Faktencheck zum ZDF-Sommerinterview mit Ines Schwerdtner

Faktencheck

Linke-Chefin im Sommerinterview:Schwerdtners Aussagen im Faktencheck

von J. Schneider, C. Greipl, V. Haller
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Linke-Chefin Schwerdtner spricht im ZDF-Sommerinterview über Krieg, die AfD, Maskendeals und Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihre Partei. Was stimmt und wo ist mehr Kontext nötig?

"Berlin direkt - Sommerinterview - Sendung vom 24.08.2025": Wulf Schmiese, Ines Schwerdtner sitzen sich gegenüber und sind im Gespräch.

Im Mai hat die Linke einen zweiten Wahlgang bei der Kanzlerwahl ermöglicht. Dafür hat die Union der Linken Zugeständnisse gemacht. Parteichefin Schwerdtner fordert diese nun ein.

24.08.2025 | 20:16 min

Die Linke-Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner hat sich in ihrem Wahlkreis Berlin-Lichtenberg den Fragen des ZDF-Sommerinterviews gestellt. Es ging dabei viel um die großen internationalen Krisen: den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, den Krieg der Hamas und Israels Reaktion in Gaza und auch wie sich Deutschland in beiden Kriegen positioniert. Zudem ging es um den Umgang der Linken mit Antisemitismus in den eigenen Reihen. Ob alle Aussagen Schwerdtners zutreffend waren und wo Kontext beim besseren Verständnis hilft, lesen Sie hier in unserem Faktencheck.

Sommerinterview Schwerdtner

Im ZDF-Interview nimmt Schwerdtner zu Antifa-Aktionen Stellung, erläutert den Deal mit der Union, setzt sich für eine Anerkennung eines Palästinenserstaats und gegen Antisemitismus ein.

24.08.2025 | 2:43 min

Gab es zu wenig diplomatische Bemühungen, um den Ukraine-Krieg zu beenden?

Antifaschisten hätten ein Selbstverteidigungsrecht, so Schwerdtner. "Wir haben da gar keinen Dissens, dass Putin ein Faschist ist oder auch ein Diktator, der in Russland, auch innerhalb Russlands, die eigene Bevölkerung bekämpft", beginnt Schwerdtner ihre Argumentation zur Lösung des Ukraine-Konflikts:

Das heißt aber nicht, dass wir gleichzeitig sagen, dass wir Waffen liefern wollen. (...) Wir können nur mit Verhandlungen zu einem Frieden kommen. Und genau das, was jetzt gerade passiert, die Verhandlungen, die gerade stattfinden, zeigt doch eindeutig, dass viele Zehntausende Tote nicht nötig gewesen wären, wenn man früher auf diplomatischen Druck, auf internationale Beziehungen gesetzt hätte.

Ines Schwerdtner, Bundesvorsitzende von Die Linke

Die EU insgesamt habe keinen Druck gemacht auf Russland, so Schwerdtner weiter. Friedenspläne aus Brasilien und Indien hätten zu wenig Beachtung bekommen. Stimmt das?

Kanadas Premierminister Carney besucht Ukraine

Im Schatten des Kriegs feiert die Ukraine ihren Unabhängigkeitstag. In einem russischen Atomkraftwerk konnte der Brand durch eine abgeschossene ukrainische Drohne gelöscht werden.

24.08.2025 | 1:30 min

Der Krieg in der Ukraine startete nicht mit der russischen Invasion im Februar 2022, sondern schon viele Jahre früher mit der Besetzung und Annektion der Krim im Jahr 2014 durch Russland. Auch in dieser Phase des Konflikts gab es schon diplomatische Bemühungen:

Die ersten großen internationalen Versuche, den Konflikt im Donbass zu entschärfen, waren die sogenannten Minsk-Abkommen (2014 und 2015) unter der Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie sahen unter anderem einen Waffenstillstand und den Abzug schwerer Waffen vor. Kurzfristig kam es auch zu Rückzügen und Gefangenenaustauschen, die Abkommen zerbrachen aber schnell an unterschiedlichen Interpretationen und anhaltenden Kampfhandlungen. Insgesamt blieb dieser Versuch ohne dauerhaften Erfolg.

