Streit um Atomprogramm:UN-Sanktionen gegen Iran: Wie geht es jetzt weiter?
Wegen seines Atomprogramms steht Iran wieder unter UN-Sanktionen. Politologin Geltinger plädiert mit Blick auf mögliche Gespräche nun dafür, "mehr Druck auf das Regime aufzubauen".
Das Gespräch mit Iran-Expertin Lisa-Marie Geltinger im Video.
28.09.2025 | 27:28 minZehn Jahre nach Abschluss des internationalen Atomabkommens mit Iran gelten die damals unter Vorbehalt aufgehobenen UN-Sanktionen wieder. Die Vereinten Nationen setzten in der Nacht zum Sonntag ein Waffenembargo und weitere Strafmaßnahmen gegen den Iran wegen kontinuierlicher Missachtung der Vereinbarung wieder in Kraft.
Im Gespräch mit ZDFheute live spricht Politikwissenschaftlerin Lisa-Marie Geltinger von der Uni Regensburg über die gegen Iran erhobenen Vorwürfe und wie es mit Blick auf mögliche Verhandlungen weitergehen könnte.
Sehen Sie das Interview oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Geltinger zu der Frage, ...
… worin der Vorwurf gegen Iran besteht
Die europäischen Mitgliedsstaaten, erklärt Geltinger, argumentieren, Teheran habe die Auflagen des Iran-Deals in den vergangenen acht Jahren immer wieder verletzt. Als Beispiel nennt die Expertin hier die Beobachtung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, wonach Iran Uran auf 60 Prozent anreichert habe. Laut des Abkommens hätte das Land nur zu "friedlichen Zwecken anreichern" dürfen. Dafür reiche eine Anreicherung auf 3,67 Prozent.
Außerdem habe Iran sich nicht daran gehalten, der IAEA Zugangsmöglichkeiten zu ihren Nuklearanlagen zu verschaffen. Immer wieder seien Kameras abmontiert worden, sodass "die IAEA keine lückenlose Überwachung und Kontrollfunktion hatte". So habe sie nicht verifizieren können, was in den Nuklearanlagen passiert.
Seit heute Nacht sind die UN-Sanktionen gegen Iran wieder in Kraft. Auch, weil das Land Uran weit mehr anreichert als erlaubt. Iran hat eine scharfe Reaktion angekündigt.
28.09.2025 | 1:35 minGeltinger merkt dabei an, der Irrtum mit Blick auf den Iran-Deal habe darin gelegen, dass man gehofft habe, durch wirtschaftliche Einbindung Teherans könne man eine Verhaltensänderung des Regimes herbeiführen.
Das habe man nicht geschafft, sagt die Expertin, die zwei Gründe dafür sieht. Zum einen sei Iran "ein sehr stark ausgeprägtes ideologisches Regime".
Der Islamischen Republik geht es um das Überleben des Regimes, um das Überleben einer kleinen Minderheit.
Lisa-Marie Geltinger, Politikwissenschaftlerin
Dem Machtapparat gehe es nicht darum, "Wohlstand anzuhäufen für die iranische Bevölkerung, die das dringend nötig hätte". Zum anderen habe sich Teheran durch Russland und China Schlupflöcher zu eigen gemacht. Die Expertin erklärt: "Wir können das Sanktionsnetz ja immer enger spannen, aber das heißt eben nicht, dass es lückenlos funktioniert." China etwa sei der größte Abnehmer iranischen Öls.
UN-Sanktionen wieder in Kraft getreten. ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa mit einer Einschätzung.
27.09.2025 | 2:10 min… wie die Sanktionen genau aussehen
Bei den nun wieder in Kraft gesetzten UN-Sanktionen gehe es vor allem um ein "groß angelegtes Waffen-Embargo". Aber auch der Finanz- und Bankensektor sei betroffen. Geltinger betont, es gehe dabei nicht um "Sanktionen im humanitären Bereich". Vor allem die Lieferketten im Medikamentenbereich würden nicht unterbrochen.
Lebenswichtige Medikamente sind jetzt nicht von den UN-Sanktionen betroffen.
Lisa-Marie Geltinger, Politikwissenschaftlerin
Dennoch räumt die Expertin ein, dass Teheran auch hier Schlupflöcher gefunden habe. Der humanitäre Sektor sei so stark mit dem iranischen Staat verflochten, dass Gelder und Medikamente, die eigentlich der iranischen Bevölkerung zu Gute kommen sollten, immer wieder an Terrororganisationen wie die Hamas oder die Hisbollah abflössen.
Die Iraner selbst hätten dabei "in den letzten Jahren durchaus begriffen", dass es ihnen nicht nur aufgrund der Sanktionen schlecht gehe, "sondern vor allem wegen des Missmanagements und der Korruption und diesen mafiösen Strukturen, die die Islamische Republik in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat".
Zwei Monate nach dem Krieg mit Israel bleibt Iran im Alarmzustand. Drohungen und Sanktionen verunsichern das Land. Doch inmitten des Chaos gibt es auch Menschen, die Hoffnung bringen.
03.09.2025 | 6:31 min… wie es mit Blick auf mögliche Verhandlungen jetzt weitergeht
"Die Chancen für eine diplomatische Lösung sind natürlich immer gegeben", glaubt die Expertin. Diplomatie finde dabei aber auch "in Kombination mit wirtschaftlichem Druck statt".
Ich denke, wichtig ist, dass wir uns nicht wie in der Vergangenheit von Iran erpressen lassen.
Lisa-Marie Geltinger, Politikwissenschaftlerin
Die Drohung, Iran werde aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten, sei "gewohnte Rhetorik, die wir auch in den letzten Jahrzehnten immer wieder gesehen haben". Hier gebe es noch sehr viel Potenzial, mehr Druck auf das Regime aufzubauen. Eine Rolle spielten dabei auch die "gezielten Tötungen" wichtiger Kommandeure und Generäle der Revolutionsgarden seitens Israels.
Da ist im Machtapparat schon einiges weggebrochen.
Lisa-Marie Geltinger, Politikwissenschaftlerin
"Was die Europäer da machen, ist so ziemlich das Schärfste, was sie machen können", sagt ZDF-Reporter Kynast über den Mechanismus zur Reaktivierung der Sanktionen gegen Iran.
29.08.2025 | 2:06 minIrans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei müsse das "jetzt erstmal austarieren". Die Expertin geht daher davon aus, dass Teheran vorerst keine überstürzten Entscheidungen treffen werde. Mit Blick auf Israels Angriff auf Irans Atomanlagen im Sommer merkt die Expertin außerdem an:
Man hat das Atomprogramm Irans um circa ein bis zwei Jahre zurückgeworfen.
Lisa-Marie Geltinger, Politikwissenschaftlerin
Das sei deshalb wichtig, weil man dadurch Zeit gewonnen habe, in der man Teheran womöglich "wieder an den Verhandlungstisch" zurückbekommen könne. Laut Geltinger sei dabei ein wichtiger Punkt, dass die wieder in Kraft getretenen Sanktionen auch die Geschlossenheit von Europäern und Amerikanern zeigten. Wichtig sei nun, diese Sanktionen auch umzusetzen, "um den Druck auf Teheran zu erhöhen".
Das Gespräch für ZDFheute live führte Alica Jung, zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteurin Clara Eberle.
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