Sudan: "Ärzte ohne Grenzen" über die humanitäre Katastrophe
Größte globale Vertreibungskrise:Sudan - die vergessene Katastrophe
von Marcel Burkhardt
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Hunger, Gewalt, Flucht: Im Schatten anderer Konflikte vollzieht sich im Sudan die größte Vertreibungskrise der Welt. Ein aktueller Bericht der "Ärzte ohne Grenzen" gibt Einblicke.
Täglicher Kampf um Trinkwasser und Nahrung in einem Flüchtlingslager im Sudan.
Quelle: AFP
Das menschliche Elend im Sudan kann die Vorstellungskraft sprengen: Bereits vor Ausbruch des Krieges im April 2023 waren in dem afrikanischen Staat 15 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen - das sind weit mehr Menschen, als zusammen in den zehn größten deutschen Städten leben.
Inzwischen ist die Zivilbevölkerung im Sudan zwei Jahre und zwei Monate "entsetzlicher Gewalt" ausgesetzt, wie die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" berichtet.
Laut Vereinten Nationen ist der Bürgerkrieg im Sudan die größte humanitäre Krise der Welt. Vor zwei Jahren eskalierten die Kämpfe; ein Ende des Kriegs ist nicht in Sicht.15.04.2025 | 1:48 min
Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen leiden heute fast 25 Millionen Sudanesen unter akutem Hunger. Das ist die Hälfte der Gesamtbevölkerung des Landes.
Sudan - größte Vertreibungskrise auf der Welt
Während sich die sudanesischen Streitkräfte und die so genannten "Rapid Support Forces" weiter brutal bekämpfen, bestimmen Hunger und Gewalt den Alltag von Millionen Zivilisten.
Nach mehreren Putschen wollten der Oberbefehlshaber der sudanesischen Armee (SAF), Abdel Fattah al-Burhan, und der Chef der Milizen "Rapid Support Forces" (RSF), Mohamed Hamdan Daglo, sich die Macht teilen. Al-Burhan wurde Präsident, Daglo sein Stellvertreter. Das Gebilde zerbrach aber im April 2023 an der Rivalität der Männer.
Seitdem kämpfen beide mit ihren Truppen um die territoriale Vorherrschaft. Beide Seiten begegnen Zivilisten nach Angaben von Einwohnern mit roher Gewalt. Ihnen werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Mehr als 14 Millionen Menschen sind auf der Flucht, was den Sudan zur größten Vertreibungskrise der Welt macht.
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Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) 2025
Nur ein Bruchteil der Bedürftigen hat Aussicht auf einfachste medizinische Hilfe.
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Mitten im Krieg ist "Ärzte ohne Grenzen" kontinuierlich als eine von wenigen internationalen Hilfsorganisationen im Sudan tätig - und unterstützt in zehn Bundesstaaten Krankenhäuser, Ersthilfezentren und mobile Kliniken.
Die 1.600 sudanesischen und 200 internationalen Helferinnen und Helfer bieten Notfallversorgung und chirurgische Eingriffe für Kriegsverletzte, sie leisten Geburtshilfe und Gesundheitsversorgung für Mütter und Kinder.
Der Südsudan, selbst bettelarm, hat rund 900.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Sudan aufgenommen, wo sich eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der Welt abspielt. 15.01.2025 | 10:07 min
Täglicher Kampf um Trinkwasser und Nahrung
Laut ihres aktuellen Berichts "Voices from South Darfur" ("Stimmen aus Süd-Darfur") hat "Ärzte ohne Grenzen" zwischen Januar 2024 und März 2025 fast 11.000 akut mangelernährte Kinder unter fünf Jahren versorgt. Darunter sind Kleinkinder wie das der 25-jährigen Zahra Abdullah. Die junge Frau ist vom Krieg gezeichnet. Sie sagt:
Das ist nicht der erste Krieg, den ich erlebe, aber es ist definitiv der verheerendste in meinem Leben.
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Zahra Abdullah, geflüchtete Sudanesin
Die junge Mutter beschreibt ihr Leben im Al-Salam-Camp für Vertriebene als "täglichen Kampf" um Trinkwasser, Nahrungsmittel und einen halbwegs geschützten Schlafplatz. Durch die Lebensmittelhilfe gäbe es nun immerhin eine Mahlzeit am Tag.
Zahra Abdullah
Quelle: Abdoalsalam Abdallah/Ärzte ohne Grenzen
Menschen wie Zahra Abdullah Gesicht und Stimme zu geben ist auch ein Versuch, die "globale Amnesie" zu durchbrechen, die UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, mit Blick auf die Vernachlässigung des Krieges und der humanitären Lage im Sudan diagnostiziert hatte. Denn obwohl dieser Krieg katastrophale Folgen für Millionen Menschen hat, nimmt die Weltgemeinschaft kaum davon Notiz.
"Kulturzeit": Sudan - ein Völkermord und niemand sieht hin? 24.04.2025 | 35:10 min
Zerstörung und Wiederaufbau
Vor zwei Jahren drohte das Land komplett zur Blackbox zu werden. Durch eine Eskalation der Kämpfe mussten sich internationale Beobachter zurückziehen; die meisten humanitären Hilfsprogramme wurden unterbrochen. Währenddessen zerstörten die Kriegsteilnehmer auch wichtige zivile Infrastruktur.
Im Sudan, wo seit April 2023 zwei Militärs um die Macht kämpfen, wurde bereits im vergangenen Jahr eine Hungersnot festgestellt.
Quelle: ZDF
Inzwischen sei die Arbeit etwa im Bundesstaat Süd-Darfur aber wieder möglich, berichtet "Ärzte ohne Grenzen". Seit ihrer Rückkehr im Januar 2024 hat die Organisation in Kooperation mit dem Gesundheitsministerium und anderen Organisationen zum Beispiel das Nyala Teaching Hospital wiederaufgebaut.
Im Sudan tobt ein blutiger Machtkampf zwischen Armee und Paramilitärs. Die Zivilbevölkerung leidet. 15.09.2023 | 44:29 min
Mädchen und Frauen im Krieg "nirgendwo sicher"
Dort und in anderen Kliniken des Landes hat "Ärzte ohne Grenzen" zwischen Januar 2024 und März 2025 mehr als 650 Überlebende sexualisierter Gewalt behandelt. Frauen und Mädchen könnten sich im Kriegsgebiet leider nirgendwo sicher fühlen, sagt Claire San Filippo, Notfallkoordinatorin von "Ärzte ohne Grenzen":
Sie werden in ihren eigenen Häusern angegriffen, wenn sie Lebensmittel besorgen, Feuerholz sammeln, auf den Feldern arbeiten oder vor der Gewalt in ihren Dörfern zu flüchten versuchen.
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Claire San Filippo, "Ärzte ohne Grenzen"
Etwas Grund zur Hoffnung besteht aktuell offenbar zumindest für die Notleidenden in Süd-Darfur, weil UN-Organisationen zunehmend Wege finden, ihre Hilfe dort zu verstärken. Wegen der anhaltenden Gefahren beginne die Arbeit vor Ort aber nur langsam und mit Vorsicht.
Seit April gibt es gewaltsame Konflikte im Sudan. Es gab Tote. Im Evakuierungseinsatz hat die Bundeswehr mehr als 700 Menschen gerettet. Aktuelle Nachrichten und Hintergründe.