Fünf Jahre Haft für Linksextremistin Hanna S.

Gewalttaten in Ungarn:Fünf Jahre Haft für Linksextremistin Hanna S.

von Charlotte Greipl und Simon Pfanzelt
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Beim "Tag der Ehre" marschieren Neonazis in Ungarn auf, Linksextreme aus Deutschland greifen sie an. Eine von ihnen wurde nun wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

19.02.2025, Bayern, München: Die Angeklagte Hanna S. steht beim Prozessauftakt im Gerichtssaal.

Die angeklagte Linksextremistin wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. (Archivbild)

Quelle: dpa

Das Opfer unauffällig verfolgen, zuschlagen - und dann wieder abziehen. Es ist ein brutales Vorgehen, mit dem Linksextremisten im Jahr 2023 in Budapest Menschen angreifen.

Unter ihnen ist auch Hanna S. aus Nürnberg, eine gelernte Schreinerin. Ihr Studium an der Akademie für Bildende Kunst in Nürnberg musste sie aussetzen - seit Mai dieses Jahres sitzt sie in Untersuchungshaft.

Urteil: "Menschenjagd von Budapest" durch nichts zu rechtfertigen

Das Oberlandesgericht München sieht es als erwiesen an, dass Hanna S. sich an mehreren Angriffen beteiligte. Bei einem Überfall wurde das Opfer mit einem Teleskopschlagstock zu Fall gebracht. Mitglieder der Gruppe schlugen mit Schlagstöcken auf Kopf und Oberkörper, andere fixierten seine Beine und Arme am Boden, darunter auch Hanna S. Das Opfer erlitt Platzwunden am Kopf, Rippenbrüche und Prellungen.

Die "Menschenjagd von Budapest" sei "durch nichts zu rechtfertigen", sagte der Vorsitzender Richter in seiner Urteilsbegründung. Es gebe "keine gute politische Gewalt".

Verurteilt wurde Hanna S. wegen gefährlicher Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Mit der Verurteilung zu fünf Jahren Haft blieb das Gericht deutlich hinter der Forderung der Bundesanwaltschaft zurück, die für neun Jahre Haft plädiert hatte. Versuchten Mord konnte das Gericht nicht feststellen.

Solidaritätskundgebung für mutmaßliche Linksextremistin

Hanna S. war im Mai 2024 in Nürnberg verhaftet worden.

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Vorfälle rund um den "Tag der Ehre"

Die Opfer sind als Rechtsextreme wahrgenommene Personen, die sich zum sogenannten "Tag der Ehre" jedes Jahr in Ungarn versammeln, um eines Ausbruchsversuchs der Wehrmacht aus der von der Roten Armee belagerten Stadt im Februar 1945 zu gedenken. Militanten Linken sind diese Treffen schon lange ein Dorn im Auge. Sie kritisieren, dass die Polizei die Versammlung toleriert.

Einer der Verteidiger von Hanna S., Rechtsanwalt Peer Stolle, verteidigte das Vorgehen seiner Mandantin so auch bis zuletzt. Gewalt sei nötig, wenn der Staat versage, sagte er im Prozess.

Wie die Szene ihr Vorgehen verteidigt

Professor Dirk Baier, Soziologe an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, sieht darin eine Strategie: Man versucht sich einzureden, dass man ein hehres Ziel verfolge und das eigene Handeln daher gerechtfertigt sei:

Die Personen würden das nicht als Selbstjustiz einstufen, sondern als Dienst für die gute Sache, obwohl es von außen betrachtend völlig illegitim ist, auf Gewalt zurückzugreifen.

Dirk Baier, Soziologe

Fakt ist: Linksextremistische Gewalttaten haben in den letzten Jahren leicht zugenommen und auch die Anzahl der Personen, die dem Spektrum zugeordnet werden, ist gestiegen. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge gab es im Jahr 2024 rund 38.000 linksextremistische Personen, darunter etwa 11.000 Gewaltorientierte. Dagegen zählte der Verfassungsschutz mehr als 50.000 rechtsextremistische Personen, etwa ein Drittel davon gewaltorientiert.

Dirk Baier zufolge liegt die Zunahme auch daran, dass sich Links- und Rechtsextremismus gegenseitig aufschaukeln.

Wenn ein Extremismus stärker wird, reagiert der andere Extremismus darauf. Je stärker der Rechtsextremismus wird und je sichtbarer er wird - das ist in Deutschland der Fall - umso eher geht auch die linksextreme Szene auf die Straße und sucht die Auseinandersetzung.

Dirk Baier, Soziologe

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Urteil gegen Maja T. im Oktober

Auch Maja T. soll an den Angriffen in Ungarn beteiligt gewesen sein. Die non-binäre Person wurde zwischenzeitlich nach Ungarn ausgeliefert, entgegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Urteil soll im Oktober fallen.

In München erhält Hanna S. viel Unterstützung aus der linken und linksextremen Szene. Vor dem Gerichtssaal demonstrieren Vertreter der Antifa für Hanna S. und forderten ihre Freilassung. "Free Hanna" ist auf zahlreichen Plakaten zu lesen. Als Hanna S. den Gerichtssaal betritt, brandet Applaus auf. Standing Ovations für eine Frau, die wenig später zu fünf Jahren Haft verurteilt wird.

Charlotte Greipl ist Redakteurin bei "Recht und Justiz", Simon Pfanzelt im Landesstudio Bayern.

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