Letzte-Hilfe-Kurs für Kinder: Lernen, Abschied zu nehmen

Letzte-Hilfe-Kurse für Kinder:Kinder und Jugendliche lernen den Umgang mit dem Sterben

von Anja Braunwarth und Maurice Göbel

|

In Erste-Hilfe-Kursen wird geübt, Leben zu retten. Doch was tun, wenn ein Leben zu Ende geht? Das lässt sich in einem Letzte-Hilfe-Kurs lernen - auch von Kindern und Jugendlichen.

Drei Kinder sitzen nebeneinander. Zwei Jungs üben, wie man sich gegenseitig den Mundraum reinigt.

Wie man über den Tod sprechen und Sterbende begleiten kann, vermitteln Letzte-Hilfe-Kurse. Die gibt es auch für Kinder und Jugendliche.

10.12.2025 | 5:17 min

Tod und Sterben sind in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu. Gerade Kinder und Jugendliche werden oft von dem Thema ferngehalten, da viele Eltern sie schützen möchten. Doch Untersuchungen zeigen: Die Mehrzahl der Heranwachsenden wird mit einem Todesfall im engeren Umfeld konfrontiert.

Auch Kinder und Jugendliche sollten daher für das Thema sensibilisiert werden, sagt Georg Bollig, Notfall- und Palliativmediziner aus Schleswig.

Eine Hand wird gehalten auf einer Palliativstation

Mit Zeit, Zuwendung und Therapien schenkt das Palliativteam der Uniklinik Düsseldorf unheilbar kranken Menschen Lebensqualität. Ein berührender Blick in einen oft übersehenen Bereich.

25.07.2025 | 18:47 min

Altersgerecht über den Tod sprechen

Kinder gehen in der Regel unverkrampfter mit dem Tod um, erklärt Bollig. Sie würden Fragen stellen und suchten Antworten. Die bekommen sie in Letzte-Hilfe-Kursen, die der Mediziner ins Leben gerufen hat.

Hauptziel ist es, offen über Tod und Sterben zu reden und die Angst vor dem Thema abzubauen.

Dr. Georg Bollig, Letzte Hilfe Deutschland

Letzte-Hilfe-Kurse für Erwachsene gibt es bereits seit rund zehn Jahren. Seit 2018 werden sie auch für Kinder und Jugendliche angeboten. Bisher haben rund 120.000 Kinder und Erwachsene an den Kursen teilgenommen. Sie bestehen aus vier Modulen und dauern rund vier Stunden.

Der Verein Letzte Hilfe hat die Daten von mehr als 2.500 Kindern und Jugendlichen aus neun Letzte-Hilfe-Kursen ausgewertet. 84 Prozent der Teilnehmer hatten demnach schon einmal im Familien- oder Freundeskreis einen Todesfall erlebt. Die Kurse fanden mehr als 90 Prozent hilfreich und würden sie zu knapp 80 Prozent weiterempfehlen.

Die Teilnehmer fanden es gut, offen und locker über das Thema sprechen zu können. Den Kindern und Jugendlichen gefielen aber auch die praktischen Tipps zum Lindern von Leiden. Viele gaben aber an, dass sie am liebsten ohne ihre Eltern über Tod und Sterben reden möchten. Das unterstreicht die Problematik, dass Eltern ihre Kinder oft vor dem Thema Tod schützen wollen und Gespräche darüber vermeiden.


Tod als Teil des Lebens akzeptieren

Das erste Modul befasst sich mit dem Thema Sterben selbst. In Gesprächen und Videos wird vermittelt, dass Sterben Teil des Lebens ist. Die Kinder werden ermuntert, ihre Gedanken und Gefühle dazu zu äußern und sich miteinander auszutauschen. Sie erfahren auch, was beim Sterbeprozess eines Menschen passiert und wie lange er sich hinziehen kann.

Eine Kinderhand hält den Daumen einer Erwachsenen

Wie kann ich helfen, wenn ein geliebter Mensch schwer erkrankt, es vielleicht aufs Ende zugeht? Medizinisch, emotional und auch ganz praktisch: Helfen kann man lernen.

17.10.2024 | 29:48 min

Warum Vorsorge wichtig ist

Das zweite Modul beinhaltet Vorsorgen und Entscheiden. Die Kinder und Jugendlichen erfahren unter anderem, welche Hilfsangebote und Netzwerke es für Menschen am Lebensende gibt und was Begriffe wie Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen bedeuten.

Zusammenarbeit in Krisenzeiten

Dass man schwierige Situationen am besten im Team löst, wird spielerisch vermittelt - etwa mit einem Ball und der Aufgabe, diesen zusammen in der Luft zu halten. Abwechslung in den Kursen sei wichtig, erklärt Bollig.

Wir setzen Videos, Musik und Bewegung ein, damit den Kindern und Jugendlichen nicht langweilig wird.

Dr. Georg Bollig, Palliativmediziner

Da jede Gruppe andere Fragen und Themen mitbringe, verlaufe jeder Kurs individuell, so der Mediziner.

Ashley kniet an einem mit bunten Blumen bepflanzten Grab. Mit dem rechten Arm umklammert sie ein Stofftier. In der linken Hand hält sie einen pinkfarbenen Briefumschlag mit der Aufschrift "An Mama". Auf dem Grab liegt ein herzförmiger Grabstein mit der Aufschrift "Sylvia Sold - *1.3.1973 - +1.5.2022". Im Hintergrund stehen grüne Büsche und Bäume.

