Drohnenangriff auf Residenz vorgetäuscht:Fingierter Angriff auf Putin: Was das über Russland aussagt
von Christian Mölling, András Rácz
Russland hat einen vermeintlichen Angriff auf Putins Residenz vorgetäuscht - mehrere Punkte belegen die Lüge aus dem Kreml. Welche Ziele Moskau mit der Desinformation verfolgt.
Kiew weist den Angriff als Lüge zurück - doch US-Präsident Trump scheint Moskau zu glauben.
30.12.2025 | 1:52 minDie Behauptungen Russlands über einen ukrainischen Drohnenangriff auf Putins Residenz in Waldai am 29. Dezember sind völlig unbegründet. Deutsche und internationale Medien haben bereits ausführlich analysiert, warum die russische Behauptung, dass 91 ukrainische Drohnen Waldai angegriffen hätten, mit Sicherheit nicht wahr ist.
Drei Dinge sind den bisherigen Erkenntnissen hinzuzufügen: Erstens gab es in dieser Nacht überhaupt keine Luftalarme in Waldai. Zweitens haben die Anwohner weder Flugabwehrmaßnahmen gesehen noch Geräusche von überfliegenden Drohnen gehört. Drittens hat Russland keine glaubwürdigen materiellen Beweise vorgelegt, wie z.B. geolokalisierte Wrackteile ukrainischer Drohnen usw.
Angaben des russischen Verteidigungsministeriums widerlegen Kreml
Ironischerweise ist es das russische Verteidigungsministerium selbst, das die Behauptungen des Kremls über den Angriff von 91 ukrainischen Drohnen auf Waldai widerlegt hat. Die Darstellung des Angriffs auf Waldai wurde erstmals am 29. Dezember mitten am Tag ausgestrahlt. Einige Stunden zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium jedoch seinen üblichen Morgenbericht über die feindlichen Luftaktivitäten während der vergangenen Nacht veröffentlicht.
Die russische Seite habe bislang keine Beweise vorgelegt, sagt auch ZDF-Korrespondent Felix Klauser zu den Vorwürfen Russlands, die Ukraine habe Putins Residenz angegriffen. "Das sei eine Lüge", sagt Ukraines Präsident Selensky laut Timm Kröger.
30.12.2025 | 2:45 minNach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden in dieser Nacht insgesamt 89 ukrainische Drohnen in ganz Russland (!) abgeschossen, darunter auch in Regionen weit entfernt von Waldai, wie Rostow oder dem Asowschen Meer.
Später am Tag "berechnete" das Ministerium die Zahl der abgeschossenen Drohnen neu und behauptete zunächst, dass 103, später dann 140 neutralisiert worden seien. Die ursprüngliche Information über 89 Drohnen, die die gesamte Erzählung über den "Luftangriff auf Waldai" von Anfang an widerlegte, konnte jedoch nicht rückgängig gemacht werden.
Quelle: ZDF
Die Lüge als fester Bestandteil russischer Diplomatie
Mit anderen Worten: Die Geschichte über den angeblichen ukrainischen Drohnenangriff auf Waldai ist eine komplette Lüge. In der russischen Sprache gibt es ein eigenes Wort für diese Art von Lügen, bei denen sowohl der Sprecher als auch der Empfänger wissen, dass es sich um eine Lüge handelt, der Sprecher sie aber trotzdem weiter erzählt.
Nach dem Ukraine-Treffen in den USA wird noch um offene Fragen gerungen. Dabei geht es auch darum, wie viele Jahre die USA der Ukraine Sicherheitsgarantien geben werden.
29.12.2025 | 1:47 minEs heißt "vranyo" (враньё) und ist seit jeher ein fester Bestandteil des Instrumentariums sowohl der sowjetischen als auch der russischen Diplomatie, zusätzlich zur kriminellen Unterwelt, aus der es stammt. Es gibt kein einziges englisches Wort mit einer ähnlichen Bedeutung. Die größte Entsprechung wäre der Begriff der offensichtlichen Lüge.
Der Zweck: Desinformation und Steuerung der Diskussion
Die offensichtliche Lüge hindert Moskau jedoch nicht daran, es als Vorwand zu benutzen - tatsächlich ist genau das der Zweck des gesamten "vranyo"-Phänomens. Die als Vorwand verwendete Erzählung muss nicht glaubwürdig sein. Ihr Hauptzweck besteht nicht darin, jemanden zu überzeugen, sondern die Diskussion zu beeinflussen und somit als Bezugspunkt für die bevorstehenden Maßnahmen Russlands zu dienen.
Über die Reaktionen in der Ukraine berichtet ZDF-Reporter Timm Kröger.
29.12.2025 | 1:20 minLange Tradition in Russland und der Sowjetunion
Russland hat eine lange Tradition darin, False-Flag-Operationen und vorgetäuschte Provokationen als Vorwand für verschiedene Formen gewalttätiger Aktionen zu nutzen. Man erinnere sich beispielsweise an den sogenannten Mainila-Vorfall im November 1939, als die Sowjets zunächst ihre eigenen Grenzsoldaten beschossen und anschließend Helsinki offiziell für den Angriff verantwortlich machten, um so den Vorfall als Rechtfertigung für den Angriff auf Finnland zu nutzen.
Der offenbare Vorwand für den Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges im Jahr 1999 waren die sogenannten "Hausbombenanschläge" in Russland. Mehrere Wohngebäude wurden gesprengt, wofür Moskau die Tschetschenen verantwortlich machte - in Wirklichkeit jedoch, davon gehen westliche Ermittler und Beobachter aus, soll der FSB selbst hinter den Anschlägen gestanden haben, um einen Vorwand für den Angriff auf Tschetschenien zu schaffen.
Während der Invasion der Krim im Jahr 2014 behauptete Russland fälschlicherweise, dass ukrainische Nationalisten auf die Halbinsel zusteuerten, um dort lebende Russen anzugreifen. Russland behauptet auch heute noch, dass die Ukraine vor 2022 im Donbass Völkermord begangen habe, obwohl selbst UN-Gremien solche Anschuldigungen als unbegründet zurückgewiesen haben.
Mit einer bizarren Aussage hat US-Präsident Trump bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj für Verwunderung gesorgt. So wolle Russland eine "erfolgreiche Ukraine sehen".
29.12.2025 | 0:44 minVermeintlicher Angriff auf Putin-Residenz: Drei Ziele dieser Lüge
Die Frage ist daher, zu welchem Zweck Moskau den "Waldai-Vorfall" tatsächlich nutzen wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er mindestens drei Zwecken dienen wird:
- Erstens, um das Vertrauen zwischen Trump und Selenskyj zu untergraben und ihre Zusammenarbeit zu behindern, indem Selenskyj als rücksichtsloser, unverantwortlicher Führer dargestellt wird.
- Zweitens, um die Sicherheitsgarantien der USA, die derzeit ausgearbeitet werden, zu untergraben, indem behauptet wird, die Ukraine habe russisches Territorium angegriffen, wodurch jegliche Garantie null und nichtig würde.
- Drittens könnte der vorgetäuschte Angriff auch dazu dienen, eine Eskalation gegen die ukrainische Zivilbevölkerung zu rechtfertigen, indem zerstörerischere Waffen eingesetzt werden oder versucht wird, kritischere Ziele wie große Staudämme oder Nuklearanlagen zu zerstören.
Die ersten beiden Maßnahmen sind bereits sichtbar. Die dritte, das heißt größere Angriffe, die als "Vergeltungsmaßnahmen" dargestellt werden, könnten bereits in den kommenden Tagen erfolgen.
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