Krieg im Sudan:Angst vor neuen Gräueltaten
von Golineh Atai
Nach ihren Verbrechen in Darfur rückt die RSF-Miliz im Süden Sudans mit großer Geschwindigkeit vor. Sie finanziert sich auch durch die Erpressung von Gefangenen.
Im Sudan herrscht seit 2023 ein Krieg zwischen der Regierungsarmee und der Miliz "RSF". Laut den Vereinten Nationen ist die Lage im Sudan die größte humanitäre Krise der Welt.
20.12.2025 | 1:56 min"Sie schworen, keine einzige Schwarze Person in Darfur am Leben zu lassen. Dass sie keine Schwarzen im Sudan wollten. Dass wir keine Sudanesen seien, sondern Flüchtlinge". Mohiyeddin Hussein erzählt über seine Gefangenschaft in den Händen der RSF-Milizen, die im Oktober die Stadt Al-Faschir eroberten. Auf seiner Flucht von dort schnappten sie den 48-Jährigen und setzten ein Lösegeld auf ihn aus.
Ethnischer Hass der Araber-Miliz gegen die Schwarze Bevölkerung - die oft mit Sudans Armee alliiert sind - ist nur einer von vielen Treibern des nun fast drei Jahre dauernden Kriegs. Ein Krieg zwischen Sudans Armee und einer mächtigen Miliz, die vom Staat selbst einst geschaffen wurde, um Anfang der 2000er-Jahre einen Aufstand zu unterdrücken.
Foltervideos der RSF-Milizen im Internet
Im Netz kursieren unzählige Foltervideos der RSF-Milizen. In einem befiehlt ein Milizionär seinem Sohn, Mohiyeddin Hussein auszupeitschen - so lange, bis der Gefangene bewusstlos zu Boden fiel.
Ein andermal schütteten sie brennendes Plastik auf meine Wunden. Überall am Körper. Während ich schrie, wurde ich gefilmt, und der Clip an meine Familie geschickt.
Mohiyeddin Hussein
Im Sudan berichten Zivilisten von gezielten Jagden und Hinrichtungen durch die RSF-Milizen in der Stadt Al-Faschir. Der Konflikt dreht sich um Rohstoffe wie Erdöl, Gold und Uran.
29.10.2025 | 1:35 minDas Ziel der Kämpfer: so viel Lösegeld wie möglich für ihn zu bekommen. Das Erpressungs-Geschäft boomt: Menschenrechtsorganisationen berichten, dass Tausende Zivilisten derzeit gefoltert und meistbietend verkauft würden, wenn sie die Folter überlebten. "Auch wenn ich selbst litt - ich musste weinen, als ich sah, was anderen Gefangenen vor meinen Augen widerfuhr: Die Milizen ließen eine Gruppe frei - und dann, nach zehn, fünfzehn Metern, erschossen sie alle", erzählt Hussein der ZDFheute.
Er hatte Glück. Seine Verwandten bezahlten fast dreitausend Dollar an die Miliz. Im Tawila-Flüchtlingscamp, wohin sich Zivilisten aus Al-Faschir gerettet haben, wird er von Ärzte ohne Grenzen behandelt. Die meisten im Camp, so die Ärzte, litten an Unterernährung, Verletzungen durch Folter und Schusswunden.
Belege für systematische Massenmorde
Die sudanesische Stadt Al-Faschir steht für das größte Verbrechen des Krieges. Von geschätzt mehr als 100.000 Menschen in Al-Faschir fehle jede Spur, berichten Forscher. Satellitenbilder, die sie auswerteten, zeigten "ein Schlachthaus". Nathanial Raymond, Leiter des "Humanitarian Research Lab" der amerikanischen Yale-Universität, hält es für belegt, dass die Miliz systematisch Massenmorde begangen hat und versucht, ihre Verbrechen zu verstecken:
Die Milizen verbrennen und begraben Objekte, die die Größe von Körpern haben - und zwar genau da, wo die meisten Zivilisten sich versteckt hielten, als die Stadt fiel.
Nathanial Raymond, Leiter des "Humanitarian Research Lab"
Hunger, Gewalt, Vertreibung – die humanitäre Lage im Sudan spitzt sich weiter zu. Nachdem die RSF-Miliz die Stadt Al-Faschir eingenommen hat, steht die Versorgung vielerorts vor dem Kollaps.
12.11.2025 | 6:22 minRaymond hat dem US-Außenministerium, dem EU-Parlament und dem britischen Parlament Bericht erstattet. Er hält es für einen Fehler, dass die USA beide Kriegsparteien im Sudan - Armee und Miliz - gleichbehandeln. Die Armee habe Kriegsverbrechen verübt, während die Miliz - auch von den USA - für einen Genozid verantwortlich gemacht wird. "Der Grund, warum die Menschen sterben, ist einfach: Es passiert, weil die Vereinigten Arabischen Emirate die RSF-Miliz aufrüsten - das bestätigen US-Geheimdienste. Doch für die USA, Großbritannien und die EU sind die Wirtschafts- und Sicherheitsbeziehungen zu den Emiraten wichtiger als ihre Schutzverantwortung laut Völkerrecht."
Provinz Kordofan: Eine Million Menschen fliehen vor Miliz
Die Emirate bestreiten ihre Rolle als Kriegsfinanziers. Derweil setzt die RSF-Miliz ihren Eroberungsfeldzug fort. Im Süden Sudans rückt sie mit großer Geschwindigkeit vor. Ihre Social-Media-Auftritte zeigen einen scheinbar unerschöpflichen Vorrat an Drohnen und Pick-ups. Die UN warnen vor einem zweiten Al-Faschir - in der Stadt Al-Obaid, die die Provinz Darfur im Westen mit der Hauptstadt Khartum im Osten verbindet.
"Der Konflikt ist jetzt bereits nicht nur die größte humanitäre Katastrophe, sondern auch die größte Flüchtlingskrise", so Anette Hoffmann, Sudan-Expertin, zum Konflikt im Sudan.
31.10.2025 | 4:54 minEine Million Flüchtlinge haben in Al-Obaid bereits vor der Miliz Zuflucht gesucht. Die meisten waren Kleinbauern, die nun in Zelten aus Stroh und Stofffetzen leben. Von drei Seiten hat die Miliz Al-Obaid bereits umzingelt. Die Preise für Lebensmittel sind enorm gestiegen. "Wir haben nichts - kein Obdach, keine warme Kleidung, kein sauberes Trinkwasser. Ich suche Decken für meine Kinder, sie sind hungrig", klagt Adam Yahya, dessen Heimatstadt Babanusa nun von der RSF kontrolliert wird. Neue Vertriebene finden kaum noch Platz in Al-Obaid.
"Was im Sudan passiert ist entsetzlich, grauenhaft", erklärte US-Außenminister Marco Rubio auf seiner letzten Pressekonferenz des Jahres. Er drängt auf einen sofortigen Waffenstillstand. Doch der liegt in weiter Ferne. Afrika-Experten kritisieren, dass die USA - anders als in den Bush- und Obama-Jahren - keinen langfristigen politischen Plan für den Sudan, keine Vision für einen staatlichen Transformationsprozess dort hätten.
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