Masala warnt: Putin nutzt Trumps Kurs – Westen reagiert zu spät

Interview

Militärexperte Masala:"Putin gibt Trump immer wieder Brotkrumen"

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Im Ukraine-Krieg hat der Westen zu spät agiert - bei Waffen und Sanktionen. Carlo Masala warnt im ZDFheute-Interview: Russland passt sich an, will zurück ins Geschäft mit den USA.

12.06.2025, Ukraine, Kiew: Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung, und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, geben nach einem Gespräch eine Pressekonferenz.
Dort hat der Verteidigungsminister der Ukraine weitere Unterstützung zugesichert. Konkret geht es um ein Milliardenpaket für weitreichende Waffen. 12.06.2025 | 1:35 min
"Der Westen hat eine Menge liegen lassen", warnt Carlo Masala, Militärexperte und Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Waffen wie der Taurus kämen zu spät, Russland habe seine Logistik längst umgestellt.
Masala, der an diesem Donnerstagabend bei "maybrit illner" zu Gast ist, sieht ein weiteres Signal: Russland drängt zurück in die Zusammenarbeit mit den USA.

Zu Gast bei "maybrit illner" sind an diesem Donnerstag neben Carlo Masala auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, Cathryn Clüver Ashbrook und Fred Pleitgen. Sie diskutieren zu der Frage "Putins Rache, Trumps Spiel - kann Europa die Ukraine retten?" ab 22:25 Uhr im ZDF.

ZDFheute: Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete am Dienstag die jüngsten russischen Angriffe als "Terror gegen die Zivilbevölkerung" und "schwerste Kriegsverbrechen". Welche Taten könnten diesen Worten folgen?
Terror aus der Luft
Russland überzieht die Ukraine mit massiven Angriffen aus der Luft. Für viele Menschen in der Ukraine ist das kaum mehr zu ertragen. 11.06.2025 | 2:30 min
Carlo Masala: Die Ukraine braucht alles, was wir ihr geben können. Dazu würde der Taurus auch gehören. Was man aber ehrlicherweise sagen muss:

Der Taurus wäre vor Monaten extrem wichtig gewesen, um die Brücke von Kertsch zu zerstören.

Damals liefen darüber ungefähr 80 Prozent der logistischen Unterstützung für russische Truppen im Süden. Das wurde mittlerweile umgestellt, und die Brücke zu zerstören würde jetzt nicht mehr den gleichen Effekt haben.
Falls mich jemand fragen würde, würde ich sagen, der Taurus sollte geliefert werden, aber erwartet euch nicht eine großartige Veränderung an der Kriegsführung.

Prof. Dr. Carlo Masala
Quelle: unibw.de

… ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Zuvor arbeitete der Experte für Sicherheitspolitik und transatlantische Beziehungen am Nato Defence College in Rom.

ZDFheute: Was war bemerkenswert an der "Operation Spinnennetz" nach der diese Intensivierung der russischen Angriffe erfolgte?
Masala: Dass die Ukrainer in der Lage sind, in Russland Dinge zu tun, haben sie immer wieder gezeigt. Dass sie das aber so umfangreich tun, das hat jeden überrascht.
Das war ein paralleler Angriff auf vier Flugplätze. Dafür sind wohl Drohnen ins Land geschmuggelt worden, was auf ein komplettes Versagen des russischen Zolls und weiterer Behörden hindeutet. Eine Firma wurde in Russland gegründet, um LKWs für den Transport anzumieten. Das ist schon ziemlich genial gewesen.
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ZDFheute: Nun soll bereits das achtzehnte Sanktionspaket von der Europäischen Union verabschiedet werden. Hätten wir mehr tun können, um Russland das Kriegsführen zu erschweren?
Masala: Wir haben eine Menge liegen lassen. Zum Beispiel verhängen wir keine Sekundär-Sanktionen. Das heißt, wir erlauben es europäischen Firmen weiterhin, zum Beispiel nach Kasachstan zu exportieren, und die Kasachen schieben das alles nach Russland rein. Das gleiche gilt auch für die Türkei, das und für andere Länder im Kaukasus.

Außerdem beziehen wir noch immer russisches Gas in nicht unerheblicher Höhe, was Geld in die russische Staatskasse spült.

Aber wir wissen auch, dass Sanktionen nicht schnell sondern langfristig wirken.
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ZDFheute: Sehen Sie überhaupt Erfolge?
Masala: Ja. Russland ist total daran interessiert, dass die Vereinigten Staaten die Sanktionen wieder aufheben. Und das zweite ist, dass sie sehr daran interessiert sind, wieder mit der amerikanischen Luftfahrtindustrie ins Geschäft zu kommen, um Ersatzteile zu bekommen für ihre Flieger.
ZDFheute: Putin betont auch immer wieder die enge Partnerschaft mit China. Nun soll ein Dokument des Inlandsgeheimdienst aufgetaucht sein, dass die Einstufung Chinas als Feind belegt. Überrascht Sie das?
Masala:

Diese russisch-chinesische Allianz ist ja keine Liebesheirat.

Das ist ja sozusagen eine Zweckehe, um den Einfluss der USA in der internationalen Politik zu brechen. Und natürlich wissen die Russen, wie extrem abhängig sie von den Chinesen sind.

Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Putins Rache, Trumps Spiel - kann Europa die Ukraine retten?" sehen Sie diesen Donnerstag, 12. Juni 2025, um 22:25 Uhr im ZDF live im TV und im der ZDF-Streamingportal, auch auf Abruf.

Es diskutieren: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, Carlo Masala, Professor für Internationale Politik, Universität der Bundeswehr in München, Cathryn Clüver Ashbrook, Expertin für transatlantische Beziehungen und US-Politik der Bertelsmann Stiftung, und Fred Pleitgen, Auslandskorrespondent beim US-Nachrichtensender CNN.

ZDFheute: Wie schätzen Sie mittlerweile die Rolle ein, die US-Präsident Trump auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden übernehmen will? 
Masala: Donald Trump hat es bis heute nicht geschafft, Russland einseitig zu verurteilen, weil er weiterhin Interesse hat, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren.

Putin gibt Trump immer wieder Brotkrumen, aber letzten Endes hofft er darauf, dass Trump sich irgendwann mal aus diesem Konflikt zurückzieht.

Ich denke, das wird Trump auch tun, weil er realisiert, dass der Krieg noch lange dauert.
Das Interview führte Berit Suhr aus der ZDF-Redaktion "maybrit illner".

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