"Die Leute finden die Grünen total doof" - Doku über Partei-Krise
Doku über Krise der Partei:"Die Leute finden die Grünen total doof"
von Christian Rohde
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Die Grünen suchen nach Gründen für die verlorene Bundestagswahl. Was bleibt in der Opposition von ihrem Anspruch, das Land zu verändern? Eine ZDF frontal-Doku sucht Antworten.
Erst Zuversicht, dann Krise: Bei der Bundestagswahl erreichten die Grünen nur noch 11,6 Prozent. (Symbolbild)
Quelle: 25-0337952
"Die gewöhnliche Sonnenblume ist eine einjährige krautige Pflanze", heißt es im Internetlexikon Wikipedia. Die Partei, die die Blume zu ihrem Symbol gemacht hat, gehört seit nun 45 Jahren zu diesem Land. Sie hat einen Weg hinter sich vom Außenseiter zum Establishment.
Felix Banaszak wurde Partei-Chef, als die Ampel-Regierung zerbrach. Im Interview mit ZDF Frontal sagt er:
Die ganzen Nachwahl-Befragungen deuten darauf hin: Die Leute finden die Grünen einfach total doof.
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Felix Banaszak, Grünen-Chef
Dies habe sich schon nach den verlorenen Landtagswahlen im Herbst 2024 besonders im Osten des Landes gezeigt. Für die einen seien die Grünen "die größten Ideologen unter der Sonne, die ziehen da mit der Brechstange ihre Klimaideologie durch, gegen alle Widerstände."
Für die anderen hätte die Öko-Partei ihre Ideale verraten. Von einstigen Anhängern bekommt der Parteichef zu hören: "Wir glauben nicht mehr, dass ihr es wirklich ernst meint. Ihr macht doch andauernd Kompromisse mit dieser doofen FDP."
19.05.2025 | 1:00 min
Noch vor wenigen Jahren lagen die Grünen in Umfragen bei bis zu 28 Prozent. Heute, nur eine Bundestagswahl später, liegt die Partei bei 11,6 Prozent und muss als Sündenbock für ein politisches System herhalten, das immer mehr Deutsche ablehnen.
Banaszak: Bei Thema Migration Bürger nicht erreicht
Das mit der FDP ist Geschichte. Der selbst formulierte Anspruch aufs Kanzleramt auch. Robert Habeck, der grüne Kandidat war angetreten mit dem Slogan "Ein Bündnis. Ein Mensch. Ein Wort." Und Plakaten, auf denen "Zuversicht" verkündet wurde.
"Es hat am Ende nicht zu dem gereicht, was wir wollten", sagt Felix Banaszak, Co-Vorsitzender der Grünen. "Jetzt muss man gucken, wie die Gespräche laufen", so Banaszak.23.02.2025 | 4:20 min
Die Partei habe erkennen müssen, dass Bündnisversprechen und plakatierte Zuversicht allein nicht reichen für regierungsrelevante Mehrheiten. Erst recht nicht, weil die Partei auf ein Thema, das den Wahlkampf dominierte, keine Antwort gefunden habe, wie Parteichef Banaszak heute erkennt: "Ich konnte kein Interview führen, keine Sendung bestreiten, in der nicht erst einmal ein Drittel der Zeit mit Migration, Migration, Migration, Migration voll war."
Und man muss sagen: Mit unserer differenzierten Position haben wir dann auch nicht genug Menschen abgeholt.
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Felix Banaszak, Grünen-Chef
Jürgen Trittin: Haben rechtem Diskurs nachgegeben
Solingen, Magdeburg, München, Aschaffenburg - Orte, an denen Menschen durch Anschläge oder Attentate starben und für deren Tod nicht wenige auch die Grünen und deren Migrationspolitik verantwortlich machen. Friedrich Merz sagte als Kanzlerkandidat der Union: "Kompromisse sind bei diesem Thema nicht mehr möglich." Habeck wollte als Kanzlerkandidat der Grünen trotzdem Schwarz-Grün.
1. Teil der Dokuserie von ZDF Frontal: Die Grünen - Von Friedensträumern zu Waffenlieferanten20.05.2025 | 35:05 min
Aus Sicht alter Parteistrategen war das der entscheidende Fehler. "Wir haben uns nicht getraut, da klare Kante zu machen", sagt Jürgen Trittin, einst Umweltminister unter Rot-Grün und ehemaliger Parteichef der Grünen. Die Partei habe "diesem rechten Diskurs ein Stück nachgegeben" und verpasst, eine klare Position einzunehmen, die zu grünen Werten und Idealen passe. "Dieses Land wird keine Zukunft haben, wenn wir nicht weniger, sondern mehr Migration haben."
Statt schwarz-grüner Bündnishoffnungen hätte die Botschaft lauten müssen: "Wir werden in keine Regierung eintreten, die europäisches Recht bricht und Grenzen in Europa wieder hochzieht." All das sei im Wahlkampf zu kurz gekommen, ist Trittin überzeugt. Die Niederlage allein erklärt das wohl nicht.
