Steigende Ausgaben:Bürgergeld: Union und SPD fordern mehr Härte
|
Die Ausgaben beim Bürgergeld steigen. Politiker von Union und SPD fordern Nachsteuerungen bei der Grundsicherung und setzen auf mehr Härte gegen Arbeitsverweigerer und Betrüger.
Das Bürgergeld und eine Reform desselben ist auch in der politischen Sommerpause Thema in Berlin.
Quelle: dpa
Vertreter von Union und SPD fordern angesichts der gestiegenen Bürgergeld-Ausgaben mehr Härte gegen Arbeitsverweigerer und Betrüger. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Reformen beim Bürgergeld seien richtig.
Wer das System ausnutzt, dem muss mit klaren Sanktionen begegnet werden. Bandenmäßiger Betrug oder Schwarzarbeit - wie etwa im Ruhrgebiet - dürfen nicht toleriert werden.
„
Dirk Wiese, SPD
Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU sagte, die Ausgaben von rund 47 Milliarden Euro pro Jahr für Bürgergeldzahlungen seien zu hoch: "Diese Zahl muss runter."
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat im ZDF Änderungen beim Bürgergeld gefordert. 04.08.2025 | 5:18 min
Der Staat hat 2024 für Menschen im Bürgergeld rund 46,9 Milliarden Euro an Hilfen gezahlt - rund vier Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor, wie aus der Antwort des Bundessozialministeriums auf eine kleine Anfrage der AfD hervorgeht. Insgesamt gab es 2024 einschließlich Kindern und Jugendlichen rund 5,5 Millionen Bezieher, davon knapp vier Millionen Erwerbsfähige - also Menschen, die grundsätzlich in der Lage sind, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten.
Experten erklären den Anstieg der Gesamtsumme unter anderem mit einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze 2023 und 2024 als Inflationsausgleich. In diesem Jahr folgte eine Nullrunde, dies wird auch für 2026 erwartet.
Fragen und Antworten zum Bürgergeld
Erwerbsfähige und leistungsberechtigte Bürgerinnen und Bürger: Man muss mindestens 15 Jahre alt und noch nicht im Rentenalter sein, in Deutschland wohnen, mindestens drei Stunden täglich arbeiten können und hilfebedürftig sein. Das heißt, wer mit dem eigenen Einkommen unter dem Existenzminimum landet und den Lebensunterhalt nicht ausreichend bestreiten kann.
Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld bekommen - wenn er oder sie mit jemand Erwerbsfähigem in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft lebt.
Nein. In einem Grundsatzurteil verwies das Bundesverfassungsgericht 2019 auf das Grundgesetz: Die Ausgestaltung der Grundsicherung ergibt sich demnach aus dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Denn staatliche Verpflichtung ist es, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.
Der Staat hat folglich den Auftrag, die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen. Seine sozialen Leistungen darf er daran knüpfen, dass Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können, und an aktive Mitwirkung. Auch Sanktionen sind erlaubt. Aber: Der Staat muss laut Karlsruhe strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit beachten. Nicht zu beanstanden ist laut den Richtern eine Leistungsminderung von 30 Prozent, bis ein Betroffener wieder mitwirkt.
Karlsruhe setzt dem enge Grenzen. Der vollständige Wegfall ist "auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar", heißt es im Urteil. "Es liegen keine tragfähigen Erkenntnisse vor, aus denen sich ergibt, dass ein völliger Wegfall von existenzsichernden Leistungen geeignet wäre, das Ziel der Mitwirkung an der Überwindung der eigenen Hilfebedürftigkeit und letztlich der Aufnahme von Erwerbsarbeit zu fördern."
Den Antrag auf Bürgergeld muss man persönlich stellen. Alle Angaben müssen korrekt gemacht, Urkunden und Bescheinigungen vorgelegt, Änderungen mitgeteilt werden. Wird man krank, muss man am dritten Tag ein Attest vorlegen. Die Hilfebedürftigen müssen an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken und sich auf Verlangen bewerben. Es gilt die Verpflichtung, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, zu der man in der Lage sind.
Bei Pflichtverletzungen werden die Leistungen gekürzt - in Schritten um bis zu 30 Prozent. Jobcenter sollen Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate auch komplett streichen können, wenn die Betroffenen die Aufnahme einer Arbeit nachhaltig verweigern. Dies gilt seit März und war zur Schließung von Finanzierungslücken beschlossen worden.
"Der Anstieg der vergangenen zwei Jahre ist maßgeblich auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zurückzuführen", sagte Dirk Heyden, Chef des größten deutschen Jobcenters in Hamburg, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Über eine Million Menschen seien seither nach Deutschland gekommen. Heyden machte auch den Krieg für die zurückliegende hohe Inflation und dadurch steigende Hilfebedürftigkeit verantwortlich.
Quelle: dpa
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Sonntag im ZDF-Sommerinterview: "Es muss endlich dafür gesorgt werden, dass jeder Arbeit annehmen muss, der arbeiten kann." Er sprach sich dafür aus, "am besten" auch jenen kein Bürgergeld mehr zu zahlen, die bereits in Deutschland sind.
Im ZDF-Sommerinterview hat CSU-Vorsitzender Markus Söder gefordert, dass ukrainische Geflüchtete statt Bürgergeld nur noch niedrigere Asylbewerberleistungen erhalten sollten.03.08.2025 | 2:35 min
Bürgergeld: SPD will nachsteuern
Wiese betonte, die große Mehrheit der Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger wolle aus der Arbeitslosigkeit herauskommen. Viele Menschen müssten aufstocken, weil sie trotz Arbeit nicht genug verdienten, um über die Runden zu kommen. Der SPD-Politiker wertete das als deutliches Signal für einen höheren Mindestlohn und eine stärkere Tarifbindung.
Wiese räumte zugleich ein, viele hätten das Gefühl gehabt, dass sich die SPD fast mehr um diejenigen kümmere, die nicht arbeiten, als um die, "die täglich malochen". Die SPD wolle jetzt nachsteuern. Aber: "Unser Ziel ist klar: Wir wollen niemanden gegeneinander ausspielen." Gute Arbeit verdiene Respekt - das heiße bessere Löhne und ein Sozialstaat, der unterstütze und nicht bestrafe.
Einig sind sich die Parteien, dass mehr Menschen wieder arbeiten müssen. Drei Millionen sind in Deutschland derzeit ohne Job. Sie wieder zu vermitteln, würde viel Geld sparen.
11.07.2025 | 2:29 min
CDU-Politiker: Es geht um Fairness
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban sagte dem RND: "Die neue Grundsicherung kann es nur noch für die geben, die wirklich auf Hilfe angewiesen sind - nicht für die, die nicht arbeiten wollen." Millionen Menschen gingen arbeiten und bezahlten das Sozialsystem. "Beim Bürgergeld geht es in erster Linie nicht nur um Einsparungen, sondern vor allem um Gerechtigkeit und Fairness."
Die schwarz-rote Koalition will die Ausgaben senken. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass das bisherige Bürgergeldsystem zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende umgebaut werden soll.