"Letzte Verteidigungswelle": Minderjährige im Fokus der Ermittler

FAQ

Minderjährige Rechtsterroristen?:"Letzte Verteidigungswelle": Das sind die Vorwürfe

von Svenja Kantelhardt
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Ermittlern ist ein Schlag gegen eine mutmaßlich rechtsextremistische, terroristische Vereinigung gelungen. Besonders auffällig: das junge Alter der Festgenommenen.

Mutmaßliche rechte Terrorzelle: Junge Männer festgenommen
Die Bundesanwaltschaft hat fünf Mitglieder einer mutmaßlichen Terrorzelle festnehmen lassen. Die Jugendlichen sollen Anschläge auf Geflüchtete und Andersdenkende geplant haben.21.05.2025 | 2:14 min
Erst 14 Jahre alt ist der jüngste von ihnen, auch die anderen Beschuldigten sind 15- bis 21-Jährige. In den frühen Morgenstunden werden am Mittwoch fünf mutmaßliche Sympathisanten der rechtsextremistischen, mutmaßlich terroristischen Vereinigung "Letzte Verteidigungswelle" festgenommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist die "Letzte Verteidigungswelle"?

Die Organisation gründete sich nach Angaben des Generalbundesanwalts spätestens im April des vergangenen Jahres. Ihre Mitglieder verstehen sich als die letzte Instanz zur Verteidigung der "Deutschen Nation". Durch Gewalttaten wollen sie einen Zusammenbruch des demokratischen Systems herbeiführen - Ziel sind dabei vor allem Migranten und politische Gegner. Das Mittel der Wahl seien dabei häufig Brand- und Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberheime und Einrichtungen des politisch linken Spektrums - so steht es in der Pressemitteilung des Generalbundesanwalts.
Die Liste der in Frage stehenden Delikte ist lang: Neben Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung wird den Jugendlichen die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen, Sachbeschädigung, besonders schwere Brandstiftung und teilweise sogar versuchter Mord vorgeworfen. Bei drei der Festgenommenen soll es sich um führende Mitglieder der Vereinigung handeln.
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Welche Taten werden der Gruppe vorgeworfen?

Zwei der Beschuldigten wird zur Last gelegt, im Oktober letzten Jahres ein Kulturhaus in Brandenburg angezündet zu haben. Das bewohnte Gebäude brannte vollständig nieder - "lediglich durch Zufall" sei niemand verletzt worden, so der Generalbundesanwalt.
Im Januar dieses Jahres sollen zwei andere Beschuldigte in einer Asylbewerberunterkunft in Thüringen ein Fenster eingeschlagen haben. Im Anschluss haben sie nach Angaben des Generalbundesanwalts versucht, entzündete Pyrotechnik mit einer Feuerwerksbatterie ins Gebäude zu schießen. Ein Feuer brach nicht aus. Währenddessen sollen sie Schriftzüge wie "Ausländer raus", "Deutschland den Deutschen" und "NS-Gebiet" an die Wand gesprüht, Hakenkreuze und Siegrunen gemalt und den "Hitlergruß" gezeigt haben.
Zu einem weiteren im Januar geplanten Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim kam es nicht, weil andere Mitglieder der Gruppe festgenommen wurden.

Sind radikale jugendliche Straftäter eine Besonderheit?

Dass Jugendliche straffällig werden, ist zunächst nicht ungewöhnlich, erklärt Morgane Dziubek, Anwältin für Jugendstrafrecht: "Straffälligkeit ist jugendtypisch. So Sachen wie aus der Peer-Group heraus Graffiti sprayen, Sachbeschädigungen oder kleinere Diebstähle zum Beispiel."

Aber diese Taten sind extrem schwerwiegend. Sie fallen aus dem Muster der "normalen Jugendkriminalität" und schockieren.

Morgane Dziubek, Rechtsanwältin

Aber auch eine Radikalisierung kann jugendtypisch sein, ordnet Andreas Zick, Professor für Sozialisation, das Phänomen ein:

Junge Menschen sollen eine gesellschaftliche und politische Position finden. In ihrem Suchprozess sind sie verletzlicher und anfälliger für extreme Ideologien.

Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld

Erschwerend komme nun dazu, "dass wir in einer Zeit miteinander verbundener Krisen leben, die junge Menschen härter treffen und für radikale und antidemokratische Weltsichten öffnen".
Ihr junges Alter wird die Festgenommenen nicht vor Strafe schützen. Nach Ansicht des Generalbundesanwalts handelten die Festgenommenen "alle als Jugendliche mit Verantwortungsreife", beziehungsweise einer als Heranwachsender, auf den aber die Regeln des Jugendstrafrechts Anwendung finden können.

Die Strafbarkeit von Straftaten richtet sich in Deutschland nach dem Alter. Wer jünger ist als 14 Jahre, gilt nach deutschem Strafrecht als schuldunfähig und kann nicht bestraft werden.

Zwischen 14 und 17 Jahren gilt man nach dem Gesetz als Jugendlicher und kann nur dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn man "zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln".

Ist man 18 Jahre alt oder älter, aber noch unter 21, ist man Heranwachsender. Damit ist man nach dem Gesetz eigentlich alt genug, um wie ein Erwachsener behandelt und gegebenenfalls bestraft zu werden - nur ausnahmsweise soll dann noch das Jugendstrafrecht angewendet werden. Doch in der Praxis ist die Ausnahme zur Regel geworden: typischerweise werden Heranwachsende in Deutschland nach dem milderen Jugendstrafrecht bestraft.

Dieses soll weniger bestrafen und eher erziehen - und vor allem verhindern, dass die jungen Menschen nochmal straffällig werden.

Mehr neue rechte Gruppierungen von jungen Menschen?

Im letzten Sommer sind überall in der Bundesrepublik neue, junge Gruppierungen entstanden. Neben größeren Strukturen wie "Jung und Stark", "Deutsche Jugend Voran" oder "Der Störtrupp", gibt es auch regionale Vereinigungen wie die "Deutsche Rechte Jugend" in Niedersachsen oder "Unitas Germanica" in Baden-Württemberg.
Es sei "offensichtlich", dass sich "eine neue neonazistische Skinhead-Szene im Aufbau" befinde, erklärt der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern auf eine gemeinschaftliche Anfrage des "Tagesspiegel" und des ZDF.
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Rechtsextreme Straftaten erreichen 2024 einen neuen Höchststand. Darunter sind brutale Gewalttaten, die sich gegen politische Gegner richten. Wer sind die oft sehr jungen Täter? 19.03.2025 | 29:31 min
Eine besondere Rolle kommt dabei den Sozialen Medien zu: Neue Mitglieder werden gezielt auf Instagram oder Tiktok angeworben, Aktionen via WhatsApp und Telegram geplant. Daraus ergeben sich "besonders niedrigschwellige Eintrittsmöglichkeiten", sagt ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz in Sachsen.
Dass rechte Straftaten insgesamt häufiger vorkommen, zeigen die am Dienstag veröffentlichten Zahlen zu politisch motivierter Kriminalität 2024. Rechtsmotivierte Straftaten nahmen mit einer Steigerung von 47,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr am deutlichsten zu und machten im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte aller polizeilich registrierten Taten aus.

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