Debatte bei "Markus Lanz":Kanzleramtsminister: "Stadtbild"-Debatte surreal
von Felix Rappsilber
Kanzleramtsminister Frei stellt sich in der "Stadtbild"-Debatte hinter Merz. Tübingens OB begrüßt die Debatte, sie sei aber "blöd gemacht" gewesen. Kritik kommt aus Ludwigshafen.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 29. Oktober 2025 in voller Länge.
29.10.2025 | 76:30 minKanzleramtsminister Thorsten Frei hat sich in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" hinter die "Stadtbild"-Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU) gestellt.
Es war ganz offensichtlich, dass ihn eine Menge Leute missverstehen wollten. Deswegen hatten wir eine Debatte danach (...), die schon einigermaßen surreal war.
Thorsten Frei (CDU), Kanzleramtsminister
Merz hatte am 14. Oktober bei einer Pressekonferenz in Potsdam eine Debatte losgetreten, die Deutschland noch immer bewegt. Der Kanzler betonte, dass seine Regierung bei der Migration "sehr weit" sei und die Zahl der neuen Asylanträge deutlich "nach unten gebracht" habe - und fügte hinzu: "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen."
Thorsten Frei verteidigte bei "Lanz" die Wortwahl des Kanzlers. Merz habe "so klar geantwortet, dass man ihn eigentlich gut verstehen konnte".
Die Politik ringt um einen sachlichen Ton in der Debatte um die Äußerungen des Bundeskanzlers zum Stadtbild. Mehrere SPD-Abgeordnete fordern nun einen Gipfel im Kanzleramt.
27.10.2025 | 2:43 minHannovers OB: Merz-Aussage "offen für jegliche Deutung"
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay widersprach dem Kanzleramtsminister entschieden: Die "Stadtbild"-Äußerung "bleibt offen für jegliche Deutung und ich glaube, das ist das Hauptproblem und das Missverständnis".
Wohl auch deswegen hatte Regierungssprecher Stefan Kornelius später klargestellt, dass sich der Kanzler "in seiner Funktion als Parteivorsitzender" zu dem "geänderten Kurs in der Migrationspolitik der neuen Bundesregierung" geäußert habe.
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25.10.2025 | 6:00 minMerz' Aussage wurde nach Onays Ansicht zum "Problem", als er sie "nochmal bekräftigt" habe. Am 20. Oktober war Merz auf einer Pressekonferenz nach einer CDU-Präsidiumsklausur gefragt worden, wie er seine Aussage gemeint habe und ob er sie zurücknehme. Merz antwortete: "Ich weiß nicht, ob Sie Kinder haben. Und wenn unter diesen Kindern Töchter sind, dann fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und eindeutige Antwort. Ich habe gar nichts zurückzunehmen."
Daraufhin hatte das "Bündnis gegen Rechts" unter dem Motto "Feministische Kundgebung: Wir sind die Töchter" zu einem Protest vor der Parteizentrale der CDU aufgerufen.
Der dritte Anlauf, bei dem Merz versucht habe, seine Aussage einzuordnen, habe "sehr gezwungen" und "abgelesen" gewirkt, kritisierte Onay. In deutschen Städten hätten Problemlagen wie Obdachlosigkeit, sichtbare Drogenszenen und aggressive Jugendgruppen seit Corona zugenommen. Merz mache laut Onay einen Fehler:
Der Bundeskanzler suggeriert: 'Wir schieben nur genug ab und dann gibt es wieder diese heile Welt.'
Belit Onay, Oberbürgermeister von Hannover
Steinruck: Über die Hälfte der Menschen meiner Stadt plötzlich nicht mehr erwünscht
Auch Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck kritisierte bei "Lanz" die Aussage des Bundeskanzlers:
Im ersten Moment war mehr als die Hälfte meiner Stadt im Stadtbild nicht mehr erwünscht, und das ist auch bei den Menschen so angekommen.
Jutta Steinruck, Oberbürgermeisterin in Ludwigshafen
Sie sei, berichtet Steinruck, von "ganz vielen Migranten", etwa Ärzten, Krankenschwestern oder Pflegern, darauf angesprochen worden, dass die politische Rhetorik "immer schlimmer“ werde und sie Angst hätten, "nicht mehr erwünscht" zu sein. Sie betonte: "Die Menschen sehen nicht so eine ganze Pressekonferenz, die kriegen diesen Ausschnitt mit."
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21.10.2025 | 1:15 minMerz habe sich zunächst "hinter den Töchtern" versteckt, "ohne selbst klar auszusprechen, was er meint", kritisierte die Kommunalpolitikerin.
Die erste Äußerung des Bundeskanzlers sei "aus dem Zusammenhang gerissen" worden, entgegnete Kanzleramtsminister Frei. Merz habe auf die "offensichtlichen Konsequenzen ungeregelter Migration" hingewiesen, "beispielsweise in Schulen, an Bahnhöfen - überall dort, wo Integration ganz offensichtlich nicht gelang."
Palmer: "Stadtbild"-Aussage "blöd gemacht"
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer stimmte Frei zu. Ihm sei klar gewesen, dass Merz "Menschen mit Migrationshintergrund, die im Krankenhaus, in der Pflege arbeiten, die werktätig am Band sind", nicht gemeint habe. Die Verbindung zu Abschiebungen sei im Zitat enthalten gewesen, weswegen Merz sich auf die "ganz kleine Gruppe" der Ausreisepflichtigen bezogen habe.
Auch er habe eine "Veränderung im Stadtbild" bemerkt, so Palmer weiter, insbesondere an zentralen Plätzen mitten in der Stadt, "wo junge, arbeitslose Männer ohne Aufenthaltsrecht (...) nicht selten mit Drogen gehandelt haben, aggressiv waren, gepöbelt haben". Das habe "viele Menschen verstört und verschreckt, und es war lange nicht gut besprechbar".
Deswegen sei er "fast schon erleichtert" gewesen, dass der "Bundeskanzler jetzt eine Bresche schlägt und man darüber wirklich mal spricht". Er kritisierte:
Trotzdem war es blöd gemacht. (...) Merz hätte ziemlich schnell nachschieben müssen, dass er nicht alle anderen, die Migrationshintergrund haben und zu unserer Gesellschaft dazu gehören, meint.
Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen
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