USA stoppen wichtige Waffenlieferungen: Kiew in der Zwickmühle

Analyse

USA stoppen wichtige Lieferungen:Ohne US-Waffen steckt Kiew in der Zwickmühle

von Dara Hassanzadeh, Kiew
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Die USA bestätigen den Lieferstopp für Präzisionsmunition an die Ukraine, auch für Patriot-Systeme und F-16 Kampfjets. Unter Ukrainern sorgt die Ankündigung für Unruhe.

SGS Slomka Hassanzadeh
Man rechne damit, dass Russland die Angriffe auf die Ukraine genauso hart fortführen werde. Waffenbestände müssten jetzt effektiv eingeteilt werden, so Dara Hassanzadeh in Kiew.02.07.2025 | 1:09 min
Seit dem Ausbruch des offenen Konflikts zwischen Israel und Iran blickt die Ukraine mit wachsender Sorge auf die Waffenbestände der USA - denn jede abgefeuerte Patriot-Rakete im Nahen Osten könnte eine weniger für den Schutz vor russischen Angriffen bedeuten.
Jetzt bekommt Kiew den Engpass direkt zu spüren: Die USA kürzen die Waffenlieferungen an die Ukraine. Das ukrainische Verteidigungsministerium wartete erstaunlich lange mit seiner öffentlichen Reaktion auf diese Hiobsbotschaft: "Die Ukraine hat keine offizielle Mitteilung über eine Aussetzung oder Änderung der Lieferpläne für die vereinbarte Verteidigungshilfe erhalten."

Daher gehen wir auf der Grundlage tatsächlicher Daten vor und überprüfen die Einzelheiten jedes einzelnen Artikels in der Lieferung.

Mitteilung des ukrainischen Verteidigungsministeriums

Zudem habe man Kontakt zur amerikanischen Seite aufgenommen und auch die Erfahrung gemacht, dass sich so manche Ankündigung aus dem Weißen Haus vom tatsächlichen Handeln der Regierung unterschieden habe, sagen uns Quellen aus dem ukrainischen Verteidigungsministerium.
Auf diesem von der US-Luftwaffe zur Verfügung gestellten Bild werden Paletten mit Munition, Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, die für die Ukraine bestimmt sind, von Mitgliedern der 436th Aerial Port Squadron während einer ausländischen Militärverkaufsmission auf dem Luftwaffenstützpunkt Dover im US-Bundesstaat Delhi am 30. Januar 2022 in ein Flugzeug geladen.
In der Ukraine werden die US-Lieferungen dringend erwartet: Raketen und Munition, auch für Patriot-Systeme, sollen angeblich aus Sorge vor eigenen Engpässen zurückgehalten werden.02.07.2025 | 2:35 min

Kiew hofft weiterhin auf Raketen aus Washington

In Kiew hegt man die Hoffnung, dass die heutige Ankündigung aus einer innenpolitischen Motivation heraus geschah: als Nachricht für Trumps Maga-Lager, das den amerikanischen Luftangriffen auf Iran äußerst kritisch gegenüberstand. Die Lieferunterbrechung an die Ukraine werden diese Anhänger gerne hören, insbesondere die Begründung, man brauche die Munition für die Sicherheit der USA: "America first!"
Dies ist die Hoffnung, aber auch die Beruhigungspille, die der Präsidentenberater Mychajlo Podoljak öffentlich verbreitet: "Die Lieferungen gehen weiter."

Es wäre äußerst seltsam und unmenschlich, die Lieferung von Patriot-Raketenabwehrsystemen einzustellen, die die ukrainische Zivilbevölkerung in großem Umfang schützen.

Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidialamts

"Niemand, insbesondere nicht in den USA, zweifelt daran, dass Russland in den letzten drei Monaten die Ereignisse im Nahen Osten ausnutzte, um die Zahl seiner Drohnen- und Raketenangriffe auf die Ukraine zu erhöhen und so viele Zivilisten wie möglich zu töten", sagte Podaljak heute.
Die Infografik zeigt das Flugabwehrsystem Patriot. Es erkennt Flugobjekte im Umkreis von 100 Kilometern und kann Raketen abfeuern.
Doch die Menschen in der Ukraine haben Wochen massiver Luftangriffe hinter sich. Sie fürchten wenig mehr als wieder russischen Raketen und Drohnen schutzlos ausgesetzt zu sein, wie zu Beginn des Krieges, als man nicht über Patriot-Systeme verfügte.
Ukraine während Nato-Gipfel
Während sich in Den Haag die Staatschefs zum Nato-Gipfel trafen, schlugen in der Ukraine russische Raketen ein. Die Menschen dort haben Angst, dass große Militärhilfen künftig ausbleiben.25.06.2025 | 2:08 min

Trump sorgt für Unsicherheit unter Ukrainern

Seitdem Donald Trump US-Präsident ist, seien Ukrainer einem Wechselbad von Hoffnungen und Ängsten ausgesetzt, sagt Anna Drobyshevska, die als Sozialarbeiterin bei der NGO Vilnyy vibir ("Free Choice") arbeitet.

Es gab viele Menschen hier, die Trumps Worten, den Krieg zu beenden, Glauben schenkten - und wenn es nur ein Strohhalm für sie war, an den sie sich klammern wollten.

Anna Drobyshevska, Sozialarbeiterin bei der NGO Vilnyy vibir

So sagt es Anna und meint damit auch ein bisschen sich selbst. Ihr Ehemann kämpft an der Donbass-Front. Millionen Menschen in der Ukraine sind traumatisiert und sie müssen nun mit einer weiter steigenden Gefahr zurechtkommen, dass die eigene Flugabwehr sie in Zukunft weniger schützen könnte.
Man weiß, dass auch der Kreml diese Nachrichten über einen Lieferstopp wahrgenommen hat. Viele Bürger sind darüber erbost, denn aus ihrer Sicht lade man Putin nahezu ein, die Luftangriffe fortzuführen und sogar noch zu intensivieren.
Ukrainische Flagge weht vor Rauch
Die Eltern wohnen nur 90 Kilometer entfernt - und doch ist eine lange Reise nötig, um zur Tochter zu gelangen. Eine Odyssee vom besetzten Teil der Ukraine in den nicht besetzten Teil.24.06.2025 | 2:15 min

4.758 russische Drohnen und Raketen allein im Juni

Allein im Juni hat Russland 4.758 Drohnen und Raketen auf ukrainische Städte geschossen. Es gibt gewisse amerikanische Systeme, insbesondere Präzisionsmunition für Patriot-Systeme und F16-Kampfjets, die kaum zu kompensieren sind. Nicht von Europa oder durch die stetig ausgeweitete Eigenproduktion in der Ukraine. Ohne gesicherten Nachschub gerät die ukrainische Flugabwehr in eine Zwickmühle.
Ein ukrainischer Offizier untersucht eine abgeschossene Shahed-Drohne.
Beinahe täglich fliegen russische Drohnenschwärme tödliche Angriffe auf die Ukraine. Möglich ist das auch dank westlicher Technik - trotz Sanktionen gegen Russland.01.07.2025 | 10:11 min
Falls der Lieferstopp der USA länger andauern sollte, muss die Flugabwehr entscheiden, ob sie ihre Bestände leert, mit dem Risiko irgendwann völlig schutzlos zu sein. Oder man priorisiert und verteidigt nur noch Ziele von großer militärischer oder ziviler Bedeutung. Das führt zwangsläufig zu mehr Verletzten und Toten in der Bevölkerung.
Das wäre der schlimmste Fall. Die heutige Ankündigung kann aber auch ein Großteil ihrer Sprengkraft verlieren, wenn die USA wieder liefert. Mit dieser Ungewissheit, dem Wechselbad aus Ängsten und Hoffnungen leben die Menschen bereits seit über dreieinhalb Jahren in der Ukraine.
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