Joschka Fischer: Grüne haben Mehrheit der Bevölkerung überfordert
Die Partei der Umwelt- und Friedensbewegten sah sich stets als Zumutung für das Land, von Anfang an: mit langen Haaren, selbstbewussten Frauen im Parlament, mit fünf Mark für den Liter Benzin und "Veggie-Day". Die Ampelregierung und ihr grüner Wirtschaftsminister wollten mit einem Heizungsgesetz die Welt verbessern und sind gescheitert.
Joschka Fischer, einst Außenminister und bis heute wohl die bekannteste Führungsfigur der Grünen hat viele Krisen seiner Partei gesehen:
Einer der großen Fehler, den die Grünen in der abgelaufenen Legislaturperiode gemacht haben, war, die Mehrheit der Bevölkerung, die sie mal hatten, in der Klimapolitik nicht verteidigt zu haben, sondern sie überfordert zu haben.
Der ehemalige Außenminister wird deutlich. "Sie dürfen einer Rentnerin nicht mit technokratischen Gesetzentwürfen existenzielle Ängste einjagen." Die Zumutung, sie war zu groß - wieder einmal.
Aufgabe von Politik sei nicht "den Leuten zu Verzicht erklären", ist Winfried Kretschmann überzeugt. Seit 14 Jahren regiert er Baden-Württemberg - als einziger grüner Ministerpräsident:
Die Politik muss ein Wohlstands-Versprechen machen, also das Gegenteil. Sonst werden sie nämlich nicht mehr gewählt. Das ist ganz banal.
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Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Kretschmann, der die Grünen kurz nach ihrer Gründung als "die besseren Konservativen" bezeichnete, ahnt, dass es nicht einfacher wird für seine Partei.
Er erinnert an den grünen Gründungsgedanken. Ressourcen seien endlich und in einer endlichen Welt könne es kein unendliches Wachstum geben. "Das ist natürlich im Kapitalismus eine schwierige Ansage, nicht wahr?"
2. Teil der Dokuserie von ZDF Frontal: Die Grünen - Von Atomkraftgegnern zu Heizungsgesetzmonteuren20.05.2025 | 35:10 min
Ricarda Lang: "Ehrlichkeit mit Bürgerinnen und Bürgern"
Der Kapitalismus und sein Versprechen auf Wohlstand kämpft mit der Klimakrise, dem Krieg am Rande Europas, Donald Trump und einer wankenden Demokratie auch in diesem Land. "Deutschland steht vor historischen Herausforderungen", lautet der erste Satz im Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Sie will das Land "grundlegend erneuern". Das wollte die Ampel auch.
Ricarda Lang war zwei Jahre Grünen-Chefin. Es gebe in der Bevölkerung oft eine große Angst, wenn Politiker über Veränderungen und Zumutungen reden, sagt Lang. Am Ende müssten vor allem die weniger gut Betuchten - "der Busfahrer, die Pflegekraft" - diese Zumutungen tragen. "Und leider ist diese Erfahrung oft keine falsche." Am Ende komme es auf Ehrlichkeit an. "Ehrlichkeit mit den Bürgerinnen und Bürgern, Ehrlichkeit auch mit den Fehlern des politischen Betriebes."
Annalena Baerbock: Kein "Totgesang der Grünen"
Annalena Baerbock, die Ex-Außenministerin, verlässt den deutschen Politikbetrieb. "Da geht eine Phase grüner Politik zu Ende", sagt sie im Interview mit Frontal und wirkt, als freue sie sich auf New York. Baerbock möchte gern Präsidentin der UN-Vollversammlung werden.
Mit ihrem Abgang aus Deutschland von der Grünen-Spitze entstehe ja auch wieder etwas Neues. "Und in dieser Logik waren wir als Partei vielleicht immer stärker auch als andere." An einen "Totgesang der Grünen" mag sie nicht glauben.
3. Teil der Dokuserie von ZDF Frontal: Die Grünen - Vom Hassobjekt zum Hassobjekt 20.05.2025 | 34:58 min
Und was macht Habeck?
Ihr langjähriger Parteifreund und Konkurrent Habeck hatte nach der Wahlniederlage angekündigt, er stehe für keine politischen Ämter mehr zur Verfügung. Interviewanfragen von ZDF Frontal für eine Geschichte über die Grünen, über die Häutung einer Partei, die das Land verändern wollte, lehnte der Erklärkünstler ab. "Da müssen Sie sich jemand anderen suchen", sagte Habeck knapp.
In der anstehenden Legislatur soll der gescheiterte grüne Kandidat im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages wirken als einfacher Abgeordneter. Manch einer will ihn beim Radfahren in Berlin gesehen haben, ganz entspannt. Es gibt Fotos von Habeck beim Handballschauen. Seine Mannschaft, die SG Flensburg-Handewitt, hat zuletzt überraschend verloren.
Bündnis 90/Die Grünen ist eine Partei im Deutschen Bundestag. Was sind neue Entwicklungen bei Politikern, Vorsitzenden und dem Wahlprogramm der Partei? Aktuelle News zu den Grünen.