Der Tod von Geschwistern oder eines Elternteils ist für Kinder ein traumatisches Erlebnis. Oft werden sie in ihrer Trauer missverstanden, vernachlässigt oder völlig vergessen.

24.09.2024 | 28:38 min

Wie sich Leiden lindern lässt

Im dritten Modul geht es um Leiden lindern. Es wird erklärt, dass Sterbende Symptome wie Atemnot, Übelkeit oder Schmerzen haben können und wie diese behandelt werden. Die Teilnehmer lernen auch, wie sie in der Praxis selbst helfen können. Bei Mundtrockenheit etwa können sie den Mund über Stäbchen mit Flüssigkeit befeuchten, erklärt Bollig.

Die Kinder merken, dass auch sie helfen können und keine Angst vor dem Sterbenden haben müssen.

Dr. Georg Bollig, Palliativmediziner

Wichtig sei dabei, dass Eltern und Erwachsene die Grenzen der Kinder akzeptieren, so Bollig weiter.

Trauerredner Frank Beckert an der Kanzel

Der Tod markiert einen tiefgreifenden Einschnitt im Leben. Damit umzugehen, fällt vielen schwer. Trauerredner wie Frank Beckert suchen nach Worten für einen würdevollen Abschied.

21.11.2025 | 3:21 min

Wie man Abschied nimmt

Am Ende des Kurses steht das Abschiednehmen. Die Kinder und Jugendlichen bekommen Antworten auf zentrale Fragen wie: Was passiert nach dem Tod? Welche Formen der Beerdigung gibt es? Und sie sollen begreifen, dass sie ein Recht auf Trauer haben und wie sie damit umgehen können.

Manchen Kindern hilft es, dem Verstorbenen etwas in den Sarg oder für die Urne mitzugeben, sei es ein geliebtes Stofftier oder einen Brief. Abschied, Erinnerung und Trauer sollen als natürlicher Teil des Lebens akzeptiert werden.

Eine Urne und ein Holzkreuz stehen in einem Friedwald.

Wie gehen Menschen heutzutage mit dem Tod um, wie trauern sie, und wie hat sich die Bestattungskultur gewandelt?

31.10.2024 | 43:55 min

Auch Erwachsene können Hilfe finden

Letzte-Hilfe-Kurse für Erwachsene sind ähnlich aufgebaut wie für junge Teilnehmer. Hier dominieren aber Gespräche und der Austausch untereinander. Außerdem gehört bei Kindern und Jugendlichen eine pädagogische Fachkraft zum Kursteam.

Für die Zukunft wünscht sich Georg Bollig, dass Letzte-Hilfe-Kurse auch in Schulen angeboten werden. Ziel müsse es sein, möglichst viele Menschen auf den Umgang mit dem Tod vorzubereiten und Tabus abzubauen.

Nachhaltige Bestattungen
:Urne aus Pilzen: Revolution auf dem Friedhof?

Sie wächst in wenigen Tagen, zersetzt sich in Wochen und kostet weniger: Wie eine Bio-Urne aus Pilzen den Abschied neu definieren soll.
Emma Klattenhoff, Kiel
Herstellung von Urnen aus Pilzen

Icon von whatsapp
Quelle: dpa

Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.


Über dieses Thema berichtete das ZDF in der Sendung "Volle Kanne" am 10.12.2025 ab 09:05 Uhr.

Mehr zum Thema Sterben und Tod

  1. Ältere Person im Rollstuhl hält die Hand einer Pflegefachkraft.

    Hospiz und Palliativversorgung:Wie schwerstkranke Menschen betreut werden

    von Vicky Hoffmann
    mit Video18:47

  2. Frau unterschreibt Testament.

    Was kostet der Tod?:Für die eigene Bestattung vorsorgen

    von Maren Kaps
    mit Video26:55

  3. Symbolbild: Ein Grabstein mit Herbstlaub bedeckt.

    Bestattungskultur im Wandel:Wird der Grabstein bald überflüssig?

    von Michael Kniess

  4. Typical: Vorsorgevollmacht

    Regelungen für Ernstfall treffen:Vorsorgevollmacht: Wer entscheidet für mich?

    von S. Hahn und A. Geburtig
    mit Video3:43

Weitere Gesundheits-Themen

  1. Eine Person in medizinischem Kittel hält das anatomische Modell eines Gehirns in der Hand, dessen Hälften verschieden eingefärbt sind.

    Brain Fog: Nebel im Kopf:Wie eine Krebserkrankung das Gehirn beeinträchtigt

    von Anja Braunwarth
    mit Video5:25

  2. Das rechte Ohr eines Mannes in Nahaufnahme.

    Innenohr aus dem Gleichgewicht:Morbus Menière - Was hilft bei starkem Schwindel?

    von Olaf Schwabe
    mit Video5:16

  3. Eine Frau sitzt mit einer Decke um die Schultern auf einem Sofa und schaut auf ein Tablet, das vor ihr steht.

    Künstliche Intelligenz statt Arztbesuch:Können KI-Chatbots den Gang zum Arzt ersetzen?

    von Anja Braunwarth
    mit Video4:55

  4. Ein geöffneter Cremetiegel mit Inhalt steht im Badezimmer.

    Hyaluronsäure in Kosmetik:Was Hyaluron-Produkte für die Haut bewirken

    von Corinna Klee
    mit Video4:13