Präkrastination: Der Drang, Aufgaben sofort zu erledigen

Zwischen Tatendrang und Stress:Präkrastination: Wenn sofortiges Handeln zum Zwang wird

von Sabine Meuter

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Es ist das Gegenstück zur Aufschieberitis: Präkrastination. Dabei werden Aufgaben sofort erledigt - oft ohne Sinn. Warum das belastend sein kann und wie man Gelassenheit trainiert.

Ein Mann sitzt mit verbissenem Gesicht vor dem Laptop und schreibt eifrig auf einen Block.

Es kann unangenehm sein, wenn Aufgaben nicht erledigt werden, weil sie vergessen wurden. Wer aber aus Angst davor seinen Workload zu stark erhöht, riskiert negative Folgen.

Quelle: imago/Depositphotos

Wer To-do-Listen führt, kennt das befriedigende Gefühl, eine Aufgabe abzuhaken. Doch sogenannte Präkrastinierer verspüren einen inneren Drang, Dinge sofort zu erledigen - selbst dann, wenn es weder notwendig noch effizient ist.

Wann dieser Tatendrang hilfreich sein kann, wann er Stress erzeugt und wie man ihn Schritt für Schritt in Gelassenheit verwandelt.

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Ehrgeiz und mentale Belastung

Präkrastinierer sind zumeist sehr ehrgeizig und wollen Leistungen zeigen. Hinter diesem Antrieb steckt jedoch nicht nur der Wunsch, etwas zu erreichen, sondern auch das Bedürfnis nach Entlastung. Viele haben permanent das Gefühl, zu viel im Kopf zu haben. Wirtschaftspsychologin Saskia Bülow erklärt:

Präkrastinierer leben mit der ständigen Angst, etwas Wichtiges zu vergessen.

Saskia Bülow, Wirtschaftspsychologin

Aus Sorge, als unzuverlässig wahrgenommen zu werden, handeln sie lieber sofort. "Dass Betroffene Aufgaben unmittelbar angehen und sich nicht um eine Prioritätensetzung kümmern, geschieht oft unbewusst", so Bülow.

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Evolution des Eifers: Warum wir sofort handeln wollen

"Präkrastination ist womöglich auch ein Überbleibsel der Evolution", so Bülow. Denn schon vor Urzeiten sei es überlebenswichtig gewesen, die niedrigsten Früchte umgehend vom Baum zu pflücken oder sofort etwas zu essen. Dieses Verhaltensmuster des unmittelbaren Handelns präge im übertragenen Sinn immer noch viele, so die Wirtschaftspsychologin. "Präkastinierer glauben, dass ihnen sofortiges Handeln einen Vorteil verschafft."

"Krastinieren" ist eine Ableitung aus dem Lateinischen: "Cras" heißt übersetzt "morgen". Präkrastinieren bedeutet also, etwas vor morgen zu erledigen - umgehend und ohne jeglichen Zeitverlust. Das Phänomen hatte erstmals der Psychologe David A. Rosenbaum 2014 in Studien beschrieben.

Demgegenüber ist Prokrastination der Fachbegriff für ein ständiges Aufschieben von Tätigkeiten. Hierbei kann es sich um wichtige, unangenehme oder aufwendige Aufgaben handeln, die man vor sich herschiebt.


Wann schnelles Handeln nützlich sein kann

Wer Dinge umgehend angeht, verschafft sich nicht nur einen freien Kopf, sondern auch ein Glücksgefühl beim Abhaken. In manchen Fällen folgt darauf auch Anerkennung - etwa von Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen. "Das macht stolz", sagt Bülow.

Ein weiterer Vorteil sei, dass vor Abgabeterminen keine Hektik aufkomme, schließlich sei alles frühzeitig erledigt worden, so Bülow.

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Warum Präkrastination oft Stress und Fehler fördert

Eigentlich könnte man zu dem Schluss kommen, es sei eine gute Vorgehensweise, sofort auf E-Mails zu antworten oder neue Arbeit umgehend auszuführen. Doch wenn das Präkrastinieren zwanghaft erfolgt, könne es enormen Stress verursachen, warnt Bülow.

Oft macht es überhaupt keinen Sinn, sofort mit einer Aufgabe anzufangen.

Saskia Bülow, Wirtschaftspsychologin

Möglicherweise seien die Vorgaben noch nicht richtig ausgereift. "Dadurch kann viel Produktivität verloren gehen", gibt Bülow zu bedenken. Wer Aufgaben schnell vom Tisch haben möchte, riskiert darüber hinaus oberflächliche Arbeitsergebnisse und häufige Fehler.

Schließlich besteht ein hohes Risiko für einen Burn-out, weil sich Betroffene kaum Pausen gönnen und viele Überstunden anhäufen. Eine ausgewogene Work-Life-Balance gibt es bei Präkrastinierern zumeist nicht.

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Wie man Präkrastination Schritt für Schritt ablegt

"Der erste Schritt besteht darin, innezuhalten und sich selbst zu reflektieren", sagt Bülow. Darauf aufbauend gibt die Expertin folgende Tipps für einen gelasseneren Alltag:

  • Planen statt handeln: Aufgaben nach Priorität sortieren und realistisch angehen. Nicht alles ist gleich dringlich.
  • Grenzen ziehen: Arbeitszeiten einhalten, pünktlich Feierabend machen und auch einmal Nein sagen dürfen.
  • Abschalten lernen: In der Freizeit E-Mail-Programme geschlossen lassen und das Handy deaktivieren, um wirklich zur Ruhe zu kommen.

Wer lernt, Tempo herauszunehmen und Prioritäten zu setzen, gewinnt nicht nur Gelassenheit, sondern auch Energie für das Wesentliche.

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