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Studie zu Muslimen in Deutschland:Kränkung kann zu Radikalisierung beitragen
von Marcel Burkhardt
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Einer Studie der Uni Münster zufolge können Kränkungen und mangelhafte Integration von Muslimen Radikalisierung befördern. Die Forscher warnen aber vor Pauschalurteilen.
Muslime in Deutschland: 20 Prozent verspüren Ressentiments
Quelle: dpa
Ein Forschungsteam der Universität Münster hat die Zusammenhänge zwischen Kränkungsgefühlen, Ressentiments und Radikalisierung unter Muslimen in Deutschland untersucht. Das zentrale Studienergebnis lautet:
Rund 20 Prozent der 1.887 befragten Frauen und Männer zeigen Anzeichen von Ressentiments, die in Verbindung mit anderen Faktoren eine Radikalisierung begünstigen können.
Studie der Universität Münster, 2025
Professor weist Schlagzeile über Radikalisierung von Muslimen zurück
Mouhanad Khorchide, der Leiter des an der Studie beteiligten Zentrums für Islamische Theologie (ZIT), machte während einer Pressekonferenz am Mittwoch deutlich:
Das heißt nicht, dass 20 Prozent der Muslime in Deutschland radikalisiert sind.
Mouhanad Khorchide, Mitautor der Studie der Uni Münster
Der Professor wies in dem Zusammenhang auch Vorberichte zur Studie zurück, wonach "mehr als eine Million Muslime" in Deutschland eine "Anfälligkeit für Radikalisierung" zeigten. "Unsere Studie gibt diese Schlagzeile überhaupt nicht her", so Khorchide.
Gefühle der Kränkung und Zurückweisung bei Muslimen
Der Studie zufolge fühlen sich in Deutschland lebende Muslime allerdings häufig zurückgewiesen und gekränkt. Sie sagen zum Beispiel: "Probleme von Leuten wie mir sind für die meisten Politiker unwichtig." Das kann zu starken antiwestlichen und auch antisemitischen Feindbildern führen.
Als Ressentiment bezeichnet die Wissenschaft das Verfestigen eines Gefühls der Kränkung, das negative soziale Erfahrungen in den Mittelpunkt stellt und positive Erfahrungen dagegen entwertet. Die Autorinnen und Autoren der Studie warnen aber vor vereinfachten Schlussfolgerungen:
Nicht jeder Mensch mit einem Ressentiment muss in die Radikalisierung abgleiten oder gar Extremist werden.
Forschungsteam der Uni Münster
Islamisten nutzen verletzte Gefühle
Studienmitautorin Sarah Demmrich stellte am Mittwoch jedoch auch eine brisante Erkenntnis vor: Elf Prozent der befragten Muslime aus der Ressentiment-Gruppe äußerten die Absicht, persönlich Gewalt ausüben zu wollen. Zum Beispiel, "um einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen". Zum Vergleich: Null Prozent der Muslime ohne Ressentiments taten dies.
Das Forschungsteam warnt zudem davor, dass islamistische Gruppen gezielt verletzte Gefühle nutzen, um Menschen gegen die deutsche Gesellschaft zu mobilisieren. Die Thesen der Islamisten können demnach "wie Brücken vom Ressentiment zur Radikalisierung" wirken.
Debatte um Radikalisierung in sozialen Medien
ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide unterstützte in dem Zusammenhang auf Mediennachfrage die Forderung des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU), eine Debatte über das mögliche Verbot von sozialen Medien für Jugendliche zu führen.
Mit Blick auf die gestiegene Anzahl jugendlicher Extremisten im Land hatte Reul im Deutschlandfunk gesagt: "Wir haben offensichtlich mehr junge Leute, die labil sind, die unsicher sind, die vor diesem Netz sitzen, im Netz den ganzen Tag unterwegs sind und sich anfixen lassen." Sowohl beim Rechtsextremismus als auch beim Islamismus seien die Verführungskräfte bestimmter Gruppen in sozialen Medien groß.
Forscher für islamischen Religionsunterricht an Schulen
Mit Verweis auf die eigenen Studienergebnisse verwies Khorchide am Mittwoch auf den positiven Einfluss gesellschaftlicher Präventionsarbeit. Er sprach sich für Maßnahmen aus, "die Muslime in ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft bestärken und positiv sowie identitätsstiftend wirken".
Dazu zähle der Ausbau von Räumen, in denen Muslime Anerkennung und Teilhabe erfahren könnten - etwa durch die Stärkung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, so Khorchide.
Moscheegemeinden: Ressentiments entgegenwirken
"Innerislamisch" sieht der Wissenschaftler eine wichtige Aufgabe bei den Moscheegemeinden: "Sie sollten positive lebensweltliche Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen sichtbar machen und die Chancen betonen, die das Leben in Deutschland bietet."
So könne sich Khorchide zufolge langfristig eine positive Grundhaltung gegenüber der Gesamtgesellschaft entwickeln, die Ressentiments entgegenwirke.
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