Vereinte Nationen in der Kritik:80 Jahre UN: Erfolgsgeschichte trotz Schwächen?
von Louisa Hadadi
Vor 80 Jahren trat die UN-Charta, das Gründungsdokument der Vereinten Nationen, in Kraft. Damit begann eine neue Völkerrechtsordnung. Doch wo stehen die UN heute?
80 Jahre Vereinte Nationen: Weltordnung im Umsturz, Diktatoren und Populisten an der Macht. Jo Schück fragt, ob das Völkerrecht noch trägt oder ob die internationale Ordnung neu zu denken ist.
24.10.2025 | 42:00 minDen Weltfrieden wahren, die internationale Zusammenarbeit stärken, Menschenrechte fördern - das sind die Ziele, die sich die 51 Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen mit der UN-Charta im Jahr 1945 gaben.
Forum für die gesamte Welt
Erst seit 1973 ist Deutschland UN-Mitglied - sowohl die BRD als auch die DDR traten am 18. September der Organisation bei. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war ein Beitritt zunächst undenkbar. Heute sind fast alle Staaten der Welt in den UN vertreten. Das mache die Vereinten Nationen so einzigartig, sagt Hannah Birkenkötter, Professorin für Völkerrecht am Instituto Tecnológico Autónomo de México:
Die UN sind die einzige internationale Organisation, die eine globale Mitgliedschaft hat, und gleichzeitig ein universelles Mandat hat, sich also mit allen Themenbereichen beschäftigen kann.
Hannah Birkenkötter, Völkerrechtlerin
Gemäß der UN-Charta beruhen die Vereinten Nationen auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit aller Mitglieder. Heißt: Jeder der 193 Mitgliedstaaten hat in der UN-Generalversammlung genau eine Stimme. Die dort beschlossenen Resolutionen sind häufig politischer Natur, verurteilen beispielsweise den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Am 24. Oktober 1945 trat die Charta der Vereinten Nationen in Kraft. Zuvor unterzeichneten die Gründungsmitglieder den völkerrechtlichen Vertrag bei einer Konferenz in San Francisco.
Quelle: imago imagesUN-Sicherheitsrat: Mächtig, aber oft gelähmt
Trotzdem haben manche Staaten bei den Vereinten Nationen mehr Macht als andere. Das zeigt sich besonders im wichtigsten Organ der UN, dem Sicherheitsrat. Als einziges UN-Organ kann er rechtlich verbindliche Entscheidungen treffen.
Er kann beispielsweise Sanktionen verhängen oder Untersuchungsmissionen einsetzen. 15 Staaten gehören ihm an, zehn davon werden regelmäßig neu gewählt. Deutschland bewirbt sich derzeit um einen Sitz.
Die UN-Sanktionen gegen Iran sind wieder in Kraft. Unter anderem, weil das Land Uran weit mehr anreichert als erlaubt. Iran hat eine scharfe Reaktion angekündigt.
28.09.2025 | 1:35 minChina, Frankreich, Russland, Großbritannien und die USA hingegen sind ständige Mitglieder und haben ein Vetorecht. Während Frankreich und Großbritannien ihr Vetorecht seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr nutzten, machen die USA, China und Russland davon regelmäßig Gebrauch, um Entscheidungen zu blockieren, die sie oder ihre Verbündeten betreffen. Bisherige Bemühungen, das Vetosystem zu reformieren, sind gescheitert.
Im September haben die USA im UN-Sicherheitsrat erneut eine Resolution zur Verbesserung der humanitären Lage in Gaza blockiert. Die anderen 14 Länder stimmten für die Beschlussvorlage.
19.09.2025 | 0:21 minUN als Hort der Menschenrechte
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Vereinten Nationen ein umfassendes System universaler Menschenrechte etabliert. Neben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 gibt es mittlerweile viele weitere spezielle Menschenrechtsverträge, beispielsweise für Kinder oder für Menschen mit Behinderung.
Die Vereinten Nationen wollen den Karibikstaat Haiti sicherer machen. Der UN-Sicherheitsrat hat eine internationale Mission genehmigt, die gegen bewaffnete Banden vorgehen soll.
01.10.2025 | 0:27 minMenschenrechte werden zwar immer wieder verletzt. Das schmälert nicht ihre Geltung, so Völkerrechtsprofessorin Hannah Birkenkötter:
Die UN haben einen Normenbestand geschaffen, der Orientierung bietet, auf den man sich berufen kann. Das macht die Handlungen mächtiger Akteure rechtfertigungsbedürftig.
Hannah Birkenkötter, Völkerrechtlerin
Darüber hinaus regeln die UN vieles, das sich im Alltag der Menschen auswirkt: von Handelsabkommen über Bildungskampagnen bis zur Kooperation bei Unterseekabeln, ohne die es kein Internet gäbe. Menschen, die in Krisengebieten leben, sind besonders von humanitärer Hilfe der UN abhängig.
Gravierendste Krise der UN seit Gründung
Aktuell stecke die UN in der gravierendsten Krise seit ihrer Gründung, so Alexandra Kemmerer, Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Mit den USA falle ein zentraler Garant weg.
Die Existenz der UN hängt davon ab, ob es gelingt, wieder alle führenden Staaten einzubinden und für die Achtung der völkerrechtlichen Ordnung, die durch die UN-Charta begründet wurde, zu gewinnen.
Alexandra Kemmerer, Völkerrechtlerin
Trotz aller Schwächen seien die UN eine große Errungenschaft, sagt Kemmerer. Mit den UN gebe es ein Forum, um große planetarische Probleme von existenzieller Bedeutung zu behandeln.
Dass die UNO nichts auf die Kette bekäme, sei falsch, so Politikwissenschaftler Marco Overhaus. Die UNO habe bereits in vielen Kriegen vermittelt.
23.09.2025 | 19:11 minDoch den UN wurde in der Vergangenheit immer wieder Versagen vorgeworfen. So konnten sie weder den Genozid in Ruanda im Jahr 1994 noch das Massaker in Srebrenica im Juli 1995 aufhalten, was auch an ihrem eingeschränkten Mandat lag.
Letztlich können die Vereinten Nationen nur so mächtig sein, wie ihre Mitglieder es zulassen. Und:
Die Zukunft der UN hängt auch davon ab, ob die Weltbevölkerung überzeugt ist, dass es ein Gewinn ist, in einer verlässlichen globalen Ordnung zu leben, in der Menschenrechte für alle gelten.
Alexandra Kemmerer, Völkerrechtlerin
Louisa Hadadi ist Redakteurin in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.
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