Generaldebatte: Gedämpfte Erwartungen und vergiftete Angebote

Analyse

Haushaltsberatung im Bundestag :Drei Erkenntnisse aus der Generaldebatte

Jan Henrich aus dem ZDF-Hauptstadtstudio

von Jan Henrich

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Bei der Generaldebatte zur zweiten Haushaltsberatung innerhalb weniger Wochen sind die Themen weitgehend gleichgeblieben. Einige Besonderheiten sind dennoch aufgefallen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht in der Generaldebatte im Bundestag zum Haushalt.

Bei der heutigen Generaldebatte im Bundestag wurden Themen wie der Rentenstreit und Frieden in der Ukraine heftig diskutiert. Vor allem die AfD übte scharfe Kritik am Regierungskurs.

26.11.2025 | 1:59 min

In der Generaldebatte vor wenigen Wochen hatte Bundeskanzler Friedrich Merz noch einen "Herbst der Entscheidungen" angekündigt. Der Kern seiner Rede ist seither weitgehend gleichgeblieben: Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, sicherheitspolitische Herausforderungen und gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Doch bei den Erwartungen scheint der Kanzler mittlerweile etwas auf die Bremse zu drücken. Drei Erkenntnisse aus der heutigen Diskussion im Bundestag:

Erstens: Der "Herbst der Entscheidungen" muss warten

Man habe eine Reihe von Kommissionen eingesetzt, die nun größere Reformen ausarbeiten, so Merz. Eine Rentenkommission mit klarem Arbeitsauftrag solle noch dieses Jahr folgen.

Die bestmögliche Entscheidung in dieser Sache werden wir nicht übers Knie brechen.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

Das sei keine Strategie der Verzögerung, so Merz. Es gehe darum, langfristig tragfähige Entscheidungen zu treffen. Ungewöhnlich ist das nicht, doch der Unterschied zum Tonfall und den Aussagen vom Beginn der Legislatur scheint immer deutlicher zu werden. Es fällt auf, dass der Kanzler aktuell sein eigenes Erwartungsmanagement wieder einfangen muss.

Friedrich Merz bei der Generaldebatte im Bundestag in Berlin, aufgenommen am 26.11.2025

Kanzler Merz kündigt bei der Generaldebatte im Bundestag schnelle Sozialreformen an. Einen Lösungsvorschlag im Rentenstreit macht er nicht, wirbt aber für einen "Konsens der Generationen".

26.11.2025 | 27:42 min

Zweitens: Aus den Streitthemen der Koalition kann die AfD nur wenig Kapital schlagen

Was die Fraktionsvorsitzende der AfD, Alice Weidel, zum Inhalt ihrer Rede machte, klang zumindest in Teilen weniger nach einer Abrechnung mit der Bundesregierung und eher nach einem Angebot in Richtung einzelner Abgeordneter der Union. Sie sollten sich überlegen, ob sie sich weiterhin am "Gängelband der Linken und Grünen" führen lassen wollen, so Weidel. Die AfD sei zu einer Zusammenarbeit bereit.

Gleichzeitig präsentierte die AfD-Chefin ihren Deutschlandplan mit parteitypischen Evergreens: Strengere Asylpolitik, Abschaffung der "GEZ-Gebühren", der Wiedereinstieg in die Kernenergie und ein Ende von grüner "Gängelung".

Einige von Ihnen sprechen immer wieder aus, was getan werden muss.

Alice Weidel, Vorsitzende AfD-Fraktion in Richtung der Unionsfraktion

Doch ausgerechnet aus den aktuellen Streitthemen der Koalition kann die AfD dabei nur wenig Kapital schlagen. Denn bei den Themen Wehrpflicht und Rente hadert die Partei mit sich selbst. Einer fortschreitenden Stützung der Rentenkasse mit Steuergeldern und den damit verbundenen Plänen ein Rentenniveau festzuschreiben, erteilte Weidel in ihrer Rede zwar eine Absage. Gleichzeitig hat die Partei in ihrem eigenen Wahlprogramm allerdings ein Rentenniveau von 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens angepeilt.

Generaldebatte im Bundestag am 26.11.2025 - Alice Weidel

AfD-Fraktionschefin Weidel bezeichnet die Bundesregierung als Koalition "im Endstadium". Sie stellt einen Zwölf-Punkte-Plan vor, der unter anderem die Rückkehr zu russischem Gas und Öl vorsieht.

26.11.2025 | 20:03 min

Drittens: Die Grünen knöpfen sich Spahn vor

Eine Abrechnung mit der Arbeit der Bundesregierung stand auch bei der Rede von Britta Haßelman, Fraktionsvorsitzende der Grünen, nicht allein im Vordergrund. Deutliche Kritik ging vor allem an ihren Parlamentskollegen und Fraktionsvorsitzenden der Union, Jens Spahn. Bei der Unionsfraktion gebe es Führungslosigkeit und Chaos. Man wisse am Dienstagmorgen nicht, wie die Union nachmittags aus ihrer Fraktionssitzung herauskomme, so Haßelmann.

Sie sind als Fraktion komplett unberechenbar.

Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen

Egal ob Rente oder Wehrdienst, die Fraktion wecke Erwartungen, die sie am nächsten Tag wieder einsammeln müsse. Dabei hätten die Grünen der Bundesregierung zu den bestmöglichen Startvoraussetzungen verholfen. Gemeint ist die Zustimmung der Grünen zum Sondervermögen und dem damit verbundenen finanziellen Handlungsspielraum für die Bundesregierung.

Britta Haßelmann bei der Generaldebatte im Bundestag am 26.11.2025 in Berlin

Grünen-Fraktionschefin Haßelmann wirft der Regierung Chaos und Unberechenbarkeit vor. Sie wecke jeden Tag Erwartungen und kündige Dinge an, "die sie am übernächsten Tag wieder einsammeln" müsse.

26.11.2025 | 16:02 min

Dass die Partei der schwarz-roten Koalition künftig im Zweifel als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung steht, scheint aktuell aber immer unwahrscheinlicher zu werden. Der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak hatte bereits vor einigen Tagen seine Ablehnung der Rentenpläne der Bundesregierung bekräftigt und angekündigt, dass die Zeit des "betreuten Regierens" vorbei sei.

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