Linken Parteichefin Schwerdner

Die Linke ermöglichte am 6. Mai den zweiten Wahlgang zur Kanzlerwahl. Im ZDF-Sommerinterview bestätigt Parteichefin Schwerdner, dass sie nun das Entgegenkommen der Union erwartet.

24.08.2025 | 1:45 min

Unmittelbar nach Beginn der russischen Großoffensive kam es in Istanbul zu ersten direkten Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau. Russland bot begrenzte Truppenreduzierung im Norden der Ukraine an, im Gegenzug warb man für ukrainische Neutralität und Sicherheitspakte mit Dritten - etwa der Türkei. Doch auch diese Verhandlungen scheiterten: Es gab auf ukrainischer Seite eine wachsende Skepsis, wie ernsthaft die Russen überhaupt an einer Lösung interessiert waren.

Hinzu kam auch das Bekanntwerden der Massaker von Butscha, bei denen russische Truppen in dem Kiewer Vorort über 300 Zivilistinnen und Zivilisten getötet hatten. Das Ende dieser Bemühungen kam im September 2022, nachdem Russland vier besetzte ukrainische Gebiete völkerrechtswidrig zu russischem Staatsgebiet erklärte.

Drei Jahre nach dem Massaker von Butscha

Die Stadt Butscha ist im Ukrainekrieg zu einem Sinnbild für russische Kriegsverbrechen geworden. Mehr als 500 Menschen wurden hier in den ersten Kriegswochen ermordet.

31.03.2025 | 2:32 min

Im Februar 2023 stellte China einen 12-Punkte-Plan für den Frieden vor und forderte darin einen Waffenstillstand, den Schutz von Zivilisten, humanitäre Korridore und die Wiederaufnahme von Verhandlungen. Der Plan blieb vage: Russland begrüßte ihn, die Ukraine kritisierte fehlende Forderungen nach einem Truppenrückzug von Moskau. Konkrete Fortschritte ergaben sich nicht. Ein Jahr später warben Brasilien und Indien für mehr Einbindung des "Globalen Südens". Es sollte eine internationale Friedenskonferenz geben, Indien bot sich als Moderator an. Doch beide Länder scheuten klare Kritik an Russland. Kiew sah darin eher eine Schwächung der eigenen Position.

Hat die EU zu wenig Druck gemacht auf Russland?

Die EU übte in den letzten Jahren erheblichen Druck auf Russland aus. Hauptsächlich durch umfassende Sanktionen im Finanzwesen und dem Energiesektor. 18 solcher Sanktionspakete wurden von den Mitgliedsstaaten mittlerweile schon verabschiedet. Dem neuesten Paket hatte sich auch Großbritannien angeschlossen:

Gemeinsam mit der EU greifen wir das Herz des russischen Energiesektors an.

David Lammy, Außenminister von Großbritannien

Ob diese Sanktionen und Maßnahmen "zu wenig" sind, hängt stark von der Perspektive ab: Die Wirksamkeit der Russland-Sanktionen ist umstritten. Kritiker bezweifeln, dass sie einen großen Einfluss auf die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin haben.

Befürworter hingegen verweisen darauf, dass die Strafmaßnahmen die russische Wirtschaft hart träfen und der Staat erhebliche Einnahmeausfälle zu verkraften habe. Demnach hätte Russland den Ukraine-Krieg ohne die Sanktionen möglicherweise schon lange mit einem Sieg beendet.

Wäre ein UN-Blauhelm-Einsatz eine realistische Lösung?

Zur Lösung des Konflikts schlägt Schwerdtner im Sommerinterview einen internationalen Blauhelmeinsatz der UN in der Ukraine vor:

Ich würde da sehr auf die internationale Gemeinschaft setzen, auf einen Blauhelmeinsatz. Ich glaube, es hat überhaupt keinen Sinn, da jetzt Nato-Truppen hinzuschicken oder deutsche Bundeswehrsoldaten, die als weitere Provokation gelten würden. (…) Wenn wir wirklich Frieden sichern wollen, dann müssen wir die internationale Gemeinschaft mit einem internationalen Blauhelmeinsatz von der Uno dorthin schicken und wirklich Sicherheitsgarantien für die Ukraine auch herstellen.

Ines Schwerdtner, Bundesvorsitzende von Die Linke

Ein solcher Vorschlag klingt zunächst plausibel. Die Vereinten Nationen haben in der Vergangenheit in vielen Konflikten mit Blauhelmen für Waffenstillstände gesorgt. In der Ukraine ist die Lage allerdings komplizierter.

Zentraler Knackpunkt ist der UN-Sicherheitsrat: Jeder Blauhelmeinsatz muss dort beschlossen werden. Russland hat als ständiges Mitglied ein Vetorecht und blockiert seit Kriegsbeginn alle Resolutionen, die seine Position schwächen würden. Expert*innen halten es deshalb für nahezu ausgeschlossen, dass Moskau einem solchen Einsatz zustimmt. Hinzu kommt: Blauhelme dürfen nur mit Zustimmung aller Konfliktparteien agieren. Ohne russisches Einverständnis könnte die Mission weder starten noch effektiv arbeiten.

Schwerdtners Idee eines Blauhelmeinsatzes hebt die Rolle der internationalen Gemeinschaft hervor - sie wirkt aber in der aktuellen geopolitischen Lage kaum realistisch.

Was ist dran an Schwerdtners Vorwurf, die AfD würde von Oligarchen bezahlt?

Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine kam Schwerdtner auf die AfD zu sprechen und sagte:

Es ist etwas anderes, ob wir sagen, dass wir als deutsche auch Waffen liefern wollen, oder ob wir nicht sagen, wollen wir eine Friedensmacht sein in Europa, wollen wir diejenigen sein, die Diplomatie unterstützen? Und ich finde es wichtig, dass es wenigstens eine Partei im Deutschen Bundestag gibt, die das auch konsequent vertritt und nicht eben wie die AfD bezahlt wird von Oligarchen.

Ines Schwerdtner, Bundesvorsitzende von Die Linke

Grundsätzlich wird die AfD finanziert - wie auch die anderen Parteien - durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und das Geld, welches sie durch die Parteienfinanzierung zusteht. Letztes waren im Jahr 2024 knapp 13 Millionen Euro.

Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen größere Summen auf Umwegen in der Parteikasse der AfD gelandet sind: Erst vor wenigen Tagen hat die Bundestagsverwaltung eine Wahlplakat-Spende an die AfD als unzulässige Strohmannspende eingestuft. Der deutsche Immobilienmilliardär Henning Conle soll der Partei 2,35 Millionen Euro über einen Strohmann gespendet haben, um Werbung im Bundestagswahlkampf zu machen.

Schwerdtners Oligarchen-Vorwurf zielt aber eher auf Fälle ab, bei denen direkte Zahlungen an Politiker aus Russland an AfD-Politiker geflossen sein sollen. Der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Europawahlkandidat Petr Bystron etwa soll Geld von dem pro-russischen Netzwerk "Voice of Europe" erhalten haben. Gegen den früheren AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, wurden Vorermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit eingeleitet. Er wird verdächtigt, Zahlungen aus Russland und China erhalten zu haben.

Auch ZDF frontal hatte über die Vorwürfe gegen Krah berichtet:

Maximilian Krah telefoniert mit Handy im Europaparlament

Vorwurf der Käuflichkeit, Spionage-Verdacht im eigenen Büro und fragwürdiger Content auf TikTok: Was ist los bei Maximilian Krah, dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl?

02.05.2024 | 22:01 min

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es jedoch keine rechtskräftigen Urteile in diesen Verfahren. Beide Politiker bestreiten die Vorwürfe und sehen sich als Opfer einer politischen Kampagne.

Hat Jens Spahn wirklich Milliarden "aus dem Fenster geworfen"?

Angesprochen auf die Möglichkeit, CDU-Fraktionschef Jens Spahn in einem Untersuchungsausschuss zu möglichen Geschäften mit Coronaschutzmasken zu befragen, sagte Schwerdtner, Spahn habe als damaliger Gesundheitsminister mehrere Milliarden in Masken-Deals "einfach aus dem Fenster geworfen". Was meint sie damit?

Tatsächlich bemängelt auch der Bundesrechnungshof eine "massive Überbeschaffung" von Schutzmasken und gewaltige Folgekosten. Für die 5,8 Milliarden Schutzmasken habe der Bund bis zum Jahr 2024 allein 5,9 Milliarden Euro verausgabt. Von den Masken aber seien mehr als zwei Drittel nie verwendet worden. Hinzu kämen Folgekosten durch Lagerung, Verteilung und Vernichtung. Bis Ende 2024 waren hierfür 517 Mio. Euro angefallen. Auch anhängige Rechtsstreitigkeiten mit Maskenherstellern schlagen zu Buche. Gesamtstreitwert: 2,3 Milliarden Euro. Zudem wird Spahn in einem Bericht der Gesundheitsexpertin Margaretha Sudhof vorgeworfen, Masken weit über Marktpreis eingekauft zu haben.

Maskendeals

Sonderermittlerin Sudhof hat die Maskenbeschaffungen von Spahn in der Corona-Krise untersucht und schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben. Im Haushaltsausschuss stellt sie sich den Fragen der Abgeordneten.

08.07.2025 | 1:50 min

Präventive Maßnahmen und schnelle Beschaffung sind in einer Krise wie der Corona-Pandemie entscheidend und meist auch teuer. Die bisherigen Berichte zur Maskenbeschaffung stützen jedoch einen gewissen Verdacht auf Misswirtschaft innerhalb des Gesundheitsministeriums.

Hat die Linke ein Antisemitismus-Problem?

Angesprochen auf möglichen Antisemitismus in den eigenen Reihen sagte Schwerdtner:

Wir werden Antisemitismus in jeder Form, in der Gesellschaft, in unserer eigenen Partei überall verfolgen, weil wir sagen, dass der Schutz jüdischen Lebens in Deutschland eine besondere, herausragende Rolle hat.

Ines Schwerdtner, Bundesvorsitzende von Die Linke

In ihrem Parteiprogramm bekennt sich die Linke zum Kampf gegen Antisemitismus. Doch gerade im Kontext des Nahostkonflikts wird der Partei immer wieder vorgeworfen, sich nicht konsequent dagegen einzusetzen.

Bundesparteitag Die Linke

Parteitag in Chemnitz: Die Linke feiert doppelt so viele Mitglieder, neue Stärke, alte Ziele – gegen Kapitalismus, für Umverteilung, und sie will mit der Union auf Augenhöhe reden.

09.05.2025 | 2:14 min

Als die Linke auf ihrem diesjährigen Parteitag die sogenannte "Jerusalemer Erklärung" als Antisemitismus-Definition annahm, warf Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Partei vor, "nicht an der Seite der Jüdinnen und Juden in Deutschland" zu stehen. Doch auch aus den eigenen Reihen gab es Kritik an dem Beschluss, etwa von Bodo Ramelow, dem früheren Ministerpräsident Thüringens.

Mehrere Linke-Mitglieder fordern den Parteiausschluss des Linke-Politikers Andreas Büttner, der seit Juni 2024 Antisemitismus-Beauftragter des Landes Brandenburg ist. Sie warfen ihm vor, dass er sich als "Apologet der Staatsräson" inszeniere.

Büttner sagte dem ZDF nun, man müsse mit linkem Antisemitismus offen umgehen und dürfe ihn nicht verschweigen. Außerdem gibt er an, das sich weder Schwerdtner noch Co-Vorsitzender Jan van Aken nach der Auseinandersetzung bei ihm gemeldet hätten.

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