Pläne in der Union: Deutschland vor Atom-Comeback?
Wahlkampf um die Kernkraft:Unions-Pläne: Deutschland vor Atom-Comeback?
von Julian Schmidt-Farrent
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Kernfusion, Mini-AKW oder zurück zu den alten Kraftwerken: Die Atomkraft lässt Deutschland nicht los. Nun setzt die Union auf neue Technologien - mit ungewisser Perspektive.
Die Debatte um Atomkraft nimmt duch Vorschläge der Union wieder an Fahrt auf.
Quelle: Christian Charisius/dpa
Wenn die Deutschen schon ein kompliziertes Verhältnis zu ihrer Atomkraft haben, dann ist es bei der Union beinahe eine toxische On-Off-Beziehung. Nach Fukushima haben CDU und CSU die Technik beerdigt - 13 Jahre später stellen sie diesen Schritt infrage.
Union will Wiederaufnahme prüfen
In einem Positionspapier kritisiert die Union das Abschalten der letzten drei Kernkraftwerke im vergangenen Jahr. Eine "ideologisch motivierte Fehlentscheidung" habe die Ampel getroffen. Es müsse dringend geprüft werden, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs möglich sei. Knipst Deutschland nach der Bundestagswahl also wieder den Atomstrom an?
Logisch und rational sei eine Rückkehr zur Kernkraft, meint Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, auf der UN-Klimakonferenz in Baku.
Sie fragen sich vielleicht: Warum betrachtet der Rest der Welt die Sache anders?
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Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde
Wäre da nicht ein kleines Problem: Die deutschen Betreiber wollen die Atomkraft selbst nicht mehr.
Bill Gates hofft auf eine neue Zukunft der Kernenergie im Kleinformat: Mini-Atomkraftwerke in Serienproduktion. Sind Mini-AKWs die Lösung? Und wann kommen sie auf den Markt?15.04.2024 | 8:16 min
AKW-Betreiber lehnen ab - "Vollgas" beim Rückbau
"Für uns gibt es kein Zurück mehr", erklärt PreussenElektra-Chef Guido Knott im Gespräch mit ZDFheute. Sein Unternehmen betrieb eines der drei letzten deutschen AKW. Seit März befindet sich die Anlage im Rückbau - "und zwar mit Vollgas", so Knott. Schon wirtschaftlich sei ein Wiederbetrieb an diesem Punkt nicht mehr sinnnvoll.
Im Gespräch mit der Politik habe man das deutlich signalisiert, betont Knott. Mit RWE lehnt zudem ein weiterer AKW-Betreiber den Wiederbetrieb ab. Und auch aus der Wirtschaft kommt Kritik: Der Industrieverband BDI hält die Debatte um die alten AKW für Zeitverschwendung.
Die Union setzt in Sachen Nuklearenergie auch auf neue Technologien. Immer wieder spricht Kanzlerkandidat Friedrich Merz von seiner neuen Hoffnung, den Small Modular Reactors (SMR). Damit sind Mini-Atomkraftwerke gemeint, die rund ein Viertel der Leistung herkömmlicher Kraftwerke leisten sollen.
Die Diskussion um die Atomkraft ist zurück. Ob Ausstieg oder Wiedereinstieg, eine Frage bleibt: Wohin mit dem radioaktiven Abfall?30.10.2024 | 103:35 min
Stromerzeugung: Was könnten Mini-AKW leisten?
Die Idee der kleinen Reaktoren ist Jahrzehnte alt, bis heute existiert allerdings keiner. Mindestens 3.000 SMR müssten gebaut werden, bevor sich die Technologie lohne, heißt es in einer Studie für das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung. Zum Vergleich: Weltweit sind heute etwa 400 konventionelle Kraftwerke in Betrieb.
Irgendwann kommen SMRs an den Markt, schätzt Energieökonom Mathias Mier vom ifo-Institut. Laut Prognosen seien die Mini-AKW allerdings teurer als ihre alten Vorgänger - "und herkömmliche Atomkraftwerke lohnen sich schon nicht zu bauen". Atomstrom rechne sich nur im Dauerbetrieb, so Mier. Dabei brauche der deutsche Strommix aber flexible Kraftwerke, die seltene sonnen- und windarme Zeiträume abdecken..
Kernfusion als Lösung? Viel Kritik
Und dann wäre da noch die Kernfusion. Im Gegensatz zur alten Atomkraft wird die Energie nicht durch Spaltung, sondern durch die Verschmelzung zweier Atomkerne gewonnen. Weniger radioaktiver Müll, hoher Energiegewinn: Neue Forschungsergebnisse lassen Fans der Technik hoffen.
Eine europäische Versuchsanlage brach Anfang des Jahres zwar den bisherigen Weltrekord: 69 Megajoule Energie - das entspricht etwas über 19 Kilowattstunden (kWh) - konnten die Forschenden per Fusion erzeugen. Marktreif ist die Technologie noch lange nicht.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein unglaublich komplexes Ding vor Ende des Jahrhunderts kommerziell nutzbar ist.
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Mathias Mier, Energieökonom
Vor allem, wenn die Technologie mit den vergleichbar günstigen Solar- und Windanlagen konkurrieren müsste, so Mier.
Alte AKW als Standorte für Fusionsreaktoren?
Standorte werden für die Fusionsreaktoren trotzdem gesucht - und da kommen wieder die alten AKW ins Spiel. Erste Interessenten für das Gelände des Kraftwerks Isar II gibt es bereits, allerdings befindet sich die Anlage bis 2040 im Rückbau. PreussenElektra-Chef Knott sorgt sich eher, dass die Atom-Debatte im Hier und Jetzt seine Mitarbeitenden verunsichere. "Ich möchte nicht, dass sie davon abgelenkt sind und eben der ein oder andere vielleicht nochmal die Idee hat oder auch die Hoffnung hat, dass die Anlage wieder zurück ans Netz kommen könnte", sagt Knott.
Während die CSU zuletzt den sofortigen Stopp des Rückbaus forderte, rudert CDU-Chef Merz zurück: Er sei skeptisch, ob der Wiedereinstieg noch wirklich gelinge, so Merz bei maybrit illner. Wieso seine Fraktion wenige Tage später in dem Positionspapier die "Prüfung" dieses Schritts forderte, bleibt offen.
Julian Schmidt-Farrent ist Reporter im ZDF-Landesstudio Bayern.
Quelle: dpa
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