Steuerschätzung:Warum der Spardruck trotz Mehreinnahmen hoch bleibt
von Jan Henrich
Die Staatseinnahmen könnten laut aktueller Steuerschätzung stärker steigen als bislang erwartet. An einem harten Sparkurs wird das aber vermutlich nichts ändern.
Bis 2029 soll das Steuerplus rund 33,6 Milliarden Euro betragen – allerdings nur bei Ländern und Kommunen, der Bund geht wohl leer aus.
23.10.2025 | 1:46 minGleich mehrfach betonte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) in seiner Pressekonferenz, dass die Steuerschätzung kein Grund sei, sich zurückzulehnen. Mehr als ein guter Anfang seien die aktuellen Zahlen nicht.
Bund, Ländern und Kommunen stehen bis 2029 voraussichtlich um 33,6 Mrd. Euro höhere Einnahmen zur Verfügung, als noch zuvor erwartet. Das schafft Begehrlichkeiten. Doch angesichts der drohenden Haushaltslücken könnte das Geld schnell verpuffen.
Wirtschaft trotz positiver Entwicklungen in "schwierigem Fahrwasser"
Hauptgrund für die voraussichtlichen Mehreinnahmen ist die wirtschaftliche Entwicklung. Die Staatskasse wird vom erwarteten Wachstum profitieren. Um das zu erreichen, habe die Bundesregierung den richtigen Weg eingeschlagen, so Klingbeil. Sondervermögen, Wachstumsbooster, Senkung der Energiepreise für Unternehmen und Beschleunigung von Verfahren - all das seien Maßnahmen, die sich künftig oder bereits jetzt positiv auswirken würden.
Wir haben innerhalb kurzer Zeit wichtige Impulse für mehr Wachstum gesetzt.
Lars Klingbeil (SPD), Bundesfinanzminister
Gleichzeitig dämpft der Finanzminister bereits hier die Erwartungen. Die exportorientierte Industrie befinde sich weiterhin in schwierigem Fahrwasser. Es müssten mehr private Investitionen nach Deutschland fließen. Heißt: Das Fragezeichen bleibt, wie nachhaltig viele der aus Schulden finanzierten Wachstumsanreize wirken.
Weil Länder und Kommunen bei der Steuerschätzung so gut abschneiden, will Finanzminister Klingbeil ihnen kein zusätzliches Geld bereitstellen - das trifft auf Unverständnis.
23.10.2025 | 1:32 minUnterschiede bei Mehreinnahmen zwischen Bund, Länder und Kommunen
Bei der Steuerschätzung fällt zudem auf, wie unterschiedlich sich die erwarteten Mehreinnahmen verteilen. Vor allem Länder und Kommunen profitieren und insbesondere die Haushaltsjahre 2025 und 2026 fallen voraussichtlich besser aus als bislang berechnet. Aber danach sieht es weniger rosig aus, vor allem für den Bund. Steuersenkungen für Unternehmen schlagen dort stärker zu Buche. Für den Bundesetat 2028 und 2029 haben die Steuerschätzer ihre Prognose sogar nach unten korrigiert.
ZDFheute Infografik
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Heißt: Auch wenn die Steuereinnahmen auf allen Ebenen in den kommenden Jahren insgesamt steigen, fällt der Anstieg in einigen Bereichen geringer aus als bislang erwartet. Das dürfte dem Finanzminister noch Sorgen bereiten.
So bewertet Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel die neue Steuerschätzung.
23.10.2025 | 3:52 minHaushaltsloch beim Bund klafft weiterhin
Denn ab 2027 drohen weiterhin große Lücken im Haushalt. Rund 30 Milliarden Euro fehlen im Haushaltsjahr 2027 trotz Sondervermögen und Ausnahmen für die Schuldenbremse bei Verteidigungsausgaben. Denn aufgrund von Tilgungsverpflichtungen aus der Corona-Zeit schrumpfen die Spielräume im regulären Bundeshaushalt, der noch an die Schuldenbremse gebunden ist. Daran ändert auch die neue Steuerschätzung nicht viel.
"Insbesondere für 2027 haben wir immer noch große Herausforderungen", so Wiebke Esdar (SPD).
23.10.2025 | 5:05 minUm so wichtiger war es dem Bundesfinanzminister zu betonen, dass weiterhin alle Ressorts gefordert seien, Sparvorschläge zu machen. Zu hoffen, dass sich die Lücke ohne strukturelle Veränderungen schließen könnte, sei keine Option. Heißt: Wirtschaftswachstum allein wird die haushaltspolitischen Probleme der Bundesregierung voraussichtlich nicht lösen. Am Sparkurs führt wohl kein Weg vorbei.
Grüne warnen vor Steuersenkungen auf Pump
Entsprechend kritisch sieht der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sebastian Schäfer Pläne, für weitere Steuersenkungen, unter anderem im Bereich der Gastronomie. In den öffentlichen Haushalten sei dafür momentan kein Platz, so Schäfer.
An dieser Stelle setzt die Bundesregierung die falschen Prioritäten.
Sebastian Schaefer, Grünen-Bundestagsfraktion
Er bezeichnete am Mittag die Pläne als Steuersenkungen auf Pump, die keine Wachstumswirkung hätten.
In der Regierungskoalition wird über den richtigen Weg gestritten, die Milliardenlöcher im Haushalt zu stopfen: Vermögensteuer wieder einführen, Erbschaftsteuer reformieren?
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