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Bund-Länder-Arbeitsgruppe:Reformdebatte: Wie geht es weiter mit der Pflege?
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Mehr Pflegebedürftige, zu wenig Pflegekräfte, Finanzprobleme: Bei der gesetzlichen Pflegeversicherung gibt es viele Probleme: Wie ist die Situation und was soll sich ändern?
Die gesetzliche Pflegeversicherung in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: immer mehr Pflegebedürftige, zu wenig Pflegekräfte und Milliardendefizite. Die schwarz-rote Bundesregierung plant deshalb "eine große Pflegereform". Die Grundlagen dafür soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit dem Titel "Zukunftspakt Pflege" schaffen, die sich am heutigen Montag zum ersten Mal trifft.
Wie funktioniert die Pflegeversicherung, was sind die Probleme und welche Lösungsvorschläge gibt es?
Pflegeversicherung: Was zahlt man und wie funktioniert sie?
Die Pflegeversicherung gehört wie die Kranken- und die Rentenversicherung zur Sozialversicherung. Dabei gilt eine Versicherungspflicht: Gesetzlich Versicherte sind automatisch in der sozialen Pflegeversicherung versichert, privat Versicherte müssen eine private Pflegeversicherung abschließen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen paritätisch Beiträge in die gesetzliche Pflegeversicherung ein: Dies sind bundesweit - bis auf Sachsen - jeweils 1,8 Prozent des Bruttolohns. Für Kinderlose gibt es noch einen Zuschlag von 0,6 Prozent, den nur die Arbeitnehmer zahlen.
Die Versicherung zahlt Pflegebedürftigen dann Leistungen, die unter anderem vom Pflegegrad und der Art der Pflege abhängen. Die soziale Pflegeversicherung ist dabei explizit als Teilversicherung angelegt: Sie trägt nur einen Teil der Kosten, etwa für die Unterbringung in einem Heim. Den Rest, den Eigenanteil, müssen die Betroffenen oder deren Angehörige übernehmen.
Wie hoch sind die Pflegekosten für Deutschland?
Die Gesamtausgaben der Pflegeversicherung lagen 2023 bei rund 59,2 Milliarden Euro. Die Ausgaben für die ambulanten Leistungen beliefen sich auf 36,2 Milliarden Euro, für stationäre Leistungen lagen sie bei rund 19,7 Milliarden Euro.
Was sind die Probleme bei der Pflegeversicherung?
- Anstieg der Pflegebedürftigen: Dem Medizinischen Dienst des Bundes zufolge erhielten Ende 2024 rund 5,6 Millionen Menschen Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich damit in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt, Gründe sind die demografische Entwicklung und eine breitere Erfassung von Pflegebedürftigen nach einer Reform 2017. Der Anstieg dürfte noch weitergehen: Schätzungen des Statistischen Bundesamts gehen von bis zu 7,6 Millionen Pflegebedürftigen im Jahr 2055 aus.
- Finanzierung: Nach Berechnungen von Experten steuert die Pflegeversicherung in diesem Jahr auf ein Defizit von 1,65 Milliarden Euro zu, 2026 wären es demnach 3,5 Milliarden Euro und 2029 dann 12,3 Milliarden Euro. Zum ersten Januar stieg deshalb bereits der Pflegebeitragssatz um 0,2 Prozentpunkte.
- Zahl der Pflegekräfte: Bis 2034 könnten bis zu 500.000 Pflegerinnen und Pfleger fehlen, warnte schon der Deutsche Pflegerat. Zugleich stieg in den letzten Jahren die Bezahlung der Pflegekräfte. Unter anderem hat dies den Eigenanteil für die Unterbringung in einem Pflegeheim steigen lassen - teils auf bis zu 3.000 Euro monatlich.
Was plant die Bundesregierung?
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will die gesetzliche Pflegeversicherung kurzfristig mit Milliardendarlehen stabilisieren: 2025 mit 0,5 Milliarden Euro und 2026 mit 1,5 Milliarden Euro, die allerdings ab 2029 zurückzuzahlen sind. Trotz dieser Finanzspritze werden aber Lücken in Milliardenhöhe erwartet. Langfristig brauche es Strukturreformen, heißt es.
Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag "eine große Pflegereform" angehen. Dafür soll die Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Zukunftspakt Pflege" die Grundlagen erarbeiten - ein entsprechendes Gesetz soll dann Anfang 2026 kommen.
Schwarz-Rot will an die bereits von der Ampel vorgelegten Gesetze zu Pflegekompetenz und -assistenz anknüpfen. Mit dem "Pflegekompetenzgesetz" sollen Pflegekräfte mehr Befugnisse erhalten.
Welche Reformvorschläge gibt es noch?
SPD und Grüne sind für eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen. Auch wird darüber diskutiert, dass Gutverdiener höhere Beiträge leisten sollen, etwa durch eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich für mehr Eigenvorsorge ausgesprochen - er schlägt eine private Pflegezusatzversicherung vor.
Die Situation der Pflege könnte zudem verbessert werden, wenn ältere und pflegebedürftige Menschen länger in ihren eigenen vier Wänden leben können - durch Unterstützung der pflegenden Angehörigen oder soziale, hauswirtschaftliche und medizinische Angebote in Stadtteilen und Dörfern.
Experten schlagen außerdem neue Wohnformen wie etwa ambulant betreute Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationenhäuser vor. Außerdem könnten Vorbeugung und Rehabilitationsangebote dafür sorgen, dass Pflegebedürftigkeit verhindert oder aufgeschoben wird.
Quelle: AFP, KNA
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