Wehrdienstgesetz: Schülerproteste in ganz Deutschland

Schülerproteste gegen Wehrdienst-Pläne :"Schlimm, dass ich lernen soll, auf Menschen zu schießen"

von Franz-Vinzenz Reitzler

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In ganz Deutschland protestieren Jugendliche gegen die vom Bundestag beschlossene Reform des Wehrdienstes. Die Schüler pochen auf ihre Selbstbestimmung und eine Entmilitarisierung.

Schülerinnen und Schüler protestieren gegen die Reform des Wehrdienstes.

In über 90 Städten hat die Initiative Schulstreik gegen Wehrpflicht heute zu Demonstrationen gegen die Reform des Wehrdienstes aufgerufen. Dabei geht es vor allem um die verpflichtende Musterung.

05.12.2025 | 1:42 min

In ganz Deutschland protestieren Jugendliche gegen das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz. Schüler pochen auf ihre Selbstbestimmung und eine Entmilitarisierung.

Statt im Unterricht zu sitzen, tummeln sich am Mittag hunderte Schülerinnen und Schüler vor dem Göttinger Rathaus. "Gegen jede Wehrpflicht" steht in roten handgeschriebenen Lettern auf dem großen, weißen Transparent.

Laute Musik schallt aus dem Pavillon vor den Treppen des Rathauses. Die Stimmung ist entspannt, immer wieder löst sich aus der Menge sogar Gelächter. Dabei geht es auf der Demonstration um Angst.

Jeder muss selbst entscheiden, ob er zur Bundeswehr will.

Malec El-Hachachh

Jugendliche wie der 12-jährige Malec El-Hachach befürchten, dass die Reform der Bundesregierung sie zum Dienst an der Waffe, in Kampf und Krieg zwingen wird: "Das ist eine Art Freiheitsberaubung […] Ich finde, jeder muss selber entscheiden, ob er zur Bundeswehr will oder nicht."

Organisatoren fürchten verpflichtenden Wehrdienst

Auch wenn der Bundestag nur einen Wehrdienst auf freiwilliger Basis beschlossen hat, die Organisatoren des "Schulstreik gegen Wehrpflicht" befürchten, dass eine Wehrpflicht schon bald folgen wird.

05.12.2025, Rheinland-Pfalz, Koblenz: Rund 200 Schülerinnen und Schüler beteiligen in sich in Koblenz an einem Schulstreik gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ein Schüler hält ein Protestplakat aus Pappe hoch.

Aus Protest gegen die Wehrdienstpläne der Bundesregierung gibt es in vielen Städten bundesweit Schulstreiks. Dazu aufgerufen hatte ein Bündnis von Jugendorganisationen.

05.12.2025 | 0:22 min

Die Studenten Hannes Kramer und Malte Aschenbach haben die Demonstration in Göttingen in die Wege geleitet. "Heute! Demo gegen die Wehrpflicht, seid dabei!", appellieren sie schon um 07:20 Uhr, in Dunkelheit und Eiseskälte vor ihrer ehemaligen Schule, dem Hainberg-Gymnasium. Ein letztes Mal wollen sie zum Protest am Mittag mobilisieren.

Mit 60 Mitschülern bis vors Göttinger Rathaus

Der 15-jährige Felix Radenbach lässt sich überzeugen. Eigentlich hätte er heute Englisch- und Chinesisch-Unterricht, stattdessen hilft er mit.

Ich finde es schlimm, dass ich lernen soll, auf andere Menschen zu schießen.

Felix Radenbach, Schüler

Daher ist der Protest gegen die Gesetzesreform für Felix wichtiger als ein paar Fehlstunden im Zeugnis. Nach der zweiten großen Pause marschiert Felix mit rund 60 Mitschülern bis vor das Rathaus.

Schaltgespräch mit Boris Pistorius

"Die Freiwilligkeit reicht, die Bewerberzahlen zeigen das", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius im November.

13.11.2025 | 6:15 min

Die meisten Protestteilnehmer sind direkt Betroffene

Aus mehreren Schulen versammeln sich allein in Göttingen rund 500 Demonstrierende. In 89 weiteren Städten deutschlandweit sind - laut der Webseite "Schulstreik gegen Wehrpflicht" - Proteste angemeldet.

Die meisten Teilnehmer sind direkt Betroffene, also Jugendliche und junge Erwachsene, die die Auswirkungen der Reform erleben werden. "Uns wird ein ganzes Jahr geklaut", sieht sich der 15-jährige Oskar Mühl im Kampf um seine Selbstbestimmung. Er möchte sein Leben nicht riskieren.

Erst einmal Fragebogen zur Wehrbereitschaft

Dabei entspricht die von der Bundesregierung beschlossene Neuauflage des Wehrdienstes noch gar keiner Pflicht, dem Bund beizutreten. Verabschiedet wurde, dass alle deutschen Staatsangehörigen ab dem Geburtsjahr 2008 nächstes Jahr einen Fragebogen zur Wehrbereitschaft erhalten.

Frauen dürfen, Männer müssen ihn ausfüllen. "Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die freiwilligen Zahlen nicht ausreichen", beschwichtigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in einem ZDF-Interview im November.

"Man sieht ja, wie viele demonstrieren", allzu viele Freiwillige werde es also kaum geben, beobachtet der 12-Jährige Malec auf der Demonstration. Damit sei Pistorius' Versprechen auf Freiwilligkeit also kein Trost.

Abgeordnete geben bei einer namentlichen Abstimmung über das Gesetz für einen neuen Wehrdienst ihre Stimmkarten im Bundestag ab.

Der Bundestag hat dem Gesetz für einen neuen Wehrdienst zugestimmt. Sehen Sie hier die vorangegangene Debatte in voller Länge.

05.12.2025 | 67:11 min

Ab Mitte 2027 auch flächendeckende Musterung

Außerdem wird es, neben dem Fragebogen, ab Juli 2027 auch eine flächendeckende Musterung unter jungen Männern geben. Diese Prüfung auf Eignung für den Wehrdienst ist nicht freiwillig, sondern verpflichtend. Bei Eignung ist man automatisch Teil der erweiterten Reserve.

Welche Maßnahmen folgen, sollten sich nicht ausreichend freiwillige Wehrdienstleistende finden, das ist im nun verabschiedeten Gesetz noch nicht geklärt. "[…] dann werden wir uns im Parlament darüber unterhalten, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind", hatte der Verteidigungsminister gesagt.

Junge Erwachsene und Demonstranten überall in Deutschland verstehen solche Aussagen eher als persönliche Drohung, statt als Versprechen für einen verteidigungsfähigen Staat.

Franz-Vinzenz Reitzler arbeitet im ZDF-Landesstudio Niedersachsen.

Über dieses Thema berichtete das gemeinsame Mittagsmagazin von ARD und ZDF am 05.12.2025 ab 13:00 Uhr und ZDF heute - in Deutschland ab 14:00 Uhr.

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