Konferenz WikiCon: Wikipedia zwischen Wahrheit und Manipulation

Konferenz "WikiCon 2025" in Potsdam:Wikipedia zwischen Wahrheit und Manipulation

von Marcus Groß
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Im kommenden Jahr wird die Wikipedia 25 Jahre alt. Fake News, KI und ein Angriff von Elon Musk: Die größte Enzyklopädie der Welt steht vor großen Herausforderungen.

Wikipedia Logo und Schriftzug

Als größte Enzyklopädie der Welt kommt Wikipedia große Bedeutung zu. Entsprechend wichtig ist der Schutz vor Manipulation. (Symbolbild)

Quelle: dpa

Ein kleiner Tagungsraum im Kongresshotel Potsdam. Journalisten und Mitarbeiter von Wikipedia berichten den Anwesenden von einem der größten bekannten Manipulationsversuche in der Geschichte der deutschsprachigen Wikipedia. Zwischen 2005 und 2010 beeinflussten 700 Fake-Accounts über 20.000 Inhalte. Rechtsextreme manipulierten gezielt die größte Wissenssammlung der Welt, um Informationen zu verfälschen. Der Angriff flog auf.

Wikipedia-Konferenz in Potsdam

Drei Tage lang ist das Kongresshotel in Potsdam Treffpunkt für die deutschsprachige Wikipedia-Community. Hier tauschen sich Wikipedianer - Menschen, die an der Online-Enzyklopädie Wikipedia mitarbeiten - und Expert*innen aus der Medienbranche aus.

Schutzmechanismen vor Manipulation

Mit dabei ist auch Johannes Richter. Der 27-jährige Jurastudent ist einer von Tausenden Wikipedianern, die Inhalte in der Wikipedia erstellen, verbessern oder überwachen. Er kämpft täglich gegen Falschdarstellungen und Fehlinformationen. Als Administrator der deutschsprachigen Wikipedia ist er für die Bekämpfung von Vandalismus und Spam zuständig. Er sorgt dafür, dass Artikel nicht für persönliche oder politische Zwecke missbraucht werden - ein unsichtbarer Job im Hintergrund, der gerade in Zeiten zunehmender Desinformation immer wichtiger wird.

Das Grundgesetz Artikel 5 - Meinungsfreiheit

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An der größten Online-Enzyklopädie der Welt kann jeder mitschreiben. Voraussetzung: Die Informationen müssen aus verlässlichen Quellen stammen und belegt werden. Darüber wachen Tag für Tag ehrenamtliche Wikipedianer wie Johannes Richter.

Musk plant Wikipedia-Konkurrenz

Doch Fehl- und Desinformationen sind nur eine der Bedrohungen für Wikipedia. Auch der reichste Mann der Welt - Elon Musk - hat angekündigt, der Online-Enzyklopädie Konkurrenz zu machen. Er will eine eigene Enzyklopädie erschaffen: "Wir bauen 'Grokipedia' bei xAI auf", schrieb der Tech-Milliardär und frühere Berater von US-Präsident Donald Trump auf seinem Onlinedienst X.

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Musk wirft Wikipedia vor, "Propaganda der Mainstream-Medien" zu verbreiten, und ruft seine Anhänger dazu auf, der Plattform die Finanzierung zu entziehen. Im Januar lieferte er sich ein Wortgefecht mit Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales. Anlass war ein Wikipedia-Artikel über eine Geste, die Musk mehrfach bei einer Rede nach der Amtseinführung von Präsident Trump gemacht hatte und die als Hitlergruß interpretiert wurde. Wales erwiderte, es gehe um "Fakten", nicht um "Propaganda".

Fake News - ein Begriff mit vielen Facetten

Die einen sagen so, die anderen so. Die Wahrnehmung und Interpretation der Welt ist immer schon abhängig von der Perspektive gewesen. Davon zu unterscheiden sind jedoch bewusste Falschinformationen, sagt Alexander Moutchnik. Er ist Professor für Medienwirtschaft und Medienökonomie und nimmt ebenfalls an der Potsdamer Wikipedia-Konferenz teil. So genannte Fake News haben die Absicht, die öffentliche Meinung gezielt zu manipulieren. Der Begriff ist im Deutschen relativ neu, steht aber in der Tradition der Propaganda. Neu sei: Der Begriff "Fake News" werde zunehmend auch als Kampfbegriff genutzt, um andere Meinungen zu diffamieren, so Moutchnik.

Die Verbreitung von Fake News in der Wikipedia sieht der Kommunikationswissenschaftler dennoch gelassen: "In Wikipedia lässt sich keine Information heimlich ändern - jede Bearbeitung wird protokolliert." Falschinformationen ließen sich so leicht aufspüren. Kritik übt er allerdings am fehlenden Klarnamenprinzip: Viele Beiträge stammen von Pseudonymen, was Vertrauen erschweren könne. Beispielsweise bei Nutzernamen wie „MickyMaus123“. Deshalb hält Moutchnik es für wichtig, künftig eine Klarnamenpflicht einzuführen.

Die größte Gefahr sieht er darin, dass immer weniger Menschen mitschreiben und KI-generierte Beiträge zunehmen. Ohne aktiven menschlichen Input drohe die Plattform ausgehöhlt zu werden. Trotzdem: Wikipedia ist für ihn heute die einzige globale, mehrsprachige Wissensquelle mit einem offenen, demokratischen Prinzip - und so sollte es bleiben.

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