist der Hauptgrund der Misere klar: "Das ist einfach der Energiepreisschock." Was also hilft?

1. Günstige Energie

Der Preisverfall bei Wind und Solarstrom ist rasant. Das könnte auch dem Mittelstand nützen. Schon 2019 forderte Europas größter Feuerverzinker, Lars Baumgürtel: "Über 300.000 Unternehmen in Deutschland brauchen Erdgas derzeit als Prozesswärme-Träger. Alle diese Unternehmen könnten in der Theorie umstellen auf Wasserstoff."
Mitte 2024 kommen bereits rund 60 Prozent des Stromes aus erneuerbaren Quellen. Doch Lars Baumgürtel rechnet frühesten in einigen Jahren hierzulande mit Wasserstoff aus Grünstrom. Immerhin ist eine nationale Wasserstoff-Strategie auf dem Weg. Doch auch bei Stromtrassen und der Verteilung von grünem Strom hakt es.
Erzeugungsanlage für Wasserstoff mit der Aufschrift "greenelectrolyzer"
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2. Staatshilfen, wo der Wettbewerb versagt

Der französische Staat stützt seine Wirtschaft mit subventioniertem Strom. In Deutschland erschwert das die Schuldenbremse. "Verrückt", meint der Ökonom Peter Bofinger:

Relativ zur Wirtschaftsleistung liegt unsere Staatsverschuldung wirklich ganz am unteren Rand der Verschuldung anderer großer Volkswirtschaften.

Peter Bofinger, Ökonom

Doch während auch China und die USA massiv subventionieren, werden hierzulande nur wenige Stahl- und Micro-Chip-Unternehmen mit Milliarden gefördert. Der letzte Solarmodul-Hersteller etwa, Meyer Burger, wandert daher ab nach Arizona. Viele weitere Mittelständler hoffen zumindest auf Infrastruktur-Hilfen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und auch selber sinvoll investieren zu können.
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3. Infrastruktur modernisieren

In den fetten Jahren wurden viele Investitionen versäumt, so die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer: "Wir sehen die Infrastruktur, wie alt die ist. Wenn wir uns anschauen, die Brücken, die Straßen, die Schienennetze, all das ist in keinem guten Zustand." Deutschland müsse nun die Energiewende schaffen, seine Infrastruktur modernisieren und auch bei Bildung investieren, eine Herkulesaufgabe.
Kommission für Trennung von Bahn und Schiene
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4. Kulturwandel bei Bürokratie und Digitalisierung

Viele Mittelständler beklagen zu viel Bürokratie. Ob Regeln aus den USA kommen, von der EU oder national: "In der Anwendung sind wir in Deutschland am gründlichsten", klagt der Auto- und Medizintechnik-Zulieferer Henning von der Osten. Auch große Konzerne müssten da flexibler werden. Und dafür die Innovationskraft auf Digitalisierung und Automatisierung richten. Denn Deutschland fehlen auch Fachkräfte, um die eigenen Stärken zu nutzen.

Wie steht es um den Industriestandort Deutschland? Die WISO-Dokumentation "Die fetten Jahre sind vorbei - Was die Wirtschaft jetzt braucht" blickt hinter die Kulissen von Wirtschaft und Mittelstand. Zu sehen am am Montag, 12. August 2024 um 19:25 Uhr im TV oder jederzeit in der ZDF-Mediathek.

5. Schlüsselsektoren stärken

Gerade bei der Digitalisierung und grünen Technologien sind China und die USA weit voraus. Aber auch Deutschland hat weiterhin Stärken. Von Automatisierungstechnologien über Bionik, Robotik, Wasserstoff und Wasserturbinen bis hin zu innovativen Zulieferern - sie alle profitieren von fundierter Ausbildung und und starker öffentlichen Forschung. Wer die stärkt und weiter vernetzt, fördert auch die Chancen deutscher Zukunftsbranchen.
Handwerkslehrling bei der Arbeit
Das belegen aktuelle Zahlen zur Konjunktur-Entwicklung. Viele Mittelständler leiden unter Fachkräftemangel, bürokratischem Aufwand und der Zurückhaltung bei Investitionen. 13.08.2024 | 1:34 min

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Quelle: dpa

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