Rechter Hass aus dem Internet:Terrorgram als Schule für Attentäter
Rassistische Anschläge sorgen weltweit für Schrecken. Die Attentäter gelten oft als Einzelgänger. Dabei existieren rechte Chatgruppen, die diese Taten feiern und neue vorbereiten.
Messaging-Apps wie Telegram sind die digitale Brutstätte von Extremismus und Gewalt. Der Film zeigt den Aufstieg und die Entdeckung des länderübergreifenden Terrornetzwerks "Terrorgram".
18.09.2025 | 44:57 min12. Oktober 2022: Ein 19-jähriger Mann hält sich längere Zeit in der Nähe einer queeren Bar in der Altstadt von Bratislava auf. Plötzlich zieht er eine Waffe und schießt auf drei Freunde, die auf einer Bank vor der Bar sitzen. Zwei von ihnen verletzt er tödlich, eine dritte Person wird verwundet. Der Attentäter, Juraj Krajčik, wird am nächsten Morgen tot aufgefunden. Er hat sich selbst das Leben genommen.
Anschlag auf eine LGBTQ+-Bar in Bratislava in der Slowakei.
Quelle: ZDFVor dem Anschlag hatte der Attentäter ein rassistisches Manifest ins Internet gestellt. Darin ist von einer "kritischen Situation" die Rede, von der Eliminierung von Juden und Homosexuellen.
Texte mit solchen Inhalten waren keine Ausnahme im rechten Netzwerk "Terrorgram Collective", das sich auf dem Sozialen Medium Telegram in verschiedenen Chatgruppen zusammenfand. Dort war Krajčik Mitglied. Der damals zuständige Staatsanwalt Daniel Lipšic ging gleichwohl von einem Einzeltäter aus.
Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler sieht die Diskussion über Waffenverbotszonen oder schärfere Gesetze kritisch. Für ihn muss die Radikalisierung im Internet gestoppt werden.
24.08.2024 | 3:24 minDie These vom Einzeltäter - häufig unzutreffend
Rechtsextrem motivierte Terrorattacken schockieren immer wieder, sie geschehen weltweit in ganz unterschiedlichen Ländern. Ermittler vor Ort oder Medien tun sich häufig schwer, dahinter mehr zu sehen als die Taten fehlgeleiteter Einzeltäter. Dagegen zeichnet die ZDFinfo-Dokumentation "Die neue Terror-Gefahr: Terrorgram - vom Gruppenchat zum Attentäter" ein anderes Bild.
Zwischen zahlreichen Taten gibt es der Doku zufolge Verbindungen. Sie laufen in Chatgruppen wie "Terrorgram" zusammen. Dort erhielten künftige Attentäter häufig ihr ideologisches und technisches Rüstzeug. So war es auch im Fall des Attentäters von Bratislava. Mit 16 Jahren war Juri Krajčik in jene Gruppenchats gelangt, die zu seiner Bluttat inklusive seines Suizids führen sollten.
Attentäter von Christchurch gehörte zu globalem Netzwerk
Attentäter wie jener von Bratislava haben ihre Vorbilder. Gefeiert und als Helden verehrt werden in der Szene Massenmörder wie Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen erschoss, oder Brenton Tarrant, der 2019 in Christchurch in Neuseeland in zwei Moscheen 51 Menschen tötete.
Auch der Attentäter von Christchurch galt zunächst als Einzeltäter. Eine im Februar 2025 publizierte Studie der Universität Auckland deckte allerdings auf, dass er Mitglied eines global agierenden Netzwerks von Online-Extremisten war.
Insbesondere junge Menschen sind auf TikTok unterwegs - und nutzen die Plattform teils auch als Informationsquelle. Doch LKA-Ermittler warnen vor extremistischen Inhalten.
02.05.2025 | 2:43 min"Terrorgram Collective": Influencer stiften zu Terror an
Als die bis dahin gängigen Foren nach dem Massenmord von Christchurch nicht mehr erreichbar waren, wurde Telegram zur Plattform, auf der sich das gewaltverherrlichende Netzwerk als "Terrorgram Collective" versammelte. Es wurde dem Attentäter von Bratislava zur geistigen Heimat. Und zur Terrorschule, der Krajčik in seinem Manifest nicht nur für "großartige Texte" und "politische Beiträge" dankte, sondern auch für "praktische Anleitungen".
"Der Anschlag von Bratislava ist ein wichtiges Beispiel für die Rolle heutiger Influencer und ihre Anstiftung zu Terrorakten", sagt der Journalist A.C. Thompson. "So funktioniert Terrorismus heute."
Sehen Sie die Doku "Die neue Terror-Gefahr: Terrorgram - Vom Gruppenchat zum Attentäter" am 18. September 2025 um 23:55 Uhr bei ZDFinfo oder streamen Sie sie jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.
"Slovakbro" ein führender Kopf hinter Terrorgram
Durch journalistische Langzeitrecherchen gelang die Identifikation einiger Schlüsselfiguren des Terrornetzwerks. "Slovakbro" nannte sich ein führender Kopf. Dahinter verbirgt sich der Slowake Pavol Beňadik, der schon vor dem Anschlag von Bratislava verhaftet worden war. Er wurde wegen mehr als 200 Delikten im Zusammenhang mit Terrorismus angeklagt und zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Er verbreitet zum Beispiel Anweisungen, wie man Verbrechen begeht, ohne erwischt zu werden.
A.C. Thompson, Investigativ-Journalist, über "Slovakbro" und das internationale Telegram-Netzwerk "Terrorgram Collective"
Beňadik habe auch "ganz praktische Anleitungen zum Sprengstoffbau oder 3D-Druck von Waffen" gegeben, so Thompson. In Zusammenarbeit mit slowakischen Kollegen gelang dem US-Journalisten der Nachweis, dass der Attentäter von Bratislava mit "Slovakbro" in regem Austausch stand, seit er 16 Jahre alt war.
Weil sie einer mutmaßlich rechtsextremistischen Terrorgruppe angehören sollen, sind fünf Jugendliche festgenommen worden. Sie werden verdächtigt, Anschläge geplant und ausgeübt zu haben.
21.05.2025 | 1:41 minDoch die Terrorgram-Szene war nicht abhängig von einzelnen Führern. Es ist die rassistische, antiliberale Ideologie, die derartige Netzwerke zusammenhält. Sie wird als "militanter Akzelerationismus" (militante Beschleunigung) bezeichnet. Ihr Ziel ist unverändert die Destabilisierung liberaler Gesellschaften.
Rechtsextremer Akzelerationismus
Grundtenor des Akzelerationismus im Rechtsextremismus ist laut Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Annahme, dass die westliche Zivilisation in ihrer jetzigen Form dem Untergang geweiht und ein Rassenkrieg unausweichlich sei. Diese Entwicklung gelte es zu beschleunigen, bevor die "weiße" Bevölkerung weiter dezimiert werde.
"In diesem Kontext verübte Attentate zielen darauf ab, eine Gewaltspirale von Reaktion und Gegenreaktion in Gang zu setzen, die sich immer schneller drehen und irgendwann das 'System', also die liberale Demokratie, in ihren Fliehkräften zerreißen soll", so das BfV. "Diese Theorie konnte ihre Reichweite in den vergangenen Jahren massiv ausbauen."
Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